Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.594/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_594/2012

Urteil vom 24. Januar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden, Kreuzstrasse 2, 6371 Stans,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Thomas Rebsamen,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Verletzung der Verkehrsregeln (ungenügendes Sichern der Ladung); Willkür,
rechtliches Gehör etc.,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Nidwalden,
Strafabteilung, vom 12. Juli 2012.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
X.________ lenkte am 24. September 2010 einen mit 16.5 m³ feuchtem Seesand
beladenen Lastwagen auf der Autobahn von Flüelen in Richtung Gettnau. Ihm wurde
vorgeworfen, er habe es willentlich unterlassen, den in der Mitte der offenen
Ladefläche 40 cm höher als die seitlichen Ladewände aufgehäuften Sand
vorschriftsgemäss mit einer Abdeckung zu versehen, weil er pflichtwidrig
angenommen habe, es bestehe keine Gefahr, dass der Sand oder ein Teil davon
während der Fahrt vom Lastwagen geraten könnte. Überdies vergass X.________,
die Sicherheitsgurte zu tragen.

Am 5. November 2010 büsste das Verhöramt des Kantons Nidwalden X.________ wegen
Verkehrsregelverletzungen durch ungenügendes Sichern der Ladung sowie
Nichttragen der Sicherheitsgurte mit Fr. 300.--
Gegen den Schuldspruch wegen ungenügenden Sicherns der Ladung erhob X.________
Einsprache, worauf die Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden Anklage erhob.

Am 25. August 2011 sprach das Kantonsgericht Nidwalden X.________ vom Vorwurf
der Verkehrsregelverletzung durch ungenügendes Sichern der Ladung im Sinne von
Art. 93 Ziff. 2 Satz 1 SVG in Verbindung mit Art. 30 Abs. 2 SVG und Art. 73
Abs. 5 VRV frei. Das Nichttragen der Sicherheitsgurte bestrafte es mit einer
Busse von Fr. 60.-- .
Das Obergericht des Kantons Nidwalden wies am 12. Juli 2012 eine Berufung der
Staatsanwaltschaft ab und bestätigte das Urteil des Kantonsgerichts.

Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit Beschwerde ans Bundesgericht und
beantragt, das Urteil vom 12. Juli 2012 sei aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

2.
Ladungen auf Fahrzeugen sind so anzubringen, dass sie niemanden gefährden oder
belästigen und nicht herunterfallen können (Art. 30 Abs. 2 SVG). Ladungen oder
Teile davon, die leicht weggeweht werden können, sind in geschlossenen
Behältern zu befördern oder mit geeigneten Abdeckungen zu überdecken (Art. 73
Abs. 5 VRV). Strafbar macht sich, wer ein Fahrzeug führt, von dem er weiss oder
bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen kann, dass es den Vorschriften nicht
entspricht (aArt. 93 Ziff. 2 SVG).

Die kantonalen Richter stützen sich bei ihrem Entscheid auf eine Fotografie,
welche die Polizei erstellt hatte (vgl. angefochtenen Entscheid S. 8/9 E. 2.1
und 2.2 mit Hinweis auf KA act. 1/8). Nach ihren Feststellungen befand sich auf
dem Lastwagen feuchter Seesand, der etwas höher als die seitliche Ladekante
aufgehäuft war. Der Sand ragte nur ganz in der Mitte der Ladefläche und dort
wohl kaum um ganze 40 cm über die Oberkante der seitlichen Muldenwände. Gegen
beide Ränder der Mulde hin lag der Sand mehr als 20 cm unter der
Muldenoberkante, so dass dort ein beachtlicher Leerraum bestand. Die kantonalen
Richter kommen zum Schluss, dass der feuchte Sand, wenn er überhaupt ins
Rutschen geraten wäre, in die genügend grossen seitlichen Vertiefungen
gerutscht wäre und zwar auch im Falle abrupter Fahrmanöver oder eines leichten
Unfalls. Weiter stellen sie fest, dass bei feuchtem Sand hauchdünne Brücken aus
Wasser die Körner miteinander verbinden und so den Sand fest und tragfähig
machen. Im vorliegenden Fall habe der feuchte Seesand eine kompakte Masse
gebildet, bei welcher die Gefahr des Wegblasens von einzelnen Körnern als
minimal einzuschätzen war.

2.1 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe sich mit vier Vorbringen,
mit denen sie ihre Willkürrüge begründet habe, in Verletzung von Art. 398 Abs.
4 Satz 1 StPO nicht befasst (vgl. Beschwerde S. 2/3 Ziff. 2.2). Sie sagt jedoch
nicht, welche Aussagen des an der Verhandlung befragten Zeugen das
Kantonsgericht nicht beachtet hat. Aus ihren Ausführungen ergibt sich nicht,
inwieweit die kantonalen Richter die Fotodokumentation falsch interpretiert
haben. Woraus sich ergeben könnte, dass die Fahrt zum Zeitpunkt des
möglicherweise später einsetzenden Regens bereits beendet gewesen wäre, ist aus
der Beschwerde nicht ersichtlich. Schliesslich führt sie nicht aus, inwieweit
die kantonalen Richter in Bezug auf die Exposition bzw. das Wegblasen der
oberen Sandfläche offensichtlich falsche Feststellungen getroffen haben.
Gestützt auf die zu knappen Ausführungen in der Beschwerde kann das
Bundesgericht nicht überprüfen, ob sich die Vorinstanz mit den vier Vorbringen
in der Berufung hätte befassen müssen.

2.2 In Bezug auf die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art.
29 Abs. 2 BV in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 lit. c StPO (vgl. Beschwerde S.
3 Ziff. 2.3) ist auf die Ausführungen in E. 2.1 zu verweisen.

2.3 Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung von Art. 73 Abs. 5 VRV
geltend. Auch feuchter Sand, der über die seitlichen Ladewände und den vorderen
Muldenrand aufragt, könne infolge Abtrocknung vom Fahrtwind und von
tunnelbedingten Turbulenzen weggeweht werden, wenn er ohne jede Abdeckung auf
offener Ladefläche transportiert werde (vgl. Beschwerde S. 3 Ziff. 2.4.1). Als
der Beschwerdegegner angehalten wurde, war er seit rund 30 Minuten auf der
Fahrt und der Sand noch nass (angefochtener Entscheid S. 2). Die kantonalen
Richter stellen nicht fest, dass der Beschwerdegegner noch eine Strecke fahren
wollte, auf der der feuchte Seesand hätte austrocknen können, zumal nach den
Feststellungen der Vorinstanz sogar mit Regen zu rechnen war (angefochtener
Entscheid S. 9 E. 3.1). Bei dieser Sachlage dringt das Vorbringen der
Beschwerdeführerin nicht durch.

2.4 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von aArt. 93 Ziff. 2 SVG in
Verbindung mit Art. 30 Abs. 2 Satz 2 SVG. Die sinngemässe Argumentation, wonach
das Herunterfallen des Sandes von der Ladefläche nicht die zwingende Folge
eines leichten Unfalles oder brüsken Ausweich- oder Bremsmanövers gewesen wäre,
zeige, dass die kantonalen Richter die erwähnten Bestimmungen nicht als
abstraktes Gefährdungsdelikt verstehen, sondern bei der Auslegung an einen
konkreten Erfolgseintritt anknüpfen. Ein solcher Erfolg sei nach dem
unmissverständlichen Wortlaut von Art. 30 Abs. 2 Satz 2 SVG jedoch nicht
vorausgesetzt. Danach sei unerheblich, dass sich Sand bei einem Zusammenstoss
oder einem brüsken (Brems-)Manöver vorerst (auch) auf der Ladefläche verteilt
hätte und erst hernach von dieser gefallen wäre. Es genüge, dass die Ladung
nachweislich nicht gegen das Herunterfallen von der Ladefläche gesichert
gewesen sei, ohne dass beweismässig erhärtet werden müsse, dass dadurch eine
konkrete Gefahr für das von der Strafnorm geschützte Rechtsgut entstanden sei
(vgl. Beschwerde S. 3/4 Ziff. 2.4.2).

Das abstrakte Gefährdungsdelikt verlangt eine Handlung, die nach allgemeiner
Erfahrung generell geeignet ist, eine Gefahr für das geschützte Rechtsgut
herbeizuführen, und dies unabhängig davon, ob das Rechtsgut im konkreten Fall
in Gefahr geraten ist. Das Transportieren von Sand mit einem Lastwagen ist nach
der allgemeinen Erfahrung nur geeignet, eine Gefahr für den Strassenverkehr zu
bewirken, wenn der Sand herunterfallen oder leicht weggeblasen werden kann. Nur
bei dieser Sachlage entsteht eine abstrakte Gefahr für die Verkehrssicherheit,
der gemäss Art. 30 Abs. 2 SVG bzw. Art. 73 Abs. 5 VRV mit geeigneten Massnahmen
begegnet werden muss. Nach den Feststellungen der Vorinstanz konnte der feuchte
Seesand im vorliegenden Fall weder herunterfallen noch leicht weggeblasen
werden. Bei dieser Sachlage schuf der Beschwerdeführer keine abstrakte Gefahr
für den Strassenverkehr. Davon, dass die kantonalen Richter die Bedeutung der
angewendeten Bestimmungen missverstanden hätten, kann nicht die Rede sein.

3.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang sind keine Gerichtskosten zu
erheben. Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung auszurichten, weil er vor
Bundesgericht keine Umtriebe hatte.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Nidwalden,
Strafabteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Januar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: C. Monn