Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.554/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_554/2012

Urteil vom 10. Januar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Held.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Müller,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
2. Y.________ AG, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andrea Taormina,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Mehrfache Veruntreuung; Beweiswürdigung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 25. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ wird neben einer Verletzung von Verkehrsregeln vorgeworfen, als
Verkäufer der Y.________ AG in vier Fällen Waren an Kunden gegen Barzahlung
ausgehändigt zu haben. Er habe den Kunden die Barzahlung quittiert, jedoch die
entgegengenommenen Beträge für sich behalten und geänderte
Quittungsdurchschläge in die Kasse gelegt, die eine Bezahlung mittels
Kreditkarten auswiesen.

B.
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X.________ am 5. Dezember 2011 wegen
Veruntreuung in vier Fällen und grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer
bedingten Geldstrafe von 210 Tagessätzen zu Fr. 40.-- sowie zu einer Busse von
Fr. 500.--. Vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung sprach es ihn frei.
Gleichzeitig wurde X.________ zur Zahlung einer Parteientschädigung und
Schadenersatz von insgesamt Fr. 15'381.-- an seine ehemalige Arbeitgeberin, die
Y.________ AG, verpflichtet.

C.
Auf die von X.________ erhobene Berufung gegen die Verurteilung wegen
mehrfacher Veruntreuung sprach ihn das Obergericht des Kantons Zürich in einem
Anklagepunkt frei, wies die Berufung im Übrigen ab und stellte die Rechtskraft
des erstinstanzlichen Urteils fest, soweit dies nicht angefochten war. Es
verurteilte X.________ zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr.
40.-- sowie einer Busse von Fr. 500.-- und reduzierte die Ersatzforderung
aufgrund des Teilfreispruchs um Fr. 1'300.--.

D.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, er sei vom Vorwurf
der mehrfachen Veruntreuung vollumfänglich freizusprechen. Das obergerichtliche
Urteil sei insoweit aufzuheben. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung (Art. 9 BV) sowie
eine daraus resultierende Missachtung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör
(Art. 29 Abs. 2 BV). Daneben macht er die Verletzung verschiedener
Verfahrensrechte geltend.

2.
2.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig
ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 III 266 E.
4.2 mit Hinweisen). Willkür in der Beweiswürdigung nach Art. 9 BV liegt vor,
wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem
offenkundigen Fehler beruhen (BGE 138 I 49 E. 7.1; 136 III 552 E. 4.2). Eine
entsprechende Rüge muss klar und substantiiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2
und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit
Hinweisen). Die Beschwerde führende Partei muss sich mit den für das Ergebnis
des angefochtenen Entscheids massgeblichen Erwägungen gezielt auseinandersetzen
und die Begründung in der Beschwerde selbst vorbringen. Ein Verweis auf frühere
Rechtsschriften oder die Verfahrensakten ist unzulässig (BGE 133 II 396 E. 3.1
mit Hinweisen).

