Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.551/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_551/2012, 6B_552/2012

Urteil vom 21. Januar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
6B_551/2012
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Federico A. Pedrazzini,
Beschwerdeführerin,

und

6B_552/2012
Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Federico A. Pedrazzini,
Verfahrensbeteiligte
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfache Übertretung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb,

Beschwerde gegen die Entscheide des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer,
vom 14. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ und Y.________ schalteten als Geschäftsführer und Teilhaber der
A.________ GmbH ab August 2007 in verschiedenen Medien Inserate für Telefonsex.
Die A.________ GmbH bot ihre Dienstleistungen über geografische Rufnummern an.
Wählte jemand eine solche Nummer, wurde bis Januar/Februar 2008 eine
Tonbandansage mit Preisbekanntgabe abgespielt, welche die potentiellen Kunden
allerdings nicht korrekt über den Preis der Dienstleistung informierte. Durch
Drücken der Taste 6 ging der Anrufer einen Vertrag mit der A.________ GmbH ein.
Ab Januar/Februar 2008 war auf der Tonbandansage keine Preisbekanntgabe mehr zu
hören. Auch mussten die Anrufer die Taste 6 nicht mehr drücken, sondern
lediglich an der Leitung bleiben. Die A.________ GmbH stellte den Anrufern eine
Monatspauschale direkt in Rechnung. Daneben fielen den Kunden die üblichen
Verbindungskosten an.

B.
Das Kreisgericht Rheintal sprach X.________ und Y.________ am 23. März 2011 der
mehrfachen Übertretung des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986 gegen den
unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) schuldig und verurteilte sie zu einer Busse
von Fr. 6'000.-- (X.________) bzw. Fr. 12'000.-- (Y.________). Vom Vorwurf des
Betrugs zum Nachteil der B.________ AG sprach es sie frei. Es auferlegte ihnen
die Verfahrenskosten zu je 3/8 und sprach ihnen für die private Verteidigung
eine Entschädigung von insgesamt Fr. 8'378.35 zu. Das Kantonsgericht St. Gallen
wies die von X.________ und Y.________ gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen
am 14. Mai 2012 ab.

C.
X.________ und Y.________ führen je mit separater Eingabe Beschwerde in
Strafsachen mit den Anträgen, die Urteile vom 14. Mai 2012 aufzuheben, sie vom
Vorwurf der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 24 UWG freizusprechen, die
Verfahrenskosten auf die Staatskasse zu nehmen und sie für die Kosten der
privaten Verteidigung zu entschädigen.

Erwägungen:

1.
Die beiden Beschwerden richten sich zwar gegen separate Entscheide der
Vorinstanz, sie betreffen jedoch die gleiche Sache. Die Beschwerdeführer werden
zudem vom gleichen Rechtsanwalt vertreten und werfen identische Rechtsfragen
auf. Es rechtfertigt sich, die Beschwerden gemeinsam zu behandeln und die
Verfahren zu vereinigen.

