Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.409/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}

6B_409/2012        

6B_726/2013

Urteil vom 3. Februar 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X._______,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Oskar Luginbühl,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Verwahrungsüberprüfung.

Beschwerden gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 5. Juni 2012, und gegen den Beschluss des Obergerichts des
Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 3. Juli 2013.

Sachverhalt:

A. 
Mit Urteil des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom 19. Mai 1998 wurde
X._______ unter anderem wegen mehrfachen versuchten Mordes, mehrfacher schwerer
Körperverletzung, mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern und mehrfacher
Schändung zu 17 Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Gericht ordnete die Verwahrung
im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB an und schob den Vollzug der
Freiheitsstrafe zu diesem Zweck in Anwendung von Art. 43 Ziff. 2 Abs. 1 aStGB
auf. Die dagegen erhobene Beschwerde von X._______ wies das Bundesgericht ab,
soweit es darauf eintrat (Urteil 6S.114/1999 vom 12. Mai 2000).
X._______ trat am 15. November 2000 zum Verwahrungs- und Strafvollzug in die
Strafanstalt Pöschwies ein. Er befindet sich noch heute dort.

B. 
Der Sonderdienst der Bewährungs- und Vollzugsdienste des Amts für Justizvollzug
des Kantons Zürich überwies die den Verwahrten betreffenden Vollzugsakten am
15. März 2007 dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, damit diese
die gemäss Ziff. 2 Abs. 2 der Schlussbestimmungen der Änderung zum
Strafgesetzbuch vom 13. Dezember 2002 (SchlBestStGB) gebotene Überprüfung der
altrechtlichen Verwahrung vornehme. Der Sonderdienst empfahl dem Gericht, die
gegen X._______ gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB angeordnete Verwahrung nach
neuem Recht weiterzuführen.
Das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, erkannte am 5. Juni 2012,
dass keine therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59-61 oder 63 StGB
angeordnet und die Verwahrung nach neuem Recht weitergeführt werde. Die von
X.________ dagegen erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies die als
Kassationsinstanz amtende II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich
am 3. Juli 2013 ab.

C. 
X._______ wendet sich an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung der
angefochtenen Beschlüsse der II. und III. Strafkammer des Obergerichts und die
Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme im Sinne von Art. 59
StGB. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanzen
zurückzuweisen. Wegen Verletzung von Art. 3 und 5 EMRK sei ihm eine Genugtuung
von Fr. 20'000.-- auszurichten, wegen Verletzung von Art. 6 EMRK (Verstoss
gegen das Beschleunigungsgebot) eine solche von Fr. 1'500.--. X._______ ersucht
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

D. 
Die Beschwerde von X.________ gegen den Abschreibungsbeschluss des
Gesamtobergerichts des Kantons Zürich vom 1. Oktober 2012 wegen
Rechtsverzögerung/Rechtsverweigerung ist Gegenstand eines separaten Verfahrens
(6B_665/2012).

Erwägungen:

1. 
Streitgegenstand bildet die Überprüfung der gegen den Beschwerdeführer
altrechtlich angeordneten Verwahrung gemäss Ziff. 2 Abs. 2 SchlBestStGB. Es
handelt sich um ein Nachverfahren, das durch selbständigen richterlichen
Entscheid gemäss Art. 363 ff. StPO abgeschlossen wird.
Selbständige nachträgliche Entscheide werden nach Inkrafttreten der StPO von
jener Strafbehörde gefällt, die für das erstinstanzliche Urteil zuständig
gewesen wäre (Art. 451 StPO). Bereits hängige Verfahren werden hingegen in
sinngemässer Anwendung von Art. 450 StPO nach altem Recht weitergeführt und
abgeschlossen ( VIKTOR LIEBER, Kommentar zur Schweizerischen
Strafprozessordnung (StPO), Zürich 2010, Art. 451 N. 2; NIKLAUS SCHMID,
Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 451 N.
3).
Nachdem der Sonderdienst der Vollzugs- und Bewährungsdienste dem Obergericht,
III. Strafkammer, am 15. März 2007 die Vollzugsakten überwiesen hatte mit der
Empfehlung, die Verwahrung sei weiterzuführen, leitete das Gericht das
Überprüfungsverfahren gemäss Ziff. 2 Abs. 2 SchlBestStGB ein. Es bestellte dem
Beschwerdeführer am 10. April 2007 einen amtlichen Vertreter und lud die
Parteien ein, zur Eingabe des Sonderdienstes Stellung zu nehmen und Antrag zu
stellen. Damit war das Verfahren bei Inkrafttreten des neuen Rechts am 1.
Januar 2011 bereits hängig. Es ist folglich nicht die neue StPO, sondern die
bisherige Strafprozessordnung des Kantons Zürich anwendbar, und es ist die
kantonale Nichtigkeitsbeschwerde (mit Ersatzzuständigkeit des Obergerichts als
Kassationsinstanz gemäss § 212 Abs. 2 lit. a des Gerichtsorganisationsgesetzes
des Kantons Zürich [GOG; LS 211.1]) gegeben ( VIKTOR LIEBER, Knifflige Fragen
zum Übergangsrecht, Plädoyer 6/2010, S. 36 ff., S. 39, aktualisiert am 7.
Oktober 2013).

2. 
Der Beschwerdeführer erhob gegen den Entscheid der III. Strafkammer des
Obergerichts vom 5. Juni 2012 sowohl Beschwerde in Strafsachen als auch
kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Er reichte gegen den Beschluss der II.
Strafkammer des Obergerichts vom 3. Juli 2013 Beschwerde in Strafsachen ein und
ergänzte seine Beschwerde gegen den Entscheid der III. Strafkammer des
Obergerichts.
Gemäss dem bis zum Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung
geltenden Art. 100 Abs. 6 BGG beginnt der Fristenlauf für die Beschwerde an das
Bundesgericht, wenn der Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts mit einem
Rechtsmittel, das nicht alle Rügen nach Art. 95-98 BGG zulässt, bei einer
zusätzlichen kantonalen Gerichtsinstanz angefochten worden ist, erst mit der
Eröffnung des Entscheids dieser Instanz (vgl. BGE 135 III 337 E. 1.3). Der
Beschwerdeführer, der bereits gegen den Beschluss des Obergerichts, III.
Strafkammer, Beschwerde erhoben hat, kann in seiner Beschwerde in Strafsachen
gegen den Entscheid der als Kassationsinstanz amtenden II. Strafkammer den
Beschluss der III. Strafkammer des Obergerichts erneut anfechten, zumal die
Begründung des Entscheids der II. Strafkammer Anlass geben kann, die
Beschwerdeeinwände gegen das Urteil der III. Strafkammer zu modifizieren. In
diesem Fall sind die beiden Eingaben als eine einzige Beschwerde zu behandeln,
wobei die erste Beschwerde als Bestandteil der zweiten Eingabe zu betrachten
ist. Soweit auch der Entscheid der II. Strafkammer des Obergerichts mit
Beschwerde in Strafsachen angefochten wird, ist die Beschwerde gegen den
Beschluss der III. Strafkammer ihrerseits als Bestandteil dieses Rechtsmittels
anzusehen (Urteil 6B_811/2010 vom 23. August 2012 E. 2; s.a. Urteile 6S.2/2007
und 6B_23/2008 vom 23. Mai 2008 E. 1.3).

3. 
Gemäss Ziff. 2 Abs. 2 SchlBestStGB überprüft das Gericht bis spätestens zwölf
Monate nach Inkrafttreten des neuen Rechts, ob bei Personen, die nach den Art.
42 oder 43 Ziff. 1 Abs. 2 des bisherigen Rechts verwahrt sind, die
Voraussetzungen für eine therapeutische Massnahme (Art. 59-61 oder Art. 63
StGB) erfüllt sind. Trifft dies zu, so ordnet das Gericht die entsprechende
Massnahme an. Andernfalls wird die Verwahrung nach neuem Recht weitergeführt.
Die Verwahrung ist unzulässig, wenn eine Massnahme nach Art. 59 StGB Erfolg
verspricht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit über die Dauer von fünf Jahren eine deutliche Verringerung
der Gefahr weiterer Straftaten im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB besteht. Die
bloss vage Möglichkeit einer Verringerung der Gefahr und die Erwartung einer
lediglich minimalen Verringerung reichen nicht aus. Eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit, dass nach einer stationären Behandlung von fünf Jahren auch
die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung aus der stationären Massnahme
gemäss Art. 62 Abs. 1 StGB erfüllt sind, ist hingegen nicht erforderlich (zum
Ganzen BGE 134 IV 315 E. 3.4.1). Solange die Gefahr besteht, dass der Täter
flieht oder weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen
Einrichtung behandelt. Er kann auch in einer Strafanstalt im Sinne von Art. 76
Abs. 2 StGB behandelt werden, sofern die nötige therapeutische Behandlung durch
Fachpersonal gewährleistet wird (Art. 59 Abs. 3 StGB).
Das Gericht stützt sich bei seinem Entscheid auf eine sachverständige
Begutachtung im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB (BGE 134 IV 315 E. 4.3.1; Urteil
6B_937/2008 6. Februar 2009 E. 2.1). Gutachten sind grundsätzlich frei zu
würdigen, jedoch darf das Gericht in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe von
ihnen abweichen (BGE 128 I 81 E. 2 S. 86; 136 II 539 E. 3.2; 139 II 185 E. 9.2
S. 197). Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in
wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur
Klärung dieser Zweifel zu erheben. Das Abstellen auf eine nicht schlüssige
Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen
kann gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE
138 III 193 E. 4.3.1 S. 198 f.; 136 II 539 E. 3.2; 133 II 384 E. 4.2.3; 130 I
337 E. 5.4.2).

4. 
Der psychiatrische Sachverständige bejaht in seinem Gutachten vom 4. Januar
2010 die grundsätzliche Behandelbarkeit des nach wie vor rückfallgefährlichen,
psychisch schwer gestörten Beschwerdeführers. Er empfiehlt eine stationäre
therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB. Eine psychiatrische
Behandlung sei jahrelang nicht zur Diskussion gestanden. Der Beschwerdeführer
habe die Notwendigkeit einer Therapie stets bestritten. Seine dranghaften
sexuell-sadistischen Fantasien, worunter er gemäss seinen Angaben auch im
Strafvollzug bis vor kurzem gelitten habe, seien einer rein
psychotherapeutischen Behandlung nur schwer zugänglich. Seit rund einem Jahr
habe er sich auf eine Therapