Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.470/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_470/2012

Urteil vom 17. Januar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Borner.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Bernard,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Widerruf der bedingten Freiheitsstrafe; Probezeit,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, II. Strafkammer,
vom 26. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X.________ am 15. November 2011 wegen
qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, vorsätzlichen
Fahrens in fahrunfähigem Zustand und mehrfacher Übertretung des
Betäubungsmittelgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten und Fr. 300.--
Busse. Es widerrief den bedingten Vollzug einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen
aus dem Jahr 2006, nicht hingegen denjenigen einer Freiheitsstrafe von 18
Monaten aus dem Jahre 2009. Zudem ordnete es eine vollzugsbegleitende ambulante
Massnahme zur Behandlung der Drogenproblematik an.

Auf Berufung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl widerrief das Obergericht des
Kantons Zürich am 26. Juni 2012 den bedingten Vollzug der Freiheitsstrafe von
18 Monaten aus dem Jahre 2009.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, und der bedingte Vollzug der 18-monatigen
Freiheitsstrafe sei nicht zu widerrufen; eventualiter sei die Sache zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz beurteilt die Bewährungsaussichten des Beschwerdeführers als
ungünstig. Sie führt aus, seine persönlichen Umstände, welche dem Gutachten vom
11. April 2011 zugrunde liegen, hätten sich seither nicht massgeblich
verändert. Er sei zwar aus dem Strafvollzug entlassen worden und habe vor
wenigen Monaten eine ambulante Massnahme angetreten. Seine Ehe stehe aber vor
der Scheidung, Kontakt zu seinen Kindern habe er zurzeit nicht. Er sei weder
beruflich noch sozial integriert, sondern nehme nur im Rahmen der
Bewährungshilfe an einem Arbeits- und Wohnprogramm teil. Schliesslich stehe ihm
nach der Scheidung die freiwillige oder unfreiwillige Rückkehr in den Libanon
bevor. Die Begutachtung habe stattgefunden, als er sich in Haft befand, so dass
die Gutachter auch dem Umstand Rechnung getragen hätten, dass er bereits die
Erfahrung eines längeren Freiheitsentzuges gemacht hatte.

Mit diesen Erwägungen hat die Vorinstanz - entgegen der Ansicht des
Beschwerdeführers - die wesentlichen Merkmale in ihre Beurteilung einbezogen.
Insbesondere berücksichtigt sie, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der
Bewährungshilfe an einem Arbeits- und Wohnprogramm teilnimmt und vor wenigen
Monaten eine ambulante Massnahme angetreten hat. Sie erwähnt zwar nicht, dass
der bisherige Verlauf positiv beurteilt wird und der Beschwerdeführer sich
gegenüber der medikamentösen Therapie "compliant" zeigt (Akten des
Obergerichts, act. 71/2). Aus dem Verlaufsbericht geht aber nicht hervor, der
Beschwerdeführer habe seine Überzeugung aufgegeben, dass sein Kokainkonsum
zwingend die Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sei und
dass er aufgrund seiner Mittellosigkeit seinen Eigenbedarf nur mit Kokainhandel
habe befriedigen können (kantonale Akten, act. 10/9, S. 43 Abs. 2). Dass die
Drogenkontrollen während der Therapie negativ ausfielen, ist nicht von
entscheidender Bedeutung, weil bei ihm keine Drogenabhängigkeit, sondern
lediglich ein Drogenmissbrauch diagnostiziert wurde (a.a.O., S. 50).

Der Gutachter hält fest, man habe dem Beschwerdeführer wegen
Anpassungsstörungen und des Verdachts auf PTBS über Jahre hinweg Therapien
angeboten, um ihm Integrationsleistungen zu erleichtern und seine ihn
belastende Symptomatik zu behandeln. Psychotherapien erforderten ein
Mindestmass an Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit, was bei ihm nur am Anfang
und auch nur sehr punktuell gegeben gewesen sei. Ein langfristiges Interesse an
einer Therapie, die die Symptome einer Anpassungsstörung bzw. einer PTBS zum
Inhalt hat, bei der Verantwortungsübernahme hätte eingeübt werden können, der
Beschwerdeführer bei Integrationsversuchen begleitet worden wäre und ihm
Hilfestellung bei Alltagsproblemen und im Umgang mit seiner familiären
Situation ermöglicht hätte, sei nicht erkennbar. Ebenfalls habe er es
vermieden, in der therapeutischen Situation seinen Kokainmissbrauch zu
thematisieren (a.a.O., S. 43). Angesichts dieser langjährigen fruchtlosen
Bemühungen und der nur anfänglichen und punktuellen Bereitschaft des
Beschwerdeführers durfte die Vorinstanz willkürfrei feststellen, die
persönlichen Umstände hätten sich seit dem Gutachten vom 11. April 2011 nicht
massgeblich verändert, und auf ein Ergänzungsgutachten verzichten.

Der Beschwerdeführer reicht verschiedene Berichte ein, die nach dem
angefochtenen Urteil verfasst worden sind. Darauf ist nicht einzutreten, weil
sich die Vorinstanz damit nicht befassen konnte.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der
Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen
(Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Januar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Borner