Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.411/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_411/2012

Urteil vom 8. April 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft Baden, Täfernhof, Mellingerstrasse 207, 5405 Dättwil AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Koni Messikommer,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Eventualvorsätzliche Tötung (Art. 111 StGB); Gefährdung des Lebens (Art. 129
StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer,
vom 16. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ (Jahrgang 1985) fuhr am 21. Juni 2009 um ca. 17.30 Uhr in Begleitung
von drei Personen mit seinem Auto von Bad Zurzach (AG) in Richtung Baden (AG).
Dabei legte er ein aggressives und ungeduldiges Fahrverhalten an den Tag. Er
überschritt wiederholt die zulässige Höchstgeschwindigkeit, beschleunigte stark
und bremste wieder ab, schloss mehrmals zu nahe auf die vorderen Autos auf,
fuhr Schlangenlinie hinter einem anderen Fahrzeug und überholte mehrere
Fahrzeuge. Kurz nach der Passhöhe Höhtal überholte er einen Personenwagen,
kehrte nur teilweise auf die Normalspur zurück und setzte im Bereich einer
Sicherheitslinie, ca. 10 Meter vor einer langen Rechtskurve, abermals zu einem
solchen Manöver an. Er überquerte die Sicherheitslinie, wobei seine Sicht
teilweise eingeschränkt war. Auf der Gegenfahrbahn kollidierte er mit dem
korrekt entgegenkommenden Motorrad von A.________. Dieser erlag noch auf der
Unfallstelle seinen schweren Verletzungen.

B.
Das Bezirksgericht Baden sprach X.________ am 11. Oktober 2011 der
eventualvorsätzlichen Tötung, der Gefährdung des Lebens, des Führens eines
Motorfahrzeugs in fahrunfähigem Zustand sowie der mehrfachen Verletzung der
Verkehrsregeln schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von fünf
Jahren und drei Monaten unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft
von zehn Tagen und auferlegte ihm eine Busse von Fr. 500.--.

Die Berufung von X.________ hiess das Obergericht des Kantons Aargau am 16. Mai
2012 teilweise gut. Gleichzeitig wies es die Anschlussberufung der
Staatsanwaltschaft Baden ab. Es sprach X.________ vom Vorwurf der
eventualvorsätzlichen Tötung und der Gefährdung des Lebens frei und verurteilte
ihn wegen fahrlässiger Tötung. Das Obergericht bestätigte die Schuldsprüche des
Führens eines Motorfahrzeugs in fahrunfähigem Zustand sowie der mehrfachen
Verletzung der Verkehrsregeln. Es fällte eine teilbedingte Freiheitsstrafe von
drei Jahren, eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 110.-- sowie
eine Busse von Fr. 500.-- aus. Den zu vollziehenden Teil der Freiheitsstrafe
legte es auf ein Jahr und die Probezeit auf zwei Jahre fest.

C.
Die Staatsanwaltschaft Baden führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt im
Hauptpunkt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben, und
die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen. X.________ sei im Sinne des
erstinstanzlichen Entscheids schuldig zu sprechen.

D.
X.________ beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Zudem ersucht er um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Das Obergericht
des Kantons Aargau lässt sich betreffend die ausgesprochene teilbedingte Strafe
vernehmen und verweist im Übrigen auf den angefochtenen Entscheid.

Erwägungen:

1.
Streitig ist, ob X.________ (Beschwerdegegner) betreffend die Tötung ein
eventualvorsätzliches oder fahrlässiges Handeln vorzuwerfen ist.

1.1 Die Vorinstanz gelangt zur Überzeugung, dass das Bezirksgericht Baden den
relevanten Sachverhalt zutreffend gewürdigt hat (Entscheid S. 7 mit Verweis auf
das erstinstanzliche Urteil, siehe insbesondere S. 17-25). In rechtlicher
Hinsicht erwägt sie, jedem Autofahrer sei bewusst, dass eine Frontalkollision
in aller Regel schwerste Folgen für alle Unfallbeteiligten mit sich ziehe. Aus
diesem allgemeinen Wissen dürfe jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der
Beschwerdegegner habe das Überholmanöver "im vollen Bewusstsein" um die hohe
Gefahr einer Frontalkollision durchgeführt. Der Beschwerdegegner habe seine
Fahrfähigkeit massiv überschätzt und die Gefahr einer Frontalkollision massiv
unterschätzt. Es sei nicht völlig unwahrscheinlich, dass er gehofft habe, es
werde nicht zu einem Unfall kommen. Er habe blindlings darauf vertraut, dass
kein Fahrzeug entgegenkommen würde bzw. er rechtzeitig wieder einschwenken
könne. Objektiv sei es ihm unmöglich gewesen, auf ein entgegenfahrendes
Fahrzeug zu reagieren. Passiert sei bis zum Unfall nichts. Den Ermahnungen
seiner Mitfahrer, die Geschwindigkeit zu reduzieren und auf das Überholen zu
verzichten, habe er kein Gehör geschenkt. Die ihm zugeschriebene
Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben anderer Personen möge bezogen auf den
Motorradfahrer als plausibel erscheinen. Dass er aber darüber hinaus auch den
Verlust des eigenen Lebens und den Tod seiner Mitfahrer in Kauf genommen habe,
sei eine abwegige Fiktion. Die drohende Selbsttötung wie auch die Beschädigung
seines äusserst gepflegten Autos seien als Indizien für Fahrlässigkeit zu
werten. Gemäss der Mehrheit des Obergerichts liege kein "krasser Fall" im Sinne
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vor. Der Beschwerdegegner habe nicht
eventualvorsätzlich, sondern grobfahrlässig gehandelt (Entscheid S. 10 ff.).

1.2 Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Wahrscheinlichkeit der
Tatbestandsverwirklichung sei äusserst hoch gewesen. Dies habe der
Beschwerdegegner gewusst. Ihm sei bewusst gewesen, dass er für das
Überholmanöver die Sicherheitslinie kurz vor einer lang gezogenen Rechtskurve
habe überfahren müssen. Die Sicht über den Kurvenscheitelpunkt hinaus sei an
mehreren Orten durch Bäume und Sträucher verdeckt gewesen und habe auf die
Gegenfahrbahn nur wenige Meter betragen. Weiter sei klar gewesen, dass die
kurvenreiche Strecke befahren gewesen sei und keine Ausweichmöglichkeiten
bestanden hätten. Die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung sei im obersten
Bereich anzusetzen. Der Beschwerdegegner habe die Sicherheitslinie mehrfach
überfahren und zudem die Verkehrsregeln vor dem fraglichen Manöver wiederholt,
teilweise grob, verletzt. Die Chance, den Unfall zu vermeiden, habe nur noch
eine blosse und äusserst geringe Hoffnung dargestellt. Der Beschwerdegegner sei
"auf gut Glück" gefahren. Nicht massgeblich sei, dass er laut Vorinstanz seine
Fahrfähigkeit massiv überschätzt und die Gefahr einer Frontalkollision massiv
unterschätzt habe. Wer unter den gegebenen Umständen die Sicherheitslinie
überfahre, könne über die hohe Gefahr einer Frontalkollision nicht hinwegsehen.
Vor der Kollision habe der Beschwerdegegner die Verkehrsregeln mehrfach
verletzt und damit die Verwirklichung des Unfallrisikos provoziert. Da er um
die besonders grosse Gefahr eines tödlichen Unfalls gewusst und das
Überholmanöver dennoch ausgeführt habe, habe er mit dem Eintritt des Erfolgs
gerechnet und diesen in Kauf genommen (Beschwerde S. 5 ff.).

1.3 Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und
Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat
für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2 StGB). Nach ständiger
Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den Eintritt des
Erfolgs beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber
dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf
nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 137 IV 1 E.
4.2.3 S. 4 mit Hinweis).
Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann im
Einzelfall schwierig sein (vgl. dazu BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 16; 133 IV 1 E. 4.1
S. 3 f.; je mit Hinweisen). Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung im Sinne
des Eventualvorsatzes in Kauf genommen hat, muss der Richter - bei Fehlen eines
Geständnisses des Beschuldigten - aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu
gehören die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der
Tatbestandsverwirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die
Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung. Je grösser die
Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die
Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die Schlussfolgerung, der
Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen. Der Richter darf vom
Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter der Eintritt
des Erfolgs als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als
Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt
werden kann (BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 16 f.; 133 IV 1 E. 4.1 S. 4; je mit
Hinweisen).

Ein Fahrzeuglenker droht durch sein gewagtes Fahrverhalten meistens selbst zum
Opfer zu werden. Die Annahme, er habe sich gegen das geschützte Rechtsgut
entschieden und nicht im Sinne der bewussten Fahrlässigkeit auf einen guten
Ausgang vertraut, darf deshalb nicht leichthin angenommen werden (BGE 130 IV 58
E. 9.1 S. 64 f. mit Hinweisen). Bei Unfällen im Strassenverkehr kann nicht ohne
Weiteres aus der hohen Wahrscheinlichkeit des Eintritts des tatbestandsmässigen
Erfolgs auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden. Erfahrungsgemäss neigen
Fahrzeuglenker dazu, einerseits die Gefahren zu unterschätzen und andererseits
ihre Fähigkeiten zu überschätzen, weshalb ihnen unter Umständen das Ausmass des
Risikos der Tatbestandsverwirklichung nicht bewusst ist. Einen unbewussten
Eventualdolus aber gibt es nicht. Eventualvorsatz in Bezug auf Verletzungs- und
Todesfolgen ist bei Unfällen im Strassenverkehr nur mit Zurückhaltung und in
krassen Fällen anzunehmen, in denen sich aus dem gesamten Geschehen ergibt,
dass der Fahrzeuglenker sich gegen das geschützte Rechtsgut entschieden hat (
BGE 133 IV 9 E. 4.4 S. 20). Das Bundesgericht hat in einem jüngeren Entscheid
an seiner Rechtsprechung festgehalten. Darauf ist nicht zurückzukommen. Zu
prüfen war der Fall eines Automobilisten, der auf einer relativ kurvenreichen
Strasse wegen massiv übersetzter Geschwindigkeit oder wegen eines Lenkmanövers
zum Aussenrand der Kurve getragen wurde, die Kontrolle über sein Fahrzeug
vollends verlor und schliesslich mit einem korrekt entgegenkommenden Fahrzeug
kollidierte. Deren Lenkerin sowie die Beifahrerin des Täters erlagen auf der
Unfallstelle ihren Verletzungen. Das Bundesgericht bejahte den
Tötungseventualvorsatz zum Nachteil beider Opfer (Urteil 6B_168/2010 vom 4.
Juni 2010 mit mehreren Hinweisen).

1.4 Das Wissenselement des Vorsatzes ist zu bejahen. Nach den verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz (Entscheid S. 7 sowie erstinstanzliches Urteil,
insbesondere S. 21 ff.) ist die Höhtalstrasse kurvenreich und unübersichtlich.
Der Unfall ereignete sich an einem frühen Sonntagabend im Juni bei schönem
Wetter. Auf dem fraglichen Abschnitt betrug die signalisierte
Höchstgeschwindigkeit 60 km/h. Der Beschwerdegegner, der unter dem Einfluss von
am Vorabend konsumierten Cannabis stand, hat zuerst das Fahrzeug von B.________
überholt (nachdem er diesem mit einem Abstand von 1-2 Metern und später mit
einem solchen von 2-3 Metern gefolgt war), ist nur teilweise auf die Normalspur
zurückgekehrt und hat die Sicherheitslinie überquert, um kurz vor einer
Rechtskurve das Auto von C.________ hinter sich zu lassen. B.________ fuhr mit
leicht übersetztem Tempo (65-70 km/h) und C.________ mit ca. 60 km/h. Die
Geschwindigkeit des Beschwerdegegners betrug vor dem letzten Überholmanöver
etwa 65-70 km/h und während des Überholvorgangs 67-80 km/h (18.6-22.2 m/s). Die
Sicht über den Kurvenscheitelpunkt hinaus war an mehreren Orten durch Bäume und
Sträucher verdeckt. Zudem war sie phasenweise durch die dem Beschwerdegegner
vorausfahrenden Fahrzeuge eingeschränkt. Die sichtbare Strecke war völlig
ungenügend, um bei Gegenverkehr rechtzeitig reagieren zu können. Sie betrug
eine Sekunde vor dem Unfall 16 Meter. Das letzte Überholmanöver erfolgte nach
den zutreffenden Erwägungen des Bezirksgerichts Baden "blind". Der
Beschwerdegegner befuhr die fragliche Strecke am selben Tag zum zweiten Mal. Er
hatte vor der Passhöhe bereits mindestens drei Fahrzeuge überholt und musste
mit Gegenverkehr rechnen. Dass das Überfahren der Sicherheitslinie bei
ungenügender Sicht auf den Gegenverkehr die naheliegende Möglichkeit eines
Verkehrsunfalls schafft, war für ihn - wie für jeden Verkehrsteilnehmer -
erkennbar. Aufgrund der konkreten Umstände konnte er nicht davon ausgehen,
einer kritischen Situation mit Fahrgeschicklichkeit zu begegnen. Soweit er
geltend macht, er habe zum Tatzeitpunkt nicht gewusst, dass dieses Risiko hoch
gewesen sei, kann ihm nicht gefolgt werden (Vernehmlassung S. 3 ff.). Die
Wahrscheinlichkeit einer Frontalkollision war derart hoch, dass der
Beschwerdegegner sie erkannt haben musste. Zudem wurde er wiederholt und auch
kurz vor dem Unfall von seinen Mitfahrern aufgefordert, das Tempo zu reduzieren
und auf das Überholen zu verzichten. Auch dies musste ihm zweifelsohne die
Gefährlichkeit seines Tuns vor Augen führen.
Zu prüfen ist das Willenselement des Vorsatzes. Der Beschwerdegegner ist bei
dem zum Unfall führenden Überholmanöver ein äusserst hohes Risiko eingegangen.
Nach den tatsächlichen vorinstanzlichen Feststellungen war es ihm objektiv
unmöglich, auf ein entgegenkommendes Fahrzeug überhaupt reagieren zu können
(Entscheid S. 10). Diese Schlussfolgerung ist ausgehend von einer sichtbaren
Strecke von 16 Metern eine Sekunde vor der Kollision und einer Geschwindigkeit
von 18.6-22.2 m/s (Beschwerdegegner) respektive 14.4-16.6 m/s (Motorradfahrer)
ohne Weiteres nachvollziehbar. Sie wird durch das verkehrstechnische Gutachten
des D.________ vom 30. September 2010 gestützt. Danach hätte der
Beschwerdegegner die Kollision (nur) bei Verzicht auf das Manöver vermeiden
können. Der verstorbene Motorradfahrer hat gemäss Expertise das
entgegenkommende Auto erst rund eine Sekunde vor der Kollision sehen können.
Der Gutachter nimmt an, dass beide Fahrzeuge ungebremst kollidierten
(vorinstanzliche Akten pag. 368 f.). Die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt
insbesondere mit Blick auf das (mehrfache) Überfahren der Sicherheitslinie bei
übersetzter Geschwindigkeit sehr schwer.

Die Vorinstanz gelangt zur Überzeugung, dass der Beschwerdegegner seine eigene
Fahrfähigkeit massiv überschätzt und die Gefahr einer Frontalkollision massiv
unterschätzt habe (Entscheid S. 10). Der Beschwerdegegner pflichtet ihr bei
(Vernehmlassung S. 5). Die Beschwerdeführerin argumentiert, der
Beschwerdegegner habe unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse das
Risiko nicht falsch einschätzen können (Beschwerde S. 8). Dies ist zutreffend.
Die konkreten Umstände erlaubten dem Beschwerdegegner nicht mehr, ernsthaft
darauf zu vertrauen, die als möglich erkannte Frontalkollision durch
fahrerische Fähigkeiten vermeiden zu können. Ebenso wenig konnte er entgegen
seinem Dafürhalten ernsthaft darauf vertrauen, das Überholmanöver rechtzeitig
zu beenden (Vernehmlassung S. 3 f.). Selbst wenn der Beschwerdegegner seine
Fertigkeiten als Automobilist überschätzt hat, vermag ihn dies nicht zu
entlasten. Bei sonntäglichem Verkehrsaufkommen und bei völlig ungenügender
Sicht mit übersetzter Geschwindigkeit die Sicherheitslinie für einen
Überholvorgang zu überfahren, spricht für die Inkaufnahme der als möglich
erkannten Tatbestandsverwirklichung. Nachdem der Beschwerdegegner sein Fahrzeug
auf die linke Strassenseite gelenkt hatte, stand und fiel der Eintritt einer
Frontalkollision einzig mit dem Auftauchen von Gegenverkehr. Auf ein
entsprechendes Fahrzeug konnte er nach den tatsächlichen Feststellungen
unmöglich reagieren. Der weitere Verlauf des Geschehens war deshalb nicht offen
respektive nicht mehr in den Händen des Beschwerdegegners. Die Vorinstanz hält
ihm zugute, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, dass er auf das Ausbleiben
einer Kollision gehofft habe. Darin liegt aber nur die blosse Hoffnung, dass
sich der Tatbestand dank glücklicher Fügung doch nicht verwirklichen werde,
welche die Inkaufnahme des Erfolgs nicht ausschliesst (BGE 130 IV 58 E. 9.1.1
S. 64 mit Hinweisen). Anders als in BGE 133 IV 1 (Fall eines Fahrzeuglenkers,
welcher auf einer geraden, übersichtlichen und ebenen Strecke auf der Autobahn
absichtlich eine seitliche Kollision mit einem anderen Personenwagen
herbeiführte) und BGE 134 IV 9 (Fall eines Fahrzeuglenkers, welcher
beschleunigte, als ihn ein anderes Auto überholen wollte, was zu einer
Frontalkollision zwischen dem überholenden und dem entgegenkommenden Wagen
führte) hatte der Motorradfahrer keinerlei Abwehrchancen, das heisst keine
reelle Möglichkeit, einen Unfall mit schwerwiegenden Konsequenzen
einschliesslich Todesfolgen durch eine zweckmässige Reaktion abzuwenden. Der
Nichteintritt des Erfolgs hing mit dem Bezirksgericht Baden und der
Beschwerdeführerin ausschliesslich von Glück und Zufall ab (erstinstanzlicher
Entscheid S. 28 f.; Beschwerde S. 9). Der Beschwerdegegner konnte nicht darauf
vertrauen, dass sich die Gefahr einer tödlichen Kollision nicht verwirklichen
würde.

Die Vorinstanz unterstreicht, dass bis zum Unfall nichts passiert sei
(Entscheid S. 11). Die Beschwerdeführerin bringt berechtigterweise vor, dies
entlaste den Beschwerdegegner in keiner Weise (Beschwerde S. 9). Der
Beschwerdegegner legte bereits vor der Passhöhe ein aggressives Fahrverhalten
an den Tag. Er fuhr innerorts phasenweise mit ca. 70 km/h und ausserorts
teilweise mit ca. 110 km/h, überholte mehrfach mit übersetzter Geschwindigkeit
und schloss wiederholt auf die vorderen Fahrzeuge bis auf wenige Meter auf
(vgl. erstinstanzliches Urteil S. 12 ff.). Mithin liess er fundamentale
Verkehrsregeln ausser Acht. Das Bezirksgericht Baden erwägt, der tödliche
Unfall sei nicht die Folge eines isolierten Fahrfehlers oder einer fahrerischen
Fehlentscheidung gewesen, sondern habe am Ende einer ganzen Kette von zum Teil
schweren Verkehrsregelverletzungen gestanden. Der Beschwerdegegner habe auf der
Fahrt wiederholt das Risiko gesucht, und sein Fahrverhalten habe sich im Höhtal
zugespitzt (erstinstanzlicher Entscheid S. 29). Diesen Erwägungen ist
beizupflichten. Der Beschwerdegegner konnte gar nichts anders, als ernsthaft
mit der Tatbestandsverwirklichung zu rechnen. Sein Verhalten kann nicht mehr
als bloss unverantwortlicher und rücksichtsloser Leichtsinn gewürdigt werden.
Daran ändert der Umstand nichts, dass er sich mit dem Manöver auch selbst
erheblich gefährdet hat. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen stand der
Beschwerdegegner nicht unter emotionalem Stress oder zeitlichem Druck, weshalb
er mit seiner Fahrweise seinen Mitfahrern imponieren wollte (Entscheid S. 7 und
erstinstanzliches Urteil S. 28). Die Vorinstanz erwägt, wer seinen Mitfahrern
oder sich selbst etwas beweisen wolle, nehme dazu nicht einen schweren Unfall
in Kauf. Mit einem Unfall könne man sich nur blamieren (Entscheid S. 11 f.).
Dabei stützt sich die Vorinstanz nicht auf eine Beweiswürdigung, sondern
unabhängig vom konkreten Sachverhalt auf einen nach ihrem Dafürhalten aus der
allgemeinen Lebenserfahrung gewonnenen Erfahrungssatz. Diesen Erwägungen kann
in dieser absoluten Form nicht gefolgt werden. Steht fest, dass der
Beschwerdegegner emotional und zeitlich nicht unter Druck stand und auf der
fraglichen Fahrt von drei etwa gleichaltrigen Kollegen begleitet wurde, so
liegt der Schluss nahe, wonach er sein fahrerisches Können respektive die
Leistung seines sportlichen Fahrzeugs unter Beweis stellen wollte. Diese
Absicht ist zweifelsohne unvernünftig. Mit der ersten Instanz ist zu bejahen,
dass der Beschwerdegegner sie gleichwohl hegte. Er hoffte auf ein Ausbleiben
des Unfalls. Die Bitten der Mitfahrer, gemässigter zu fahren, ignorierte er
wiederholt. Auch dieser Umstand unterstreicht die Tatsache, dass er ein
Imponiergehabe an den Tag legte.

Mit seiner Fahrweise hat sich der Beschwerdegegner für die mögliche
Rechtsgüterverletzung entschieden. Sein Verhalten lässt sich nicht mehr als
fahrlässiges Handeln würdigen. Indem die Vorinstanz ihn vom Vorwurf der
eventualvorsätzlichen Tötung freispricht, verletzt sie Bundesrecht.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe den
Beschwerdegegner zu Unrecht vom Vorwurf der Gefährdung des Lebens
freigesprochen. Der Beschwerdegegner habe um die hohe Wahrscheinlichkeit der
Risikoverwirklichung gewusst. Er habe nicht nur mit einem Motorradfahrer,
sondern auch mit einem entgegenfahrenden Personenwagen rechnen müssen. In
diesem Fall wäre mit der Tötung seiner Fahrzeuginsassen zu rechnen gewesen. Da
der Beschwerdegegner das Überholmanöver im Bewusstsein dieser Gefahr ausgeführt
habe, habe er diese gewollt (Beschwerde S. 11).

2.2 Der Gefährdung des Lebens im Sinne von Art. 129 StGB macht sich strafbar,
wer einen Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt.
Objektiv ist eine konkrete, unmittelbare Lebensgefahr erforderlich, welche
direkt dem Verhalten des Täters zuzuschreiben ist. Subjektiv wird direkter
Vorsatz in Bezug auf die unmittelbare Lebensgefahr vorausgesetzt.
Eventualvorsatz genügt nicht (BGE 133 IV 1 E. 5.1 S. 8 mit Hinweisen). Der
Gefährdungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter die Gefahr kennt und trotzdem
handelt. Hingegen muss er die Verwirklichung der Gefahr nicht gewollt haben
(Urteil 6B_1038/2009 vom 27. April 2010 E. 1.2 mit Hinweis, nicht publ. in BGE
136 IV 76). Sicheres Wissen um die Gefahr, also um die Möglichkeit des
Erfolgseintritts, ist mit sicherem Wissen um den Erfolgseintritt nicht
identisch, kann also sowohl mit (eventuellem) Tötungsvorsatz wie mit bewusster
Fahrlässigkeit bezüglich der Todesfolge einhergehen (STRATENWERTH/JENNY/BOMMER,
Schweizerisches Strafrecht, Straftaten gegen Individualinteressen, 7. Aufl.
2010, § 4 N. 12). Skrupellos ist ein in schwerem Grade vorwerfbares, ein
rücksichts- oder hemmungsloses Verhalten. Die Möglichkeit des Todeseintritts
muss als so wahrscheinlich erscheinen, dass sich wissentlich darüber
hinwegzusetzen als skrupellos zu bewerten ist (BGE 133 IV 1 E. 5.1 S. 8; 121 IV
67 E. 2b/aa S. 70; je mit Hinweisen).

2.3 Der Beschwerdegegner schuf durch seine Fahrweise eine sehr hohe
Wahrscheinlichkeit einer Frontalkollision (E. 1.4 hievor), die sich
letztendlich verwirklichte. Er überfuhr bei völlig ungenügender Sicht ("blind")
mit übersetzter Geschwindigkeit die Sicherheitslinie. Für die Mitfahrer bestand
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit oder nahe
Möglichkeit eines tödlichen Unfalls. Insbesondere war wahrscheinlich, dass der
Beschwerdegegner durch seine Fahrweise frontal mit einem entgegenkommenden
Fahrzeug kollidieren oder - genügend Zeit für eine Reaktion vorausgesetzt - bei
einem Ausweichmanöver die Herrschaft über das Auto vollends verlieren würde.
Diese unmittelbare, konkrete Lebensgefahr wäre noch deutlicher geworden, wäre
der Beschwerdegegner mit einem Personenwagen anstatt mit einem Motorrad frontal
kollidiert.

Der Beschwerdegegner, der die Warnungen seiner Mitfahrer in den Wind schlug,
kannte die hohe Wahrscheinlichkeit eines fatalen Unfalls (E. 1.4 hievor).
Gleichwohl hat er das Manöver durchgeführt und mit Gefährdungsvorsatz
gehandelt. Er konnte nicht ernsthaft davon ausgehen, die Fahrt unter Kontrolle
zu haben und die Insassen seines Fahrzeugs nicht zu gefährden. Sein Verhalten
zeigt, dass er diese Gefahr wollte, mochte sie ihm auch unerwünscht sein und
mochte er auch darauf vertraut haben, sie werde sich nicht realisieren. Zudem
ist sein Verhalten als skrupellos zu werten. Der Beschwerdegegner liess im
Beisein dreier Kollegen wiederholt fundamentale Verkehrsregeln ausser Acht. Er
überholte ein korrekt fahrendes Auto zu einem Zeitpunkt, als es ihm objektiv
unmöglich war, auf ein entgegenkommendes Fahrzeug überhaupt noch reagieren zu
können. Der Nichteintritt respektive das Ausmass eines tödlichen Unfalls hing
einzig vom Zufall ab. Letztendlich hat der Beschwerdegegner das Risiko gesucht
und sein fahrerisches Können unter Beweis stellen wollen. Dass die Mitfahrer
die riskante Fahrt nicht wollten, darüber hat er sich mehrfach hinweggesetzt.
Angesichts der nahen Möglichkeit der Verwirklichung der Lebensgefahr zeugt sein
Verhalten von einer besonderen Hemmungslosigkeit und lässt jede Rücksicht auf
das Leben der drei Mitfahrer vermissen.

Indem die Vorinstanz den Beschwerdegegner vom Vorwurf der Gefährdung des Lebens
freispricht, verletzt sie Bundesrecht.

3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die
Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der unterliegende
Beschwerdegegner wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er ersucht um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Trotz Aufforderung hat er
innert Frist (act. 11) keine Unterlagen eingereicht, um seine
Vermögenssituation darzutun. Weil seine finanzielle Bedürftigkeit nicht
genügend belegt ist, ist das Gesuch abzuweisen (vgl. BGE 125 IV 161 E. 4 S.
164). Eine Reduktion der Gerichtskosten kommt nicht in Betracht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil des Obergerichts des
Kantons Aargau vom 16. Mai 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung
an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. April 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Faga