Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.455/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_455/2012

Urteil vom 1. Februar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Borner.

Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

W.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Anordnung eines Berufsverbots,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
vom 20. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
W.________ fälschte als Vermögensverwalter diverse Urkunden und veranlasste so,
dass zu seinen Gunsten Kontos und Depots einer Kundin belastet wurden. Mit den
Geldern fingierte er die Rückzahlung zweier Darlehen an die Kundin und
finanzierte sich einen völlig unangemessenen Lebensstil. Delikts- und
Schadensbetrag belaufen sich auf rund 2.1 Mio. bzw. 3.3 Mio. Franken.

B.
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte W.________ am 30. November 2011 wegen
gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Urkundenfälschung und mehrfacher
Unterdrückung von Urkunden zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren. Im Umfang von
21 Monaten gewährte es ihm den bedingten Strafvollzug, verbot ihm aber die
Tätigkeit als Vermögensverwalter während drei Jahren.

Auf Berufung des Verurteilten und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft
Zürich-Limmat bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 20. Juni 2012
das erstinstanzliche Urteil im Schuld- und Strafpunkt. Es gewährte den
bedingten Strafvollzug im Umfang von 24 Monaten und sah von einem Berufsverbot
ab.

C.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen
und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und es sei ein
Berufsverbot für die Dauer von drei Jahren auszusprechen; eventualiter sei die
Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführerin erachtet ein Berufsverbot für erforderlich und
verhältnismässig. Der Beschwerdegegner sei von 2001 bis 2009 bei der
P.________-Gruppe zunächst als Geschäftsführer und dann als Fondsmanager tätig
gewesen. 2007 habe er die M.________ Group Holding AG gegründet, über welche er
Anteile an der V.________ Management GmbH und der R.________ Trading AG
gehalten habe.

In der V.________ Management GmbH erledige er administrative Aufgaben und
unterstütze einzelne Projekte bei einem Jahresverdienst von Fr. 12'000.--.
Sollte sein Lohn das Existenzminimum überschreiten, unterliege es der
Lohnpfändung. Er wohne bei seiner Mutter und werde von ihr und Freunden
unterstützt. Seine Schulden betrügen insgesamt ca. 3.5 Mio. Franken.

Bei der P.________-Gruppe habe er ein monatliches Einkommen von Fr. 12'000.--
gehabt, das er mit der deliktischen Tätigkeit massiv aufgebessert habe.
Angesichts der sehr schlechten Aussicht auf baldige Besserung seiner desolaten
finanziellen Lage erscheine die Gefahr, er könnte sich als Vermögensverwalter
erneut zu deliktischen Tätigkeiten hinreissen lassen, keineswegs gering. An
Schranken habe er selbst ausgeführt, mit einem normalen Einkommen werde er
seine Schulden niemals bezahlen können und müsse dies auf unternehmerischem Weg
versuchen. Auch wenn er damit auf ein laufendes Korkprojekt in Italien
hinweise, könne daraus gefolgert werden, dass er nach Möglichkeiten suche,
seine horrenden Schulden zu begleichen und möglichst wieder in die Nähe seines
vorherigen Lebensstandards zu gelangen. Die Versuchung, auf einfache und
schnelle Weise zu Geld zu kommen, müsse für den heute praktisch mittellosen
Vermögensverwalter angesichts der hohen Schulden ungleich grösser sein als für
den damals gut verdienenden schuldenlosen Beschwerdegegner. Bereits deshalb
bestehe die Gefahr, er könnte eine erneute Stellung als Vermögensverwalter
missbrauchen und potenzielle Kunden schädigen.

Die Vorinstanz erwägt, dem Beschwerdegegner sei gestützt auf die
Vorstrafenlosigkeit, seine Einsicht in sein Fehlverhalten und durch den
Eindruck des Strafverfahrens eine positive Prognose zu stellen. Beziehe man
noch die Wirkung der Strafe mit ein, seien keine Anzeichen auszumachen, welche
auf einen erneuten Versuch, im Rahmen einer Tätigkeit als Vermögensverwalter -
soweit es überhaupt je wieder dazu kommen werde - zu delinquieren.

2.
Die vorinstanzlichen Aspekte, die gegen die Anordnung eines Berufsverbots
sprechen, bestreitet die Beschwerdeführerin zwar nicht. Doch relativiert sie
sie mit dem deliktischen Verhalten des Beschwerdegegners und gibt zu bedenken,
weshalb er nicht schon früher die Unrechtmässigkeit seines Verhaltens
eingesehen habe.

Diese Argumentation geht zum grössten Teil an der Sache vorbei, weil sie
ausschliesslich auf das zurückliegende deliktische Verhalten des
Beschwerdegegners und seinen damaligen egoistischen Lebensstil abstellt.
Demgegenüber führt die Vorinstanz im Rahmen der Strafzumessung aus, er bemühe
sich offenbar mit ärztlicher Hilfe um eine adäquate Verarbeitung seiner
Vergangenheit. Zudem sei davon auszugehen, dass ihm das Strafverfahren und der
angewachsene Schuldenberg eine Lehre sein werden, um sich in Zukunft
gesetzestreu zu verhalten. Es bestünden daher grundsätzlich keine Bedenken
bezüglich des künftigen Wohlverhaltens (angefochtener Entscheid S. 19 Ziff.
11.4).

Mit anderen Worten geht die Vorinstanz davon aus, der einsichtige und reuige
Beschwerdegegner habe seine früheren kriminogenen Einstellungen aufgegeben.
Dagegen bringt die Beschwerdeführerin nichts Stichhaltiges vor. Eine gewisse
Gefahr, dass ein Straftäter rückfällig wird, besteht fast immer. Doch ist sie
bei einem einsichtigen und reuigen Täter, der sich ausserdem bemüht, seine
Vergangenheit aufzuarbeiten, eher gering. Dass er versucht, mit einem
Korkprojekt in Italien wieder zu Geld zu kommen, um seine Schulden zu
begleichen, gereicht ihm jedenfalls nicht zum Nachteil. Dasselbe gilt für die
Gründung der "Unternehmensberatung W.________" mit dem Zweck "Betrieb einer
Unternehmensberatung und Vermittlung von Immobilien, Grundstücken und
Wohnungen". Seine Tätigkeit in der V.________ Management GmbH beschränkt sich
auf administrative Arbeiten, die überdies von seiner früheren Arbeitgeberin
beaufsichtigt werden, da diese sämtliche Anteile des Beschwerdegegners an den
erwähnten Firmen (E. 1 Abs. 1 letzter Satz) in Anrechnung an ihre
Schadenersatzforderung übertragen erhielt. Dass er das erstinstanzlich
angeordnete Berufsverbot nicht anfocht, deutet - entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin - eher darauf hin, dass er nicht mehr in die
Vermögensverwaltung zurückkehren will. Zudem ist er sich bewusst, dass er bei
einem Rückfall den bedingt ausgesprochenen Strafanteil von immerhin 24 Monaten
verbüssen müsste.
Insgesamt hat die Vorinstanz die Frage, ob beim Beschwerdegegner die Gefahr
bestehe, er werde seine Ausbildung als Vermögensverwalter für weitere
Straftaten benutzen, zu Recht verneint und auf ein Berufsverbot verzichtet.

3.
Die Beschwerde ist kostenfrei abzuweisen (Art. 66 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Februar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Borner