Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.529/2012
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_529/2012

Urteil vom 17. Januar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Pasquini.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung (mehrfache qualifizierte Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz); rechtliches Gehör,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 29. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Bülach sprach X.________ am 5. Oktober 2011 der
Geldwäscherei und der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe
von acht Jahren.
Die von X.________ gegen diesen Entscheid erhobene Berufung im Strafpunkt wies
das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 29. Juni 2012 ab.

B.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben, und er sei mit einer
Freiheitsstrafe von höchstens 6¾ Jahren zu bestrafen. Eventualiter sei die
Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
1.1 Anfechtungsobjekt der Beschwerde an das Bundesgericht ist der
letztinstanzliche kantonale Entscheid (Art. 80 Abs. 1 BGG). Das ist vorliegend
das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. Juni 2012. Soweit sich
die Rügen des Beschwerdeführers auf den Entscheid der ersten Instanz beziehen
(Beschwerde S. 3-5), ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Auch das
Vorbringen des Beschwerdeführers, bei Besuchen seiner Freundin seien ihm die
Dolmetscherkosten auferlegt worden, ist nicht zu behandeln (Beschwerde S. 9).

1.2 Mangels hinreichender Begründung ist auf die Beschwerde zudem insofern
nicht einzutreten, als der Beschwerdeführer rügt, das rechtliche Gehör sei
verletzt, weil sich die Richter der Vorinstanz nicht für sein Verfahren
interessiert hätten (Beschwerde S. 3 2. Absatz; Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV
1 E. 4.2.3 S. 5 mit Hinweisen).

2.
Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; siehe Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).
Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die
Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 S.
234 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 138 I 49 E. 7.1 mit Hinweisen).
Auf eine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5 mit Hinweis).
Soweit der Beschwerdeführer den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
lediglich seine Sicht der Dinge gegenüberstellt, ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten. Dies ist der Fall, wenn er ausführt, er sei sehr früh geständig
gewesen und habe einige Zugeständnisse gemacht (Beschwerde S. 5 f.). An der
Sache vorbei geht sodann die Rüge des Beschwerdeführers, die vorinstanzliche
Feststellung, er habe selber ausgesagt, ihm gegenüber sei nie eine Drohung
ausgesprochen worden, sei aktenwidrig und damit offensichtlich falsch
(Beschwerde S. 7 f.). Es ist weder ersichtlich noch dargelegt, inwiefern eine
solche Klarstellung für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens relevant sein
könnte. Die Vorinstanz erwägt hierzu, selbst wenn angenommen werde, der
Beschwerdeführer sei von "Y.________" eingeschüchtert gewesen, relativiere dies
seine umfangreiche Tätigkeit im Drogenhandel nicht massgeblich (Urteil S. 6).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches
Gehör. Die Vorinstanz äussere sich nicht zu den zur Bedrohungslage
eingereichten Presseberichten über "Y.________". Sie setze sich auch nicht mit
den Ausführungen seines Verteidigers zu seinem schlechten Gesundheitszustand
oder dem diesbezüglichen Arztbericht auseinander. Dadurch verletze sie bei der
Strafzumessung ihre Begründungspflicht (Beschwerde S. 8 lit. d und S. 8 f.
Ziff. 5).

3.2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verlangt
insbesondere, dass das Gericht die Vorbringen des vom Entscheid in seiner
Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung
berücksichtigt. Die Begründung des Entscheids muss zumindest kurz die
wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen
und auf die es seinen Entscheid stützt. Dagegen wird nicht verlangt, dass sich
die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und
jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (BGE 136 I 229 E. 5.2; 184 E.
2.2.1; je mit Hinweis).
Nach Art. 50 StGB hat der Richter die für die Zumessung der Strafe erheblichen
Umstände und deren Gewichtung festzuhalten. Er muss die Überlegungen, die er
bei der Bemessung der Strafe vorgenommen hat, in den Grundzügen wiedergeben, so
dass die Strafzumessung nachvollziehbar ist (BGE 134 IV 17 E. 2.1 S. 20 mit
Hinweisen).

3.3 Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet. Die
Vorinstanz äussert sich zur geltend gemachten Bedrohungslage durch "Y.________"
und legt dar, weshalb sie diese nicht strafmindernd berücksichtigt (Urteil S.
6). Sodann übergeht sie die Vorbringen zum angeblich schlechten
Gesundheitszustand nicht, sondern führt aus, beim Beschwerdeführer liege keine
erhöhte Strafempfindlichkeit vor. Der eingereichte Arztbericht halte fest, dass
er sich einer guten Gesundheit erfreue (Urteil S. 8 E. 6 2. Abs.). Dass die
Vorinstanz die Beweise nicht im Sinne des Beschwerdeführers würdigt, begründet
keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung. Er macht
geltend, die von der Vorinstanz ausgefällte Freiheitsstrafe von acht Jahren sei
insbesondere im Verhältnis zur Strafe seines Mittäters von 6¾ Jahren zu hoch.
Dieser habe nicht wie er bloss zwei, sondern sieben Transaktionen mit einer
insgesamt fast doppelten Menge an reinem Kokain durchgeführt. Weiter
berücksichtige die Vorinstanz zu Unrecht gewisse strafmindernde Faktoren nicht,
wie seine Bedrohungslage oder erhöhte Strafempfindlichkeit. Sie beziehe sein
Nachtatverhalten nur ungenügend strafmindernd mit ein.

4.2 Die Vorinstanz berücksichtigt bei den Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz neben der inkriminierten Menge an reinem Kokain von
insgesamt 15,44 kg das raffinierte Vorgehen des Beschwerdeführers und seine
leitende Stellung. Sie geht von einem schweren objektiven Tatverschulden aus.
Das subjektive Tatverschulden stuft sie ebenfalls als schwer ein. Für die
Straftat vom 23. Mai 2009 erachtet sie eine hypothetische Einsatzstrafe von ca.
neun Jahren als angemessen. Diese sei für die Einfuhr und den Verkauf von 4,88
kg reinem Kokain vom 27. März 2009 um mindestens 2½ Jahre zu erhöhen. Auch bei
der Geldwäscherei stuft die Vorinstanz das Tatverschulden angesichts des
durchdachten Vorgehens und der Höhe des Deliktsbetrags als schwer ein. Die
hypothetische Einsatzstrafe sei um ein weiteres Jahr anzuheben. Die von der
ersten Instanz ausgefällte Freiheitsstrafe von acht Jahren erachtet sie für die
zu sanktionierenden Delikte insgesamt als zu tief. Sie bestätigt diese jedoch
aus prozessualen Gründen (Urteil S. 4 ff.).

4.3 Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung wiederholt
dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff.; 132 IV 102 E. 8.1; je mit Hinweisen).
Darauf kann verwiesen werden.
Hat der Sachrichter im gleichen Verfahren Mittäter zu beurteilen, so ist zu
berücksichtigen, in welchem gegenseitigen Verhältnis die Tatbeiträge stehen.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung und Gleichmässigkeit der Strafzumessung
gebietet, dass sich jeder für den ihm zukommenden Anteil an der
Unrechtmässigkeit der Tat zu verantworten hat. Ist der Tatbeitrag gleichwertig,
führt das zunächst zu einer gleichen (objektiven) Schuldeinschätzung. Erst wenn
auch die subjektive Vorwerfbarkeit identisch ist und sich überdies namentlich
die individuellen Täterkomponenten gleichmässig auswirken, drängt sich die
gleiche Strafe für die Mittäter auf. Häufig liegen jedoch ungleiche
Strafzumessungsfaktoren vor. In diesen Fällen kann es zu unterschiedlichen
Strafen kommen. Der Grundsatz der Gleichmässigkeit ist nur verletzt, wenn es
der Richter bei der Festlegung der einzelnen Strafen unterlässt, im Sinne einer
Gesamtbetrachtung beide Strafzumessungen in Einklang zu bringen. Ist aus
formellen Gründen nur über einen Mittäter zu urteilen, während die Strafe des
andern feststeht, so geht es darum, einen hypothetischen Vergleich anzustellen.
Der Richter hat sich zu fragen, welche Strafen er ausfällen würde, wenn er
beide Mittäter beurteilen müsste. Dabei hat er sich einzig von seinem
pflichtgemässen Ermessen leiten zu lassen. Die Autonomie des Richters kann zur
Folge haben, dass die Strafen von Mittätern in einem Missverhältnis stehen.
Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange die in Frage stehende
Strafe als solche angemessen ist. Ein Anspruch auf "Gleichbehandlung im
Unrecht" besteht grundsätzlich nicht (BGE 135 IV 191 E. 3.1 ff. mit Hinweisen).

4.4 Die Vorinstanz setzt sich mit den wesentlichen schuldrelevanten Komponenten
auseinander und würdigt alle Zumessungsfaktoren zutreffend. Dass sie sich von
unmassgeblichen Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche Aspekte
unberücksichtigt gelassen hätte, ist nicht ersichtlich. Auf ihre Ausführungen
kann verwiesen werden (Urteil S. 4 ff.).
Die Vorinstanz bezeichnet die Bedrohungssituation des Beschwerdeführers zu
Recht nicht als strafmindernd, weil diese seine umfangreiche Tätigkeit im
Betäubungsmittelhandel nicht substanziell relativiert.
Ferner stuft die Vorinstanz die Strafempfindlichkeit des Beschwerdeführers
zutreffend als durchschnittlich ein. Entgegen dessen Behauptung belegt das
eingereichte Arztzeugnis keine gesundheitlichen Probleme (Beschwerde S. 9),
sondern stellt im Gegenteil fest, dass er sich einer guten Gesundheit erfreut
(Urteil S. 8). Weitere Umstände, die auf eine besondere Strafempfindlichkeit
hinweisen würden, sind weder dargelegt noch ersichtlich.
Soweit der Beschwerdeführer die gegen ihn ausgesprochene Strafe aufgrund eines
Vergleichs mit derjenigen des Mittäters beanstandet, ist der Beschwerde kein
Erfolg beschieden. Die Vorinstanz musste lediglich seine Strafe beurteilen und
neu bestimmen, während diejenige des Mittäters feststand. Insofern konnte sie
dem Beschwerdeführer gegenüber auch nicht einen strengeren Massstab als beim
Mittäter anwenden. Sie lässt weiter das Verhältnis zwischen den Strafen nicht
unberücksichtigt, sondern erwägt, die von der ersten Instanz ausgefällte Strafe
erweise sich als zu tief. Weil kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht
bestehe, würde die Strafe auch nicht tiefer ausfallen, wenn die geltend
gemachte Verletzung von Art. 47 StGB bezüglich der Anzahl Transaktionen im
Vergleich zum Mittäter bejaht würde (Urteil S. 8). Aus prozessualen Gründen
kann sie jedoch die Strafe nicht erhöhen. Aus dem Umstand, dass die
Beschwerdegegnerin gegen die erstinstanzlichen Entscheide kein Rechtsmittel
einlegte, lässt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht
ableiten, die Strafe sei angemessen. Zudem ist die Betäubungsmittelmenge zwar
ein wichtiger Strafzumessungsfaktor, vorliegend aber nicht von vorrangiger
Bedeutung. Massgebend ist das Verschulden (BGE 121 IV 202 E. 2d/cc S. 206 mit
Hinweis).
Die Vorinstanz berücksichtigt das Nachtatverhalten des Beschwerdeführers leicht
strafmindernd. Sie führt aus, dieser habe im Laufe der Untersuchung nur
einzelne ihm vorgeworfene Taten bzw. Tatbeteiligungen zugegeben. Sein
vollständiges Geständnis sei erst erfolgt, als er mit dem Mittäter und dessen
Aussagen konfrontiert worden sei. Damals habe er nur die Angaben des Mittäters
bestätigt und für die Untersuchung keine neuen Erkenntnisse geliefert (Urteil
S. 8). Die Vorinstanz überschreitet oder missbraucht ihr Ermessen bei der
Bewertung des Nachtatverhaltens des Beschwerdeführers nicht. Geständnisse
können strafmindernd berücksichtigt werden, namentlich wenn sie Ausdruck von
Einsicht und Reue des Täters sind. Ein Verzicht auf Strafminderung kann sich
demgegenüber aufdrängen, wenn das Geständnis die Strafverfolgung nicht
erleichtert hat, insbesondere weil der Täter nur aufgrund einer erdrückenden
Beweislage geständig geworden ist (Urteil 6B_473/2011 vom 13. Oktober 2011 E.
5.4 mit Hinweisen).

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der
Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von
vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). Den angespannten
finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist mit reduzierten
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Beschwerde S. 9; Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Januar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Pasquini