Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.436/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_436/2012

Urteil vom 9. Oktober 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Schöbi,
Gerichtsschreiber Held.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Bombach,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn,
Postfach 157, 4502 Solothurn,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Verspätete Einsprache (Strafbefehl, Verletzung der Verkehrsregeln),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer,
vom 9. Juli 2012.

Erwägungen:

1.
Mit Strafbefehl vom 29. März 2012 verurteilte die Staatsanwaltschaft des
Kantons Solothurn X.________ wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu
einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 60.-- und einer Busse von
Fr. 400.--. Auf die dagegen erhobene Einsprache vom 26. April 2012 trat das
Amtsgericht Thal-Gäu wegen Fristversäumung nicht ein. Die von X.________
erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Solothurn am 9. Juli 2012
ab.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben und der Amtsgerichtspräsident von Thal-Gäu zu
verpflichten, auf die Einsprache vom 26. April 2012 einzutreten. Er rügt eine
willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Die Vorinstanz habe zu Unrecht
angenommen, dass ihm der Strafbefehl am 12. April 2012 zugestellt worden sei.
Die Empfangsbescheinigung könne die Zustellung nicht belegen, da sie nicht
unterschrieben sei. Sie weise lediglich einen einzigen, nicht identifizierbaren
Buchstaben auf, was nicht den Zustellungsvoraussetzungen von Art. 7 Abs. 2 des
Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.1
[nachfolgend "Rechtshilfeübereinkommen"]) genüge. Mangels gültigen
Zustellungsnachweises sei zu seinen Gunsten zu vermuten, dass die Einsprache
gegen den Strafbefehl rechtzeitig erfolgt sei (Beschwerde S. 3).

2.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung
kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG; BGE 134 IV 36 E. 1.4.1). Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn
der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung
oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für
die Annahme von Willkür nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4; 134 I 140 E. 5.4; je mit
Hinweisen).

3.
Der Einwand des Beschwerdeführers, die Zustellungsbescheinigung weise nur einen
einzelnen Buchstaben auf und sei nicht unterschrieben, ist unzutreffend. Der
Beschwerdeführer verwechselt offensichtlich den roten "Rückschein" der
Gerichtsurkunde, der als Zustellungsnachweis dient, mit dem grauen
"Empfangsschein". Letzterer wurde der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn
als Absender des Strafbefehls durch die Post ausgestellt. Er belegt, dass der
Strafbefehl unter der Nummer RN 681 xxx xxx CH der Post am 30. März 2012 zum
Versand übergeben wurde. Ihm kann hingegen nicht entnommen werden, ob und
allenfalls wann der Strafbefehl dem Beschwerdeführer zugestellt worden ist. Das
unten rechts auf dem Empfangsschein angebrachte Handzeichen in Form eines
Buchstabens stammt demnach auch nicht von der Person, die den Strafbefehl
entgegengenommen hat, sondern von derjenigen, die ihn am Postschalter
behändigte. Ob dem Handzeichen Unterschriftscharakter zukommt, kann demnach
offenbleiben.
Die Vorinstanz führt hinsichtlich des Zustellungszeitpunkts aus, es sei zwar
unklar, ob die Unterschriften auf dem Rückschein (rote Karte) vom
Beschwerdeführer stammten. Die Zustellung am 12. April 2012 sei aber eindeutig
von einer Person bescheinigt worden (Empfänger/heut[e] 12/04/12 unleserliche
Unterschrift). Diese Bescheinigung stimme mit der Sendungsverfolgung der Post
überein, die die Zustellung am 12. April 2012 um 15.44 Uhr belege. Dass der
Beschwerdeführer tatsächlich in den Besitz des Strafbefehls gelangt sei, ergebe
sich auch aus dem Umstand, dass er am 26. April 2012 Einsprache erhoben habe.
Demnach bestehe kein Anlass an der Richtigkeit der Empfangs- oder
Zustellungsbescheinigung zu zweifeln. Der Beschwerdeführer habe weder in der
Eingabe vom 7. Mai 2012 noch in der Beschwerde vom 1. Juni 2012 Angaben darüber
gemacht, zu welchem anderen Zeitpunkt er den Strafbefehl erhalten habe (Urteil
Ziff. II. 2., S. 3).
Die Würdigung der für die Zustellung beweisrelevanten Indizien durch die
Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Sie konnte willkürfrei annehmen, der
Beschwerdeführer habe den Strafbefehl am 12. April 2012 erhalten. Dass sie sich
von rechtlich nicht massgeblichen Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder
wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hätte, ist nicht dargetan und
insbesondere unter Berücksichtigung des weiten sachrichterlichen Ermessens
nicht ersichtlich. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.

4.
Auf die Rüge des Beschwerdeführers, der Strafbefehl sei ihm unter Verletzung
von Art. 7 Abs. 2 des Rechtshilfeübereinkommens zugestellt worden, ist nicht
einzutreten. Der Strafbefehl wurde nicht im Wege der Rechtshilfe (Art. 7 Abs. 2
des Rechtshilfeübereinkommens), sondern unmittelbar auf dem Postweg in
Anwendung von Art. 16 Abs. 2 des zweiten Zusatzprotokolls zum
Rechtshilfeübereinkommen (SR 0.351.12) zugestellt. Die Rüge betrifft das
Handzeichen auf dem Empfangsschein der Postaufgabe, welches für die Ermittlung
des Zustellungszeitpunktes nicht relevant ist. Die Vorinstanz hat für die
Sachverhaltsfeststellung die "Unterschrift" auf dem Rückschein der
Gerichtsurkunde berücksichtigt, so dass das Vorbringen des Beschwerdeführers
von Vornherein ungeeignet ist, eine willkürliche Beweiswürdigung darzutun.

5.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang sind die Kosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu und
dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 9. Oktober 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Held