2.2 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ergibt sich
insbesondere das Recht der betroffenen Person, mit rechtzeitig und formgültig
angebotenen Beweisanträgen und Vorbringen gehört zu werden, soweit diese
erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich beweisuntauglich sind (
BGE 138 V 125 E. 2.1; 137 II 266 E. 3.2; 136 I 265 E. 3.2; je mit Hinweisen).
Ein Verzicht auf die Abnahme von weiteren Beweisen ist zulässig, wenn sich das
Gericht aufgrund der bereits erhobenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat
und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass die
abgelehnten Beweisanträge nichts an seiner Überzeugung zu ändern vermögen (BGE
136 I 299 E. 5.3; 134 I 140 E. 5.3; je mit Hinweisen).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe in unzulässiger,
antizipierter Beweiswürdigung den Sachverhalt falsch respektive nicht erstellt.
Die Originalquittungen und die mit diesen nicht übereinstimmenden Durchschläge
seien die einzigen Beweismittel. Es sei jedoch nicht erwiesen, dass er die
Durchschläge visiert und die Vermerke über die Zahlungsart angebracht habe.
Dies hätte lediglich durch ein Schriftengutachten ermittelt werden können, auf
welches die Vorinstanz unter Verletzung von Bundesrecht verzichtet habe. Zudem
sei im gesamten Verfahren nicht belegt worden, dass der Beschwerdegegnerin 2
überhaupt ein Schaden entstanden ist. Er sei somit - auch in Anwendung des
Grundsatzes in dubio pro reo - freizusprechen.
3.2
3.2.1 Was der Beschwerdeführer vorbringt, erschöpft sich weitgehend in einer
blossen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil, auf welche das
Bundesgericht nicht eintritt. Er setzt sich in weiten Teilen seiner Beschwerde
mit den differenzierten Erwägungen der Vorinstanz nicht bzw. nur ansatzweise
auseinander und begründet nicht hinreichend, inwiefern die dem Entscheid
zugrunde liegende Begründung bzw. der Entscheid selber im Ergebnis rechts- oder
verfassungswidrig sein soll. Er beschränkt sich darauf, seine eigene Sicht der
Verhältnisse zu schildern, diese der vorinstanzlichen Beweiswürdigung
gegenüberzustellen und darzulegen, seine Auffassung sei derjenigen der
Vorinstanz vorzuziehen ("Dieser Sachverhalt gilt als bestritten", Beschwerde S.
6; "Jedenfalls sind all diese Äusserungen in keiner Art und Weise
widersprüchlich, sondern allesamt Möglichkeiten, wie es zu diesen Urkunden
gekommen ist", Beschwerde S. 8, Ziff. 9). Eine solch rein appellatorische
Kritik ist nicht geeignet, offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht
zu unterdrückende Zweifel daran darzutun, dass sich der Anklagesachverhalt
verwirklicht hat. Denn für die Begründung von Willkür, unter welchem
Gesichtspunkt das Bundesgericht auch prüft, ob der Grundsatz "in dubio pro reo"
als Beweiswürdigungsregel verletzt ist (BGE 127 I 38 E. 2a; Urteil 6B_260/2012
vom 19. November 2012 E. 2.1.3; je mit Hinweisen), genügt nicht, dass das
angefochtene Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht
übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung vertretbar erscheint oder
gar vorzuziehen wäre (BGE 137 I 1 E. 2.4). Der Beschwerdeführer hätte
substantiiert darlegen müssen, inwiefern die Feststellungen der Vorinstanz
offensichtlich unhaltbar sind oder mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch stehen und die vorhandenen Beweise andere Schlussfolgerungen
geradezu aufdrängen. Diesen Anforderungen wird seine Beschwerde in weiten
Teilen nicht gerecht.
Ebenso können bloss pauschale und nicht näher begründete Rügen von Verstössen
gegen Verfahrensrechte ("die Vorinstanz [habe] Verfahrensrechte nach StPO, nach
Bundesverfassung und nach EMRK 6 verletzt", Beschwerde S. 7 a.E. f., und "auch
gegen Grundsätze im generellen Staatshandeln verstossen", Beschwerde S. 10
unten) keine Bundesrechtsverletzungen darlegen. Der Verweis auf Eingaben im
kantonalen Verfahren (vgl. Beschwerde S. 5 Ziff. 4) ist unzulässig. Auf die
Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten.
3.2.2 Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Was der Beschwerdeführer gegen
die Ablehnung seines Beweisantrags auf Einholung eines Schriftengutachtens
vorbringt, erweist sich teilweise als unzutreffend und geht im Übrigen an der
Sache vorbei. Nicht zutreffend ist, dass die visierten Quittungsbelege und
-durchschläge das einzige Beweismittel sind. Die Vorinstanz erachtet die
Täterschaft des Beschwerdeführers insbesondere aufgrund der Aussagen der
Beschwerdegegnerin 2, verschiedener Zeugen und nicht zuletzt wegen dessen
eigener Einlassungen als unzweifelhaft erstellt. Aus den von der Vorinstanz als
glaubhaft eingestuften - und vom Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht
bestrittenen - Zeugenaussagen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die auf
den Originalquittungen vermerkten Beträge jeweils in bar entgegengenommen hat.
Unstreitig ist zudem, dass es sich bei den auf den Durchschlägen aufgeführten
Waren um die Handschrift des Beschwerdeführers handelt, die Durchschriften
nicht mit den Originalquittungen übereinstimmen und anstelle der Barbeträge in
die Kasse gelegt wurden. Kreditkartenzahlungen in entsprechender Höhe sind der
Beschwerdegegnerin 2 jedoch nicht gutgeschrieben worden, womit auch ein
Vermögensschaden erstellt ist. Die Vorinstanz setzt sich sodann ausführlich mit
sämtlichen, teilweise abenteuerlichen Vorbringen und Hypothesen des
Beschwerdeführers auseinander, wie es zu den Abweichungen zwischen den
Originalquittungen und den Durchschlägen gekommen sein könnte, und legt
überzeugend dar, weshalb sie seinen Ausführungen nicht folgt. Dass sie sich von
sachfremden Überlegungen hätte leiten lassen, ist nicht ersichtlich und vermag
auch der Beschwerdeführer nicht darzutun. Es kann auf die umfassende und
überzeugende vorinstanzliche Beweiswürdigung verwiesen werden. Entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers war die Vorinstanz nicht gehalten, jedem
seiner Erklärungsversuche nachzugehen, wenn jegliche Anhaltspunkte für deren
Richtigkeit fehlen und die vorhandenen Beweismittel klar gegen sie sprechen.
Dies gilt umso mehr, als die festgestellten Unregelmässigkeiten allesamt
Zahlungsvorgänge betreffen, die zwischen dem Beschwerdeführer und von ihm
bedienten Kunden stattgefunden haben, und Hinweise auf eine andere Täterschaft
fehlen. Aufgrund der Indizien konnte die Vorinstanz willkürfrei davon ausgehen,
dass der Beschwerdeführer nicht nur die Warenauflistungen auf den
Durchschlägen, sondern auch die Zahlungsart vermerkt und die Durchschläge
visiert hat. Sie durfte auf ein Schriftengutachten verzichten.
Zudem ist nicht ersichtlich, inwieweit das Ergebnis eines Schriftengutachtens
die vorinstanzliche Beweiswürdigung zwingend als willkürlich hätte erscheinen
lassen. Wer letztlich die Durchschläge visiert hat, ist für die Verurteilung
wegen Veruntreuung aufgrund der übrigen Indizien nicht entscheidend. Selbst
wenn die Zahlungsvermerke und Unterschriften auf den Durchschlägen nicht vom
Beschwerdeführer stammen sollten, könnte dies die Abweichungen zwischen den
Originalquittungen und den Durchschlägen sowie den Verbleib des fehlenden
Bargeldes, welches der Beschwerdeführer unbestrittenerweise entgegengenommen
hat, nicht erklären. Die Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht zu
beanstanden. Ihre Erwägungen lassen keine Willkür erkennen. Die Beschwerde ist
unbegründet.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in
Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Beschwerde von vornherein
aussichtslos war. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der
Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Der
Beschwerdegegnerin 2 ist keine Entschädigung auszurichten, da ihr vor
Bundesgericht keine Umtriebe entstanden sind (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, und dem Arbeitsgericht Zürich, 1. Abteilung, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 10. Januar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Held