2.
2.1 Die Beschwerdeführer rügen eine bundesrechtswidrige Anwendung von Art. 11a,
11b und 13a der Verordnung vom 11. Dezember 1978 über die Bekanntgabe von
Preisen (Preisbekanntgabeverordnung, PBV; SR 942.211). Sie stellen sich auf den
Standpunkt, die Definition der Mehrwertdienste in Art. 1 lit. c der Verordnung
vom 9. März 2007 über Fernmeldedienste (FDV; SR 784.101.1) sei auch für die
Auslegung des Begriffs der Mehrwertdienste im Sinne von Art. 11a, 11b und 13a
PBV entscheidend. Da die Erotikdienstleistungen direkt von der A.________ GmbH
und nicht von der Anbieterin der Fernmeldedienste in Rechnung gestellt worden
seien, gelangten die erwähnten Bestimmungen der Preisbekanntgabeverordnung
nicht zur Anwendung (Beschwerden S. 5-8).
2.2
2.2.1 Nach Art. 24 Abs. 1 lit. a UWG macht sich strafbar, wer vorsätzlich die
Pflicht zur Preisbekanntgabe nach Art. 16 UWG verletzt. Gemäss Art. 16 Abs. 1
Satz 1 UWG ist für Waren, die dem Konsumenten zum Kaufe angeboten werden, der
tatsächlich zu bezahlende Preis bekannt zu geben, soweit der Bundesrat keine
Ausnahmen vorsieht. Dieselbe Pflicht besteht für die vom Bundesrat bezeichneten
Dienstleistungen (Art. 16 Abs. 1 Satz 3 UWG). Der Bundesrat regelt die
Bekanntgabe von Preisen (Art. 16 Abs. 2 UWG). Seine Ermächtigung zum Erlass von
Vorschriften für die Preisbekanntgabe bei Mehrwertdiensten im Fernmeldewesen
ist sodann in Art. 12b des Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 (FMG; SR
784.10) enthalten.
Die PBV erging u.a. gestützt auf Art. 16 UWG und Art. 12b FMG. Sie betrifft die
Bekanntgabe von Preisen im Allgemeinen (vgl. Art. 1 f. PBV), während die FDV
ausschliesslich Ausführungsbestimmungen zum FMG enthält (vgl. Präambel der
beiden Verordnungen).
2.2.2 Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. q PBV sind für Dienstleistungen, die über
Fernmeldedienste erbracht oder angeboten werden, unabhängig davon, ob sie von
einer Anbieterin von Fernmeldediensten verrechnet werden, die tatsächlich zu
bezahlenden Preise in Schweizerfranken bekannt zu geben. Art. 11a, 11b und 13a
PBV präzisieren die Art und Weise der Preisbekanntgabe bei Mehrwertdiensten
nach Art. 10 Abs. 1 lit. q PBV.
Als Mehrwertdienst im Sinne der FDV gilt demgegenüber nur die Dienstleistung,
die über einen Fernmeldedienst erbracht und von einer Anbieterin von
Fernmeldediensten zusätzlich zu Fernmeldediensten in Rechnung gestellt wird
(Art. 1 lit. c FDV).
2.2.3 Die Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, dass im Rahmen von Art. 10
Abs. 1 lit. q PBV nicht auf die Definition der Mehrwertdienste im Sinne von
Art. 1 lit. c FDV abgestellt werden kann (Urteil S. 7 ff.). Art. 10 Abs. 1 lit.
q PBV erfasst auch "Mehrwertdienste", die nicht über die Anbieterin der
Fernmeldedienste abgerechnet werden. Dies ergibt sich mit aller Deutlichkeit
nicht nur aus dem Wortlaut der Verordnungsbestimmungen, sondern auch aus den
Materialien. Gemäss dem erläuternden Bericht des UVEK vom 28. Juni 2006 ist die
Definition von Mehrwertdiensten in Art. 1 lit. c FDV eingeschränkter als die
Definition in der PBV, die auch durch Dritte in Rechnung gestellte Dienste
erfasst (erläuternder Bericht des UVEK vom 28. Juni 2006 zur Anhörung zur
Revision der Ausführungsbestimmungen zum FMG, S. 3). Aus dem erläuternden
Bericht geht weiter hervor, dass unter dem Begriff "Mehrwertdienste" nach Art.
10 Abs. 1 lit. q PBV die im Sinne des FMG bereitgestellten (und somit auf der
Telefonrechnung aufgeführten) Mehrwertdienste sowie alle kostenpflichtigen
Dienste zusammengefasst werden sollen, die über Fernmeldedienste erbracht, aber
nicht über die Telefonrechnung bezahlt werden. Die Bestimmungen der PBV sollen
für sämtliche kostenpflichtigen Dienste gelten, die über Fernmeldedienste
erbracht werden, und zwar unabhängig davon, ob sie über die Telefonrechnung in
Rechnung gestellt werden (erläuternder Bericht des UVEK, a.a.O., S. 29). Die
Auslegung der Vorinstanz ist auch mit dem Anwendungsbereich der PBV und der
ratio legis der betroffenen Verordnungsbestimmung ohne Weiteres vereinbar. Die
Regeln in der PBV zur Preisangabe und zur Annahme des Angebots nach
Preisbekanntgabe erfassen jeden per Telefon erbrachten Dienst. Die zusätzlichen
Regeln im Fernmelderecht (z.B. Preisobergrenzen, Erkennbarkeit von
Mehrwertdiensten aufgrund der Nummer, Sperrmöglichkeiten für Kunden,
Sitzpflicht, Verbot der Kündigung von Fernmeldediensten bei Nichtzahlung von
Mehrwertdiensten, vgl. Art. 36 ff. FDV) sind nach Auffassung des
Verordnungsgebers hingegen nur nötig und sinnvoll, wenn die Mehrwertdienste im
Zusammenhang mit den Fernmeldediensten bezahlt werden (erläuternder Bericht des
UVEK, a.a.O., S. 3).
Der gegenteiligen Auffassung der Beschwerdeführer, wonach die enge
Begriffsumschreibung der Mehrwertdienste im Sinne der FDV auch für die
Auslegung von Art. 10 Abs. 1 lit. q sowie Art. 11a, 11b und 13a PBV massgebend
sein soll, kann nicht gefolgt werden.

2.3 Die Preisbekanntgabeverordnung war auf die von den Beschwerdeführern über
die A.________ GmbH angebotenen telefonischen Erotikdienstleistungen anwendbar.
Die Beschwerdeführer erheben gegen den Schuldspruch keine weiteren Einwände.
Indem sie gegen die Preisbekanntgabeverordnung verstiessen, machten sie sich
der Widerhandlung gegen Art. 24 Abs. 1 lit. a UWG strafbar. Die Verurteilungen
verletzen kein Bundesrecht.

3.
3.1 Die Beschwerdeführer wenden sich gegen den von der Vorinstanz bestätigten
Verteilschlüssel für die erstinstanzliche Kostenverlegung und die Entschädigung
der Parteikosten. Sie seien vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen worden und
zufolge Verjährung hätten sie für einen Teil der Übertretungen gegen das UWG
nicht belangt werden können. Die Vorinstanz verkenne, dass sich das
Untersuchungsverfahren nur zu einem absolut marginalen Teil um die UWG/
PBV-Problematik gedreht habe (Beschwerde S. 8 f.).

3.2 Die Vorinstanz führt aus, es seien keine voneinander losgelöste Verfahren
betreffend Betrug bzw. UWG geführt worden. Vielmehr seien im Laufe des wegen
Betrugs eingeleiteten Strafverfahrens weitere Strafanzeigen betreffend Verstoss
gegen das UWG eingegangen, bei welchen teilweise auch Betrug geltend gemacht
worden sei. Sodann seien sämtliche Vorwürfe im Zusammenhang mit der von den
Beschwerdeführern geführten A.________ GmbH gestanden, sodass die
diesbezüglichen Untersuchungen bzw. Zwangsmassnahmen jeweils miteinander
verbunden gewesen seien. Nicht zutreffend sei sodann der Einwand der
Verteidigung, der Aufwand zur Abklärung der UWG-Verstösse sei im Vergleich zum
Betrugsvorwurf marginal gewesen. Die Behauptung werde bereits durch die
Vielzahl der eingegangenen und zu bearbeitenden Strafanzeigen widerlegt. Vor
diesem Hintergrund sei eine mathematische Aufteilung der Verfahrens- und
Verteidigungskosten ausgeschlossen und ein Ermessensentscheid zu fällen. Die
vom Kreisgericht getroffene Regelung erachtet die Vorinstanz als angemessen
(Urteil E. 3b/c und 4 S. 11 f.).

3.3 Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, die Vorinstanz gehe für die
Kosten- und Entschädigungsfrage von falschen rechtlichen Grundsätzen aus. Sie
beanstanden einzig den vorinstanzlichen Ermessensentscheid. Zwar werden die
Kosten- und Entschädigungsfolgen seit Inkrafttreten der Schweizerischen
Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0) im Bundesrecht
geregelt. Soweit es um blosse Ermessensfragen geht, bleibt es jedoch dabei,
dass sich das Bundesgericht eine gewisse Zurückhaltung auferlegt, da das
Sachgericht am besten in der Lage ist, die Angemessenheit zu beurteilen. Das
Bundesgericht schreitet nur ein, wenn das Sachgericht den ihm zustehenden
weiten Ermessensspielraum überschritten hat (vgl. zur früheren Praxis
betreffend das Bundesstrafgericht etwa BGE 133 IV 187 E. 6.1; Urteile 6B_106/
2010 vom 22. Februar 2011 E. 3.1.3; 6B_136/2009 vom 12. Mai 2009 E. 2.2).
Werden die dem kantonalen Ermessensentscheid zugrunde liegenden tatsächlichen
Verhältnisse angefochten, muss in der Beschwerde an das Bundesgericht
substanziiert dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem
qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106
Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde
nicht. Die Beschwerdeführer wiederholen im bundesgerichtlichen Verfahren ihre
pauschale Behauptung, das Untersuchungsverfahren habe nur zu einem marginalen
Teil die UWG-Verstösse betroffen. Mit den Argumenten der Vorinstanz setzen sie
sich nicht auseinander. Auf die Rüge der Beschwerdeführer ist nicht
einzutreten.

4.
Die Beschwerden sind abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die
Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Januar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld