Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.431/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_431/2012

Verfügung vom 17. Januar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys, Schöbi,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Bühler,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Amtsleitung, Feldstrasse 42, 8090
Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Bedingte Entlassung gemäss Art. 86 StGB; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, Einzelrichterin,
vom 7. Juni 2012.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte den Beschwerdeführer, deutscher
Staatsangehöriger, am 18. August 2003 unter anderem wegen vorsätzlicher Tötung,
mehrfachen vorsätzlichen Tötungsversuchs sowie mehrfachen qualifizierten Raubes
zu 18 Jahren Zuchthaus, abzüglich 1289 Tage Untersuchungshaft und vorzeitigen
Strafvollzug, sowie zu 15 Jahren Landesverweisung. Zwei Drittel der
Freiheitsstrafe waren am 5. Februar 2012 verbüsst.

Am 8. November 2011 bzw. 16. Januar 2012 stellte der Beschwerdeführer ein
Gesuch um bedingte Entlassung auf den 5. Februar 2012. Der Justizvollzug des
Kantons Zürich wies das Gesuch am 26. Januar 2012 ab. Am 29. Februar 2012 erhob
der Beschwerdeführer Rekurs und beantragte, es seien die Verfügung vom 26.
Januar 2012 ersatzlos aufzuheben, das Gesuch um Haftentlassung gutzuheissen und
er sofort aus der Schweiz auszuschaffen. Am 27. März 2012 wies die Direktion
der Justiz und des Innern des Kantons Zürich den Rekurs ab. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies eine dagegen gerichtete Beschwerde
am 7. Juni 2012 ab, soweit darauf eingetreten wurde.

Der Beschwerdeführer beantragt vor Bundesgericht, das Urteil vom 7. Juni 2012
sei aufzuheben. Das Gesuch um Haftentlassung sei gutzuheissen, und er sei
sofort aus der Schweiz auszuschaffen.

2.
2.1 Ein Rechtsstreit wird gegenstandslos, wenn im Verlaufe des Verfahrens eine
Sachlage eintritt, angesichts derer ein Rechtsschutzinteresse an einem
Entscheid der Streitsache nicht mehr besteht. So entfällt das Interesse an der
Behandlung einer Haftbeschwerde, wenn der Beschwerdeführer während der
Hängigkeit des bundesgerichtlichen Verfahrens aus der Haft entlassen wird (BGE
125 I 394 E. 4; 110 Ia 140 E. 2a).

2.2 Wie das Bundesgericht auf Anfrage am 4. Dezember 2012 erfuhr, wurde der
Beschwerdeführer in Anwendung von Art. 3 des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen
über die Überstellung verurteilter Personen vom 18. Dezember 1997 (SR 0.343.1)
bereits am 6. September 2012 den deutschen Behörden übergeben und befindet sich
nicht mehr im Strafvollzug in der Schweiz. Das Landgericht Freiburg hatte am
21. November 2011 die im Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich verhängte
Freiheitsstrafe von 18 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland für
vollstreckbar erklärt, die Strafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe von 18 Jahren
nach deutschem Recht umgewandelt und die in der Schweiz verbüsste
Untersuchungs- und Strafhaft im Verhältnis eins zu eins angerechnet. Eine
dagegen gerichtete Beschwerde wurde durch das Oberlandesgericht Karlsruhe am
21. Mai 2012 verworfen. Wegen der Übernahme des Beschwerdeführers durch die
deutschen Behörden wurde der Vollzug der Freiheitsstrafe in der Schweiz
ausgesetzt (Art. 8 Abs. 1 des Übereinkommens über die Überstellung verurteilter
Personen vom 21. März 1983; SR 0.343).

Der Beschwerdeführer beantragte im vorliegenden Verfahren zur Hauptsache, er
sei bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen. Dieser Zweck wurde durch
Aussetzung der Freiheitsstrafe in der Schweiz erreicht. Ein
Rechtsschutzinteresse an der Behandlung der Beschwerde besteht nicht mehr. Der
Beschwerdeführer macht gestützt auf Art. 10 des erwähnten Übereinkommens
geltend, dass Deutschland an einen Entscheid, mit welchem das Bundesgericht die
bedingte Entlassung anordnen würde, gebunden wäre (act. 18 S. 2). Die von ihm
zitierte Bestimmung betrifft indessen nur die Frage, inwieweit der
Vollstreckungsstaat an die rechtliche Art und die Dauer der vom Gericht im
Urteilsstaat verhängten freiheitsentziehenden Sanktion (Strafe oder Massnahme),
für welche er die Fortsetzung des Vollzugs übernimmt, gebunden ist. Der Vollzug
der Sanktion richtet sich demgegenüber nach dem Recht des
Vollstreckungsstaates. Dieser Staat allein ist zuständig, alle erforderlichen
Entscheidungen zu treffen (Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens). Über die Frage
einer bedingten Entlassung haben die deutschen Behörden zu entscheiden. Die
Beschwerde ist als gegenstandslos abzuschreiben. Bei diesem Ausgang sind
praxisgemäss keine Gerichtskosten zu erheben.

3.
Der Beschwerdeführer verlangt die unentgeltliche Verbeiständung. Darüber
entscheidet das Bundesgericht bei Gegenstandslosigkeit des Verfahrens mit
summarischer Begründung aufgrund der Sachlage vor Eintritt des
Erledigungsgrundes (Art. 72 BZP in Verbindung mit Art. 71 BGG). Der
Beschwerdeführer macht in seiner Stellungnahme dazu geltend, bei einer
materiellen Behandlung wäre die Beschwerde nicht aussichtslos gewesen. Da sich
tatsächlich nicht von vornherein klar zu beantwortende Fragen stellten, ist das
Gesuch gutzuheissen.

Demnach verfügt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird als gegenstandslos abgeschrieben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird gutgeheissen.

4.
Rechtsanwalt Dr. Marcel Bühler wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus
der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
3. Abteilung, Einzelrichterin, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Januar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Monn