Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.474/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_474/2012

Urteil vom 18. April 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Näf.

Verfahrensbeteiligte
Z.________,
vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Marc Engler, Postfach 2121, 8022 Zürich,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ersatzforderung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 21. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich verpflichtete
Z.________ mit Urteil vom 21. Mai 2012 in Bestätigung des Entscheids des
Bezirksgerichts Zürich, 9. Abteilung, vom 11. Oktober 2010, dem Staat als
Ersatz für nicht mehr vorhandenen, widerrechtlich erlangten Vermögensvorteil
Fr. 174'200.-- zu bezahlen.

B.
Z.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des
Obergerichts aufzuheben und den Einziehungsantrag der Staatsanwaltschaft
abzuweisen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil, soweit ihn betreffend,
aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Durch das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 11. Oktober 2010 und
hernach durch das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Mai 2012
wurde X.________ der ungetreuen Geschäftsbesorgung schuldig gesprochen. In
diesen Entscheiden wurde der Beschwerdeführer als Einziehungsbetroffener
verpflichtet, dem Staat als Ersatz für nicht mehr vorhandenen, widerrechtlich
erlangten Vermögensvorteil Fr. 174'200.-- zu bezahlen. Die von X.________ gegen
den Schuldspruch wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung erhobene Beschwerde in
Strafsachen wies das Bundesgericht mit Urteil 6B_491/2012 vom 18. April 2013
ab, soweit es darauf eintrat. Damit liegt eine Anlasstat vor. X.________ machte
sich der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung in Bereicherungsabsicht
(Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB) zum Nachteil der A.________ unter anderem
dadurch schuldig, dass er als deren Geschäftsführer am 25. April 2000 Aktien
der Mitarbeiterbeteiligungsfirma B.________, welche der A.________ gehörten,
pflichtwidrig zu einem zu tiefen Preis an den Beschwerdeführer und weitere
Mitglieder der Konzernleitung der A.________ veräusserte. Der Beschwerdeführer
konnte dank der von X.________ begangenen Straftat 20'000 B.________-Aktien zum
Nennwert von Fr. 10.-- statt zum effektiven Wert von Fr. 20.76 erwerben,
wodurch er einen unrechtmässigen Vermögensvorteil in der Höhe von Fr.
215'200.-- erlangte. Unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer im Rahmen
eines Vergleichs geleisteten Zahlung von Fr. 41'000.-- an die A.________ setzt
die Vorinstanz die Ersatzforderung auf Fr. 174'200.-- fest.

1.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, bei Vermögensdelikten gegen Einzelne
falle eine Einziehung respektive eine staatliche Ersatzforderung ausser
Betracht, wenn mittels Vergleichs ein Schadensausgleich zwischen den Parteien
erfolgt sei und der Vergleich nicht die Umgehung des staatlichen
Einziehungsanspruchs bezwecke. Diese Auffassung stehe nicht im Widerspruch zum
Grundsatz, dass sich strafbares Verhalten nicht lohnen darf. Wenn ein
Schadensausgleich mittels gerichtlichen Vergleichs erfolge, sei eine Einziehung
beziehungsweise staatliche Ersatzforderung ausgeschlossen und daher der
genannte Grundsatz - unter Vorbehalt der Gesetzesumgehung - nicht anwendbar.
Dies ergebe sich auch aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der
Verhältnismässigkeit sowie daraus, dass das Strafrecht "ultima ratio" sei. Die
Einziehung respektive staatliche Ersatzforderung falle entgegen der Auffassung
der Vorinstanz nicht erst dann ausser Betracht, wenn der rechtmässige Zustand
vollständig wiederhergestellt worden sei. Der Verzicht auf einen Teil der
Ansprüche sei ein inhärentes Merkmal des (gerichtlichen) Vergleichs. Durch den
Vergleich werde der rechtmässige Zustand wiederhergestellt, womit eine
Einziehung respektive eine staatliche Ersatzforderung ausgeschlossen sei.

1.3 Die Vorinstanz erwägt, es lasse sich durchaus die Auffassung vertreten,
dass im Interesse der Einheit der Materie mit den zivilrechtlichen Ansprüchen
des Geschädigten auch die einziehungsrechtlichen Ansprüche des Staates
untergehen, wenn bei Straftaten gegen Individualinteressen der
Anspruchsberechtigte in Kenntnis seiner deliktischen Schädigung ausdrücklich
auf Schadenersatz beziehungsweise Restitution verzichte. Denn der Staat solle
nicht gleichsam stellvertretend auf einen Vermögenswert greifen, auf welchen
der primär Berechtigte willentlich verzichtet habe. Die einziehungsrechtlichen
Ansprüche des Staates seien indessen so lange zu bejahen, als nicht durch
Aushändigung an den Geschädigten der rechtmässige Zustand vollständig
wiederhergestellt worden sei. Nach der Auffassung der Vorinstanz steht der am
1. Dezember 2005 vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich abgeschlossene
Vergleich einer Einziehung nicht entgegen, zumal die Vergleichssumme nur rund
10 % der Schadenersatzforderung respektive 17 % des Deliksbetrags ausmacht und
zudem im Zeitpunkt des Vergleichs das Ausmass des deliktischen Verhaltens und
des dadurch verursachten Schadens noch nicht feststand (Urteil S. 111).

1.4 Das Gericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine
Straftat erlangt worden sind, sofern sie nicht dem Verletzten zur
Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden (Art. 70 Abs.
1 StGB). Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr
vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in
gleicher Höhe (Art. 71 Abs. 1 StGB).

Die Einziehung und die staatliche Ersatzforderung beruhen auf dem Gedanken,
dass sich strafbares Verhalten nicht lohnen darf (BGE 129 IV 305 E. 4.2.5; 117
IV 107 E. 2a; je mit Hinweisen). Die Einziehung des durch die Straftat
erlangten Vermögenswerts kommt nur in Betracht, sofern er nicht dem Verletzten
zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt wird. Die
Aushändigung an den Verletzten gemäss Art. 70 Abs. 1 in fine StGB hat somit
Vorrang vor der Einziehung (BGE 129 IV 322 E. 2.2.4 mit Hinweisen).

Die Einziehung ist eine strafrechtliche sachliche Massnahme. Sie ist zwingend
anzuordnen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Einziehung
steht auch bei Delikten gegen den Einzelnen nicht zur Disposition des durch die
Straftat Geschädigten. Sie knüpft nicht an die rechtswidrige schädigende
Handlung, sondern an die Straftat an. Verzichtet der Geschädigte beispielsweise
im Rahmen eines Vergleichs gänzlich oder teilweise auf Schadenersatz
beziehungsweise Restitution, so bleibt die schädigende Handlung gleichwohl eine
Straftat und ist der dadurch erlangte Vermögenswert einzuziehen. Ein Vergleich
steht der Einziehung nicht entgegen (anderer Auffassung NIKLAUS SCHMID,
Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. I, 2. Aufl.
2007, Art. 70-72 StGB N. 67 Fn. 379, N. 99; wohl auch FLORIAN BAUMANN, Basler
Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl. 2007, Art. 70/71 StGB N. 35). Dabei ist es
unerheblich, in welchem Verhältnis die Vergleichssumme zum Schaden respektive
zum Vermögensvorteil steht. Die Ansicht, dass ein Vergleich der Einziehung
nicht entgegensteht, wird auch von der - wohl herrschenden - Lehre in
Deutschland vertreten (SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 73
D-StGB N. 23, 27; THOMAS FISCHER, Kommentar, 60. Aufl. 2013, § 73 D-StGB N. 23;
vgl. auch BGH vom 11. Mai 2006 in NStZ 2006 S. 621 ff.; OLG München vom 19.
April 2004 in NStZ 2004 S. 443 f.). Die Ausschlussklausel im Sinne von Art. 70
Abs. 1 in fine StGB kann nicht als ein Privileg des Täters beziehungsweise des
Einziehungsbetroffenen verstanden werden. Der Schutzzweck von Art. 70 Abs. 1 in
fine StGB, wonach der durch die strafbare Handlung erlangte Vermögenswert dem
Geschädigten in einem einfachen Verfahren ausgehändigt wird, der Täter aber
nicht zweimal zahlen soll, kann den Abschöpfungszweck von Art. 70 Abs. 1 StGB,
wonach sich strafbares Verhalten nicht lohnen darf, nicht aushebeln. Der
Geschädigte kann zwar darüber entscheiden, was er vom Täter oder vom Dritten,
der von der Tat profitierte, herausverlangen will. Er kann aber nicht darüber
entscheiden, was der Täter oder der Dritte durch die Tat erlangt hat und
behalten darf.

Nach der Rechtsprechung ist der durch ein Antragsdelikt erlangte Vermögenswert
auch einzuziehen, wenn ein gültiger Strafantrag fehlt. Denn es ist nicht
ersichtlich, weshalb sich in diesem Fall ein tatbestandsmässiges und
rechtswidriges Verhalten doch lohnen darf (BGE 129 IV 305 E. 4.2). Daraus folgt
a fortiori, dass ein Vergleich zwischen dem Beschuldigten und dem Geschädigten
der Einziehung nicht entgegensteht. Durch den Vergleich wird zwar zwischen den
Parteien der rechtmässige Zustand wiederhergestellt. Dies bedeutet aber nur,
dass eine Aushändigung des durch die Straftat erlangten Vermögenswerts an den
Verletzten im Sinne von Art. 70 Abs. 1 in fine StGB zur Wiederherstellung des
rechtmässigen Zustandes nicht mehr zu erfolgen hat. Daraus folgt nicht, dass
die Einziehung ausser Betracht fällt. Vielmehr muss der durch die Straftat
erlangte Vermögenswert eingezogen werden, sofern und soweit er aus
irgendwelchen Gründen nicht gemäss Art. 70 Abs. 1 in fine StGB dem Verletzten
zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt wird. Bei der
Bestimmung der Einziehungssumme respektive der staatlichen Ersatzforderung ist
allerdings zur Vermeidung einer Doppelbelastung des Einziehungsbetroffenen
(siehe dazu BGE 117 IV 107 E. 2a) die Summe abzuziehen, welche der
Einziehungsbetroffene in Erfüllung des Vergleichs bezahlt hat.

1.5 Die weiteren Einwände des Beschwerdeführers gegen die staatliche
Ersatzforderung sind ebenfalls unbegründet.
1.5.1 Es ist unerheblich, ob die Vergleichssumme von Fr. 350'000.--
entsprechend den Feststellungen der Vorinstanz nur rund 10 % der von der
A.________ vor dem Handelsgericht eingeklagten Schadenersatzforderung
respektive 17 % des Deliktsbetrags ausmacht oder ob sie, wie der
Beschwerdeführer behauptet, unter Berücksichtigung von Gegenansprüchen 55 % der
von der Vorinstanz festgesetzten Ersatzforderung beträgt. Gegenforderungen sind
nicht verrechnungsweise zu berücksichtigen. Einzuziehen ist der durch die
strafbare Handlung erlangte Vermögenswert unter Abzug bereits erfolgter
Rückzahlungen. Ohne Bedeutung ist auch, ob die A.________ in ihrer Klage vom
31. Dezember 2004 gegen den Beschwerdeführer und weitere
Konzernleitungsmitglieder vor dem Handelsgericht entsprechend den
Feststellungen der Vorinstanz nur Schadenersatzansprüche wegen Verletzung
innominatvertraglicher Pflichten, oder, wie der Beschwerdeführer vorbringt,
auch deliktsrechtliche Ansprüche geltend machte und somit der Vergleich auch
diese erfasst. Mangels rechtlicher Relevanz dieser Fragen erübrigen sich
weitere Abklärungen. Die Vorinstanz weist zwar darauf hin, dass die
Vergleichssumme von insgesamt Fr. 350'000.-- lediglich 10 % der ursprünglichen
Schadenersatzforderung der A.________ respektive 17 % des Deliktsbetrags
ausmacht. Sie begründet die Einziehung respektive die staatliche
Ersatzforderung aber entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht damit,
dass ein Missverhältnis zwischen der Vergleichssumme und der ursprünglichen
Schadenersatzforderung respektive dem Deliktsbetrag bestehe. Die Vorinstanz
hält unmissverständlich fest, dass einziehungsrechtliche Ansprüche des Staates
so lange zu bejahen sind, "als nicht durch Aushändigung an den Geschädigten der
rechtmässige Zustand wiederhergestellt ist, und zwar vollständig" (Urteil S.
111). Daraus ergibt sich, dass die Vorinstanz eine Einziehung respektive
staatliche Ersatzforderung auch angeordnet hätte, wenn die Vergleichssumme
beispielsweise 70 % der ursprünglichen Schadenersatzforderung betragen hätte.
1.5.2 Es trifft zu, dass BGE 129 IV 305 Antragsdelikte gemäss dem UWG zum
Gegenstand hat. Das UWG schützt nicht nur das Vermögen des Einzelnen, sondern
grundsätzlich auch das öffentliche Interesse an einem lauteren Wettbewerb.
Daher sind zum Strafantrag wegen unlauteren Wettbewerbs nicht nur die einzelnen
Geschädigten, sondern auch Berufs- und Wirtschaftsverbände und
Konsumentenschutzorganisationen sowie, unter gewissen Voraussetzungen, der Bund
berechtigt (Art. 23 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 9 und 10 UWG). In dem in BGE
129 IV 305 beurteilten Fall hatte neben einzelnen Geschädigten gestützt auf
Art. 23 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 lit. c UWG auch der Bund
Strafantrag gestellt. Das Bundesgericht verwarf den Einwand, dass eine
Einziehung respektive staatliche Ersatzforderung ausser Betracht fällt, soweit
es an einem gültigen Strafantrag fehlt. Es erwog, dass sich strafbares, d.h.
tatbestandsmässiges und rechtswidriges Verhalten auch dann nicht lohnen darf,
wenn aus irgendeinem Grunde der erforderliche gültige Strafantrag fehlt. Für
das Bundesgericht war nicht von Bedeutung, dass das UWG nicht nur das Vermögen
des Einzelnen, sondern auch das öffentliche Interesse an einem lauteren
Wettbewerb schützt. Die Erkenntnis, dass der durch ein Antragsdelikt erlangte
Vermögenswert auch bei Fehlen eines gültigen Strafantrags einzuziehen ist,
gilt, wie in BGE 129 IV 305 E. 4.2.6 klargestellt wird, unabhängig davon, aus
welchen Gründen im konkreten Einzelfall ein gültiger Strafantrag fehlt und/oder
eine bestimmte Straftat nur auf Antrag verfolgt wird. Sie gilt mithin auch
dann, wenn die geschädigte Person in Kenntnis der Sach- und Rechtslage auf den
Strafantrag deshalb verzichtet, weil sie an einer strafrechtlichen Verfolgung
des Täters nicht interessiert ist.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat die bundesgerichtlichen
Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. April 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Näf