Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.536/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_536/2012

Urteil vom 28. Januar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Waller,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Verweigerung des bedingten Strafvollzugs,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer,
vom 21. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten wirft X.________ vor, Batterien,
Staubsauger, Dekormaterial und sogenannte Tierabwehrprodukte wie
Katzenschrecks, die sein Bruder bei der A.________ AG in Bremgarten zwischen
dem 1. März und dem 15. April 2010 erbeutet hatte, im Internet auf der
Online-Börse "ricardo.ch" verkauft zu haben. Zwischen dem 1. Mai und dem 30.
Juni 2010 schlich er zusammen mit seinem Bruder an vier verschiedenen Tagen in
die A.________ AG ein, um dort neues Diebesgut zu entwenden. Dieses verkaufte
X.________ wiederum im Internet. Er erzielte aus dem Verkauf des gesamten
Deliktsguts einen Gewinn von Fr. 38'107.--.

B.
Das Bezirksgericht Bremgarten verurteilte X.________ am 30. Juni 2011 wegen
bandenmässigen Diebstahls, mehrfacher Hehlerei und mehrfachen
Hausfriedensbruchs zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Es
widerrief die vom Militärappellationsgericht 2 am 26. August 2009 bedingt
ausgesprochene Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 100.--.
Die Berufung von X.________ wies das Obergericht des Kantons Aargau am 21. Juni
2012 ab.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, und ihm sei der bedingte Strafvollzug, bei einer
Probezeit von drei Jahren, zu gewähren. Er stellt ausserdem das Begehren um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 42 Abs. 2 StGB. Die
Vorinstanz verneine in ihrer Prognose zu Unrecht besonders günstige Umstände.
Seine einschlägige Vorstrafe spreche zwar nicht für ihn. Allerdings stehe die
Rechtmässigkeit dieser Verurteilung in der Schwebe, da eine Klage beim
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hängig sei. Bei einer Prognose gehe
es um eine zukunftsbezogene Betrachtungsweise, weshalb nicht allein das
Vorleben betrachtet werden dürfe. Sein künftiges Verhalten sei als besonders
günstig einzustufen. Er habe die Taten zumindest zu Beginn nur verübt, um
seinem Bruder finanziell zu helfen. Zudem müssten seine Reue und sein
tadelloses Verhalten während der Untersuchung berücksichtigt werden. Dass er
den Widerruf des Urteils des Militärappellationsgerichts akzeptiert habe, sei
ihm genauso positiv zugutezuhalten wie die Verbüssung des unbedingten Teils der
einschlägigen Vorstrafe. Er habe neun Monate in Halbgefangenschaft verbüsst,
was ihn beeindruckt habe. Er habe seine Lebensführung nicht unerheblich
einschränken müssen und als junger Vater seinen Sohn nurmehr sehr begrenzt
gesehen. Sein aktuelles Verhalten deute auf einen massiven Verhaltens- und
Gesinnungswandel hin. Er lebe seit über zwei Jahren deliktsfrei. Seine Familie
und seine tadellose Arbeitstätigkeit trügen zu seiner stabilen Situation bei.
Es sei im Übrigen rechtsstaatlich nicht zu verantworten, ihn für Taten, die
mehr als zwei Jahre zurücklägen, in Gefangenschaft zu nehmen (Beschwerde, S. 8
ff.).

1.2 Die Vorinstanz verneint besonders günstige Umstände beim Beschwerdeführer.
Dieser sei einschlägig vorbestraft. Auch die Tatumstände sprächen gegen eine
günstige Prognose. Er habe aus reiner Geldgier gehandelt. Es zeuge von
Rücksichtslosigkeit, einem hohen Mass an krimineller Energie, Dreistigkeit und
Unbelehrbarkeit, indem er innert Monatsfrist nach seiner Verurteilung durch das
Bezirksgericht Baden am 21. Januar 2010 weiter delinquiert habe. Sein
Verschulden sei erheblich. Dass er den Widerruf der bedingten Geldstrafe des
Militärappellationsgerichts akzeptiert und den unbedingten Teil der Sanktion
des Bezirksgerichts Baden verbüsst habe, vermöge die schlechte Prognose ebenso
wenig in Frage zu stellen wie seine verbalen Beteuerungen, sich gebessert zu
haben. An seiner schlechten Prognose änderten auch seine geordneten familiären
und beruflichen Verhältnisse nichts. Er sei zwar seit seiner letzten Delinquenz
Vater geworden, habe jedoch zuvor trotz stabiler persönlicher Situation und
regelmässigen Lohneinkommens Vermögensdelikte begangen (Urteil, S. 11 ff.).

1.3 Nach Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug in der Regel auf,
wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der
Begehung weiterer Verbrechen und Vergehen abzuhalten. Wurde der Täter innerhalb
der letzten fünf Jahre zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten
oder zu einer Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen verurteilt, so ist der
Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen (Art. 42 Abs.
2 StGB). Der früheren Verurteilung kommt mithin die Bedeutung eines Indizes für
die Befürchtung zu, dass der Täter weitere Straftaten begehen könnte. Die
Gewährung des bedingten Strafvollzuges ist daher nur möglich, wenn eine
Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren den Schluss zulässt, dass trotz der
Vortat eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Das trifft etwa zu bei
einer besonders positiven Veränderung in den Lebensumständen des Täters (BGE
134 IV 1 E. 4.2.3 mit Hinweisen).
Fehlt es an besonders günstigen Umständen, so muss der Richter die neue Strafe
als vollziehbar erklären (BGE 134 IV 140 E. 4.5 mit Hinweisen). Dem Richter
steht bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens ein
Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn das Ermessen
über- bzw. unterschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt wird
(BGE 134 IV 140 E. 4.2 S. 143; BGE 134 IV 1 E. 4.2.1; 128 IV 193 E. 3a; je mit
Hinweisen).

1.4 Der Beschwerdeführer behauptet, sein künftiges Verhalten sei als besonders
günstig einzustufen. Seine Begründung beschränkt sich auf
Selbstverständlichkeiten wie die Akzeptanz der widerrufenen Geldstrafe oder die
Verbüssung des unbedingten Teils einer Freiheitsstrafe. Er macht nicht geltend,
dass die zu beurteilenden Delikte im Vergleich zur früheren Tat nicht demselben
Verhaltensmuster entsprächen oder zwischenzeitlich eine deutlich positive
Wandlung der Lebensumstände eingetreten wäre (zu diesen Kriterien ROLAND M.
SCHNEIDER/ROY GARRÉ, Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl. 2007, Art. 42 N
91). Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht auf, inwiefern die Vorinstanz von
ihrem Ermessen unrichtig Gebrauch gemacht hätte.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von
vornherein aussichtslos erschien. Seiner finanziellen Lage ist mit
herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Januar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller