Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.542/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_542/2012

Urteil vom 10. Januar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jascha Schneider-Marfels,
Beschwerdeführerin,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001
Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfacher Betrug, Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt,
Ausschuss, vom 25. April 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ reichte am 26. September 2003 ein Unterstützungsgesuch bei der
Sozialhilfe der Stadt Basel ein. In der Folge wurde sie ab Oktober 2003 von
dieser Behörde finanziell unterstützt. Zwischen Oktober 2003 und dem 16.
Oktober 2007 arbeitete sie im Stundenlohn als Raumpflegerin. Weiter beteiligte
sie sich zwischen August 2004 und Juni 2006 als Probandin an einer
medizinischen Studie und erhielt in diesem Zusammenhang Entgelt unter dem Titel
"Probandenlohn". Die Zusatzeinkommen verschwieg sie der Sozialhilfe. Dies
obschon sie am 1. Oktober 2003 ihre gesetzliche Pflicht, Einkommen aus
Nebenverdienst zu melden, unterschriftlich zur Kenntnis genommen hatte. Am 16.
März 2007 unterzeichnete sie zudem eine Erklärung, wonach sie sich
verpflichtete, die Sozialhilfe über finanzielle Veränderungen, insbesondere
Einkommen und Einnahmen aller Art, unverzüglich und unaufgefordert zu
informieren. Sie wurde von den Mitarbeitern der Sozialhilfe schliesslich
wiederholt gefragt, ob sie gearbeitet hatte. Die Sozialhilfe verfügte am 14.
August 2008 die Rückerstattung der unrechtmässig bezogenen
Sozialhilfeleistungen von Fr. 18'549.80.

B.
Die Strafgerichtspräsidentin Basel-Stadt verurteilte X.________ am 30. Juni
2010 wegen mehrfachen Betrugs zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen
zu Fr. 20.--. Auf Appellation von X.________ hin bestätigte das
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 25. April 2012 den
erstinstanzlichen Schuldspruch. Die bedingte Geldstrafe reduzierte es auf 100
Tagessätze zu Fr. 20.--.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil vom 25.
April 2012 aufzuheben und sie vollumfänglich freizusprechen. Eventualiter sei
die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie
ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerdeführerin rügt, die Missachtung einer Melde- oder
Aufklärungspflicht stelle eine Unterlassung dar, die mangels Garantenstellung
nicht strafbar sei. § 14 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Basel-Stadt
vom 29. Juni 2000 (SHG/BS) begründe keine Garantenpflicht zum Schutz des
Vermögens des Gemeinwesens. Eine Garantenstellung ergebe sich auch nicht aus
dem von ihr unterzeichneten Zusammenarbeitsvertrag. Sie habe durch ihre
Unterschrift einzig bestätigt, dass sie die gesetzliche Mitteilungspflicht
kenne (Beschwerde S. 4-6).

1.2 Den Tatbestand des Betruges im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB erfüllt, wer
in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden
durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder
ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten
bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt.
Angriffsmittel beim Betrug ist die Täuschung des Opfers. Als Täuschung gilt
jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist, bei einem andern eine von der
Wirklichkeit abweichende Vorstellung hervorzurufen (BGE 135 IV 76 E. 5.1 mit
Hinweisen). Die Täuschung im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB kann durch
konkludentes Handeln erfolgen. Die Rechtsprechung bejaht dies, wenn der Bezüger
von Versicherungsleistungen, die nur bedürftigen Personen zustehen, auf eine
Anfrage der zuständigen Behörde hin betreffend seine wirtschaftliche Lage nur
einen von ihr verlangten Kontoauszug vorlegt, obwohl er auf einem anderen
Konto, welches er nie angegeben hat, ein beachtliches Vermögen besitzt (BGE 127
IV 163 E. 2). Unvollständige Angaben eines Sozialhilfebezügers, die ein
falsches Gesamtbild entstehen lassen bzw. dieses bekräftigen, kommen einer
aktiven Irreführung durch konkludentes Handeln gleich (BGE 131 IV 83 E. 2.2 in
fine).

1.3 Die Vorinstanz geht zu Recht von einer aktiven Irreführung der
Sozialhilfebehörde aus. Die Beschwerdeführerin kannte ihre Mitwirkungspflicht.
Sie wurde von Mitarbeitern der Sozialhilfe wiederholt gefragt, ob sie
gearbeitet hatte. Sie bestätigte namentlich durch die Unterzeichnung der
Budgetverfügungen (kant. Akten, Urk. 60 ff.; erstinstanzliches Urteil E. 1 S.
3), der Sozialhilfe sämtliche Einnahmen gemeldet zu haben. Indem sie dieser
gegenüber wahrheitswidrige Angaben machte bzw. auf deren Anfrage hin die
Einkommen aus ihrer Tätigkeit als Raumpflegerin und Probandin der medizinischen
Studie nicht deklarierte, täuschte sie diese zumindest durch konkludentes
Handeln aktiv. Eine Garantenstellung der Beschwerdeführerin zum Schutz des
Vermögens des Gemeinwesens ist nicht Tatbestandsvoraussetzung, da kein sog.
unechtes Unterlassungsdelikt geahndet wird. Die Rüge ist unbegründet.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet, die Probandenentschädigung sei kein
Einkommen, sondern eine Genugtuung, welche gemäss Merkblatt der Sozialhilfe
nicht anzugeben sei (Beschwerde S. 7 f.).

2.2 Die Vorinstanz erwägt, beim "Probandenlohn" handle es sich um eine
Entschädigung für eine erbrachte Leistung. Selbst wenn man diese teilweise als
Risikoentschädigung qualifizieren würde, wäre sie mit anderen
Inkonvenienzentschädigungen wie z.B. einer Schichtentschädigung vergleichbar.
Dass Schicht- und andere Inkonvenienzentschädigungen als anrechenbare Einkünfte
zu deklarieren seien, ergebe sich unzweifelhaft aus dem Merkblatt (Urteil S.
5).

2.3 Für die Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen gilt kantonales Recht (BGE
138 V 310 E. 2.2). Gemäss § 7 Abs. 3 SHG/BS regelt das zuständige Departement
nach Rücksprache mit den Gemeinden das Mass der wirtschaftlichen Hilfe. Es
orientiert sich dabei an den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für
Sozialhilfe (§ 7 Abs. 3 Satz 2 SHG/BS).

2.4 Das Bundesgericht überprüft die Auslegung und Anwendung kantonalen Rechts -
von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur unter dem beschränkten
Gesichtswinkel der Willkür (vgl. Art. 95 BGG; BGE 138 IV 13 E. 2). Für die Rüge
der Willkür gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE
138 I 171 E. 1.4 mit Hinweisen). Die Rüge der Beschwerdeführerin genügt diesen
Anforderungen nicht. Sie zeigt nicht auf, was Gegenstand der medizinischen
Studie war, an der sie als Probandin teilnahm. Nicht ersichtlich ist daher,
worin die angebliche Beeinträchtigung bestand und wie diese im Verhältnis zur
Höhe der Entschädigung steht. Auch setzt sie sich mit der Rechtslage und den
Ausführungen der Vorinstanz nicht näher auseinander. Sie stützt sich einzig auf
ein Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. November 2007, das deutsches
Recht betrifft. Im erwähnten Entscheid waren zudem "Aufwandentschädigungen" für
die Teilnahme an einer medizinischen Studie und nicht wie vorliegend Zahlungen
unter dem Titel "Probandenlohn" (vgl. kant. Akten, Urk. 52 ff.) zu beurteilen.
Auf die ungenügend begründete Rüge ist nicht einzutreten.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Vorinstanz gehe zu Unrecht von einem
Deliktsbetrag von Fr. 18'549.80 aus. Der Schaden bestehe in der Differenz
zwischen der empfangenen Leistung und der Leistung, zu der sie bei Beachtung
sämtlicher Vorschriften berechtigt gewesen wäre. Die Sozialhilfe habe wegen des
Verstosses gegen die Meldepflicht bei der Berechnung des
Rückerstattungsanspruchs den Freibetrag gekürzt. Dies möge sozialhilferechtlich
gesehen korrekt sein, überzeuge strafrechtlich jedoch nicht. In
Berücksichtigung der Freibeträge von Fr. 100.-- bzw. Fr. 150.-- pro Monat
reduziere sich der Deliktsbetrag um rund einen Drittel, was bei der
Strafzumessung gewichtet werden müsse (Beschwerde S. 8 f.).

3.2 Die Vorinstanz argumentiert, der Deliktsbetrag sei nur eines von
zahlreichen anderen Strafzumessungskriterien. Ins Gewicht falle hauptsächlich,
dass die Beschwerdeführerin ihre Einkünfte über einen sehr langen Zeitraum
verheimlicht habe. Eine Reduktion der erstinstanzlich ausgesprochenen Strafe
würde sich deshalb auch bei einer Berücksichtigung eines Freibetrages nicht
aufdrängen. Aufgrund der langen Verfahrensdauer reduziert sie die
erstinstanzliche Geldstrafe von 120 auf 100 Tagessätze (Urteil S. 5 f.).

3.3 Daraus ergibt sich, dass die Vorinstanz die Strafe auch in Berücksichtigung
der Freibeträge für angemessen erachtete und diesen damit Rechnung trug. Das
Sachgericht verfügt auf dem Gebiet der Strafzumessung über einen
Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde in Strafsachen hin
nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder
unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien
ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. durch
Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV
55 E. 5.6; 135 IV 130 E. 5.3.1; 134 IV 17 E. 2.1). Die Beschwerdeführerin legt
nicht dar, die bedingte Geldstrafe von 100 Tagessätzen sei im Ergebnis
unangemessen.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit
der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage der
Beschwerdeführerin ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu
tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Januar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld