Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.561/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_561/2012

Urteil vom 12. März 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiber Held.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Wüthrich,
Beschwerdeführer,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung (Brandstiftung usw.),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer,
vom 26. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ beauftragte zwei in finanziellen Schwierigkeiten steckende Mittäter
gegen ein Entgelt von Fr. 1'000.--, ein im Bau befindliches Reitsportzentrum in
Gampelen anzuzünden und mit Farbe zu beschmieren, um die Bauarbeiten zu
verzögern. Er wirkte an der Tatvorbereitung mit und gab die Instruktionen für
die Tatausführung vor. Die von den Mittätern in der Nacht vom 20. auf den 21.
Juli 2002 deponierten Brennsätze griffen nicht auf die Reitanlage über. Es
entstand jedoch ein Sachschaden von insgesamt Fr. 500'000.-- (Fall "Gampelen").
Am 7. April 2004 wurde das Rennpferd "Donnerfee" mit einem geschätzten
Marktwert von Fr. 1'000'000.-- gestohlen. X.________ versuchte, die Situation
als "Trittbrettfahrer" auszunutzen, und verlangte von der Eigentümerin
telefonisch ein Lösegeld in Höhe von Fr. 500'000.--. Zwei von ihm beauftragte
Mittäter konnten bei der Lösegeldübergabe verhaftet werden (Fall "Donnerfee").

B.
Am 26. Januar 2012 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern X.________ im
Berufungsverfahren wegen versuchter Brandstiftung und Sachbeschädigung (Fall
"Gampelen") sowie versuchter Erpressung (Fall "Donnerfee") in Bestätigung des
erstinstanzlichen Schuldspruchs zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das obergerichtliche
Urteil aufzuheben. Er sei zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 24 Monaten
unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren
zu verurteilen. Eventualiter sei er mit einer Freiheitsstrafe von höchstens 36
Monaten unter Gewährung des teilbedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von
zwei Jahren zu bestrafen. Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

D.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet. Das Obergericht beantragt die Beschwerdeabweisung. X.________ hält
in seiner Stellungnahme zur Vernehmlassung an seinen Anträgen fest.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer beanstandet, die gegen ihn ausgesprochene Freiheitsstrafe
von vier Jahren sei im Ergebnis massiv zu hoch. Die Vorinstanz habe in
Überschreitung beziehungsweise Missachtung ihres sachrichterlichen Ermessens
Strafzumessungsfaktoren falsch gewichtet.

1.1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf
Rechtsverletzungen, die in der Beschwerde geltend gemacht werden (Art. 42 Abs.
2 BGG).
1.2
1.2.1 Gemäss Art. 63 aStGB (bzw. Art. 47 StGB) ist das Strafmass individuell
nach dem Verschulden des Täters im Rahmen des richterlichen Ermessens
festzusetzen. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung und die
an sie gestellten Anforderungen wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 f.
S. 59 f.; 134 IV 17 E. 2.1 S. 19 f.; 129 IV 6 E. 6.1 S. 20 f.). Dem Sachgericht
steht bei der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren ein
erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift in die
Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über-
oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien
ausgegangen ist, wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen
beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch
gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61; 135 IV 130 E. 5.3.1 S. 134 f.). Eine
Beschwerde ist nicht alleine deshalb gutzuheissen, um die Begründung zu
verbessern oder zu vervollständigen, soweit die Entscheidung im Ergebnis
bundesrechtskonform erscheint (BGE 127 IV 101 E. 2c S. 104 f.; mit Hinweisen).
1.2.2 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für
mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der
Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen (Art. 68 Ziff. 1
aStGB; Art. 49 Abs. 1 StGB). Bei der Gesamtstrafenbildung hat der Richter
zunächst gedanklich die Einsatzstrafe für das schwerste Delikt innerhalb des
zur Verfügung stehenden Strafrahmens festzulegen, indem er alle straferhöhenden
und strafmindernden Umstände berücksichtigt. Die Einsatzstrafe ist unter
Einbezug der anderen Straftaten in Anwendung des Asperationsprinzips unter
Berücksichtigung der jeweiligen Umstände angemessen zu erhöhen (BGE 127 IV 101
E. 2b S. 104; Urteil 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011 E. 3.3.4 mit Hinweis,
nicht publ. in: BGE 137 IV 57).

1.3 Die Vorinstanz geht von der versuchten Brandstiftung als schwerstem Delikt
aus. Der Strafrahmen von einem Jahr bis zu 20 Jahren sei infolge des
gesetzlichen Strafmilderungsgrundes des Versuchs nach unten offen. Sowohl bei
der Erpressung als auch bei der Brandstiftung handle es sich um "sehr
vollendete Versuche", die sich nur geringfügig strafmildernd auswirkten. Die
lange Verfahrensdauer stelle einen Grenzfall der Verletzung des
Beschleunigungsgebots dar, der aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers
(kein Geständnis, erneute Delinquenz [Fall "Donnerfee"]) lediglich zu einer
leichten Strafmilderung führe. Die Vorinstanz qualifiziert das objektive
Tatverschulden für beide Deliktskomplexe als ganz erheblich, die
Täterkomponenten seien neutral bis leicht negativ zu werten. Insgesamt sei von
einem erheblichen Verschulden auszugehen. Aus "praktischen Gründen" sei für die
versuchte Brandstiftung und die qualifizierte Sachbeschädigung eine
(gemeinsame) Einsatzstrafe von 30-34 Monaten festzusetzen. Diese sei aufgrund
der versuchten Erpressung um 18-20 Monate zu erhöhen. Die erstinstanzliche
Freiheitsstrafe liege im unteren Bereich des Strafrahmens, könne aber in
Beachtung des Verschlechterungsverbots (reformatio in peius) nicht erhöht
werden. Insgesamt erweise sich die erstinstanzliche Freiheitsstrafe von vier
Jahren aufgrund des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers (nach dem Fall
"Donnerfee"), dessen persönlichen Verhältnisse, der langen Verfahrensdauer und
eines Quervergleichs mit den rechtskräftig verurteilten Mittätern als
angemessen.

1.4 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe bei der Strafzumessung ihr
Ermessen überschritten respektive missbraucht, indem es einzelne
Strafzumessungsgründe falsch gewichtet und wesentliche Aspekte nicht oder nur
ungenügend berücksichtigt habe.
1.4.1 Nicht einzutreten ist auf die Rüge, die Vorinstanz habe die lange
Verfahrensdauer beziehungsweise die Verletzung des Beschleunigungsgebots de
facto ausser Acht gelassen oder nicht hinreichend berücksichtigt. Die
Vorinstanz verneint eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, berücksichtigt
die lange Verfahrensdauer aber gleichwohl leicht strafmindernd. Dem
Beschwerdeführer ist zwar zuzustimmen, dass die Verfahrensdauer für sich
betrachtet relativ lang erscheint. Er zeigt jedoch nicht auf, weshalb sie unter
Berücksichtigung der Behandlung des Falls durch die Behörden und des konkreten
Verfahrensgangs übermässig sein sollte. Er befasst sich nicht mit dem konkreten
Verfahrensgang und legt nicht dar, welche Verfahrensabschnitte zu lange
gedauert haben sollen. Die gerügte Verletzung des Beschleunigungsgebots
beziehungsweise deren ungenügende Berücksichtigung ist nicht substanziiert
begründet. Sie genügt den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106
Abs. 2 BGG nicht, weshalb darauf nicht einzutreten ist. Ob der Beschwerdeführer
die Verletzung des Beschleunigungsgebots im Berufungsverfahren überhaupt
rechtsgenügend gerügt hat, was die Vorinstanz verneint, kann insofern
dahingestellt bleiben.
Im Übrigen setzt sich die Vorinstanz mit den wesentlichen schuldrelevanten Tat-
und Täterkomponenten auseinander und würdigt sämtliche Zumessungsfaktoren
sorgfältig. Sie gewichtet das Ausmass des verschuldeten Erfolgs, die Art und
Weise der Tatausführung, die Willensrichtung des Beschwerdeführers und seine
Beweggründe. Sodann berücksichtigt sie das Vorleben und die persönlichen
Verhältnisse des Beschwerdeführers, sein Verhalten nach der Tat und seine
Strafempfindlichkeit. Sie berücksichtigt die "sehr vollendeten Versuche" -
methodisch zwar unkorrekt bevor sie sich überhaupt zum Tatverschulden geäussert
hat und losgelöst von der jeweiligen Tathandlung - leicht strafreduzierend.
Gestützt darauf bestimmt sie die Strafe. Dass sie sich von unmassgeblichen
Gesichtspunkten hätte leiten lassen, ist nicht ersichtlich.
1.4.2 Die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz bewerte sein Verschulden
zu streng, bleibt ohne Erfolg. Zwar ist es angesichts des Strafrahmens von
einem Jahr bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe widersprüchlich, dass die
Vorinstanz trotz des ihrer Ansicht nach erheblichen Verschuldens bei beiden
Tatkomplexen eine Freiheitsstrafe von "nur" vier Jahren als angemessen erachtet
(vgl. BGE 136 IV 55 E. 5.9 S. 64). Die Erwägungen und die ausgesprochene
Freiheitsstrafe lassen vielmehr auf ein geringeres Verschulden schliessen.
Jedenfalls kann der Beschwerdeführer aus seinem Einwand, es sei höchstens ein
mittelschweres Verschulden anzunehmen, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Denn
die Freiheitsstrafe von vier Jahren läge auch bei einem nicht mehr leichten bis
mittleren Verschulden innerhalb des grossen sachrichterlichen Ermessens am
untersten Rahmen.
Soweit der Beschwerdeführer sich auf Vergleichsfälle aus der
bundesgerichtlichen Praxis beruft und damit die mangelnde Plausibilität der
ausgesprochenen Strafe belegen will, ist ihm nicht zu folgen. Das Bundesgericht
hat für eine korrekte Anwendung von Bundesrecht zu sorgen. Unterschiede in der
Zumessungspraxis innerhalb der gesetzlichen Grenzen sind als Ausdruck des
Rechtssystems hinzunehmen (BGE 135 IV 191 E. 3.1 S. 193; 124 IV 44 E. 2c S.
47). Die Strafzumessung beruht auf einer Beurteilung aller massgeblichen
Umstände des Einzelfalls und kann daher nicht durch den blossen Verweis auf die
in anderen Fällen ausgesprochenen Strafen in Frage gestellt werden. Die aus dem
weiten Ermessensspielraum resultierende Ungleichheit in der Zumessung der
Strafe erlaubt für sich allein nicht, auf einen Missbrauch des
sachrichterlichen Ermessens zu schliessen (BGE 135 IV 191, a.a.O.).
1.4.3 Der Beschwerdeführer wendet zu Recht ein, die Vorinstanz habe bei der
Bildung der Gesamtstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB versäumt, in einem
ersten Schritt gedanklich die Einsatzstrafe für die versuchte Brandstiftung als
schwerstes Delikt zu bestimmen. Das Gericht ist zwar grundsätzlich nicht
gehalten, in Zahlen oder Prozenten anzugeben, wie es die einzelnen
Strafzumessungsgründe gewichtet (BGE 136 IV 55 E. 5.6). Ist indessen eine
Gesamtstrafe zu bilden, lässt sich dieser Vorgang mit der Nennung einer
Einsatzstrafe besser nachvollziehen. Dadurch ist feststellbar, in welchem
Ausmass die Vorinstanz die Einsatzstrafe infolge Deliktsmehrheit schärft
(Urteil 6B_524/2010, 6B_626/2011 vom 8. Dezember 2011 E. 4.4; siehe auch Urteil
6B_579/2008 vom 27. Dezember 2008 E. 4.4 mit Hinweisen). "Praktische Gründe",
warum die Vorinstanz mit ihrem Vorgehen von den zu Art. 49 Abs. 1 StGB
entwickelten Grundsätzen abweicht, werden nicht genannt und sind auch nicht
ersichtlich. Aufgrund der unterschiedlichen Strafrahmen bei der (versuchten)
Brandstiftung (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 20 Jahren) und der
(qualifizierten) Sachbeschädigung (Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und fünf
Jahren) kann vorliegend nicht von einer identischen Tatschwere ausgegangen
werden, weshalb das Verschulden für beide Delikte individuell zu bestimmen und
eine Einsatzstrafe für die versuchte Brandstiftung als schwerste Straftat
festzusetzen gewesen wäre.
Trotz der unvollständigen Begründung rechtfertigt es sich, von der Aufhebung
des angefochtenen Entscheids abzusehen. Das Bundesgericht kann, solange sich
die Strafe unter Beachtung aller relevanten Faktoren offensichtlich im Rahmen
des dem Sachgericht zustehenden Ermessens hält, das angefochtene Urteil auch
bestätigen, wenn dieses in Bezug auf die Erwägungen zum Strafmass einzelne
Unklarheiten und Unvollkommenheiten enthält (Urteil 6B_341/2007 vom 17. März
2008 E. 8.4, nicht publ. in: BGE 134 IV 97). Die ausgefällte Strafe erweist
sich, wie zuvor dargelegt, angesichts des Verschuldens sowie des Strafrahmens
der qualifizierten Brandstiftung nicht als unhaltbar hart. Es ist zudem nicht
ersichtlich, dass sich das methodisch falsche Vorgehen nachteilig für den
Beschwerdeführer auswirkt. Auf eine Aufhebung des Urteils kann aus diesem Grund
verzichtet werden (vgl. BGE 127 IV 101 E. 2c S. 104 f.; Urteil 6B_446/2011 vom
27. Juli 2012 E. 9.4; je mit Hinweisen).

1.5 Gesamthaft gesehen ergibt sich aus der Beschwerde nicht und ist auch nicht
ersichtlich, dass und inwieweit die Vorinstanz bei der Strafzumessung ihr
Ermessen überschritten oder missbraucht hätte. Die Ausführungen des
Beschwerdeführers zeigen keine Bundesrechtswidrigkeit auf.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. März 2013
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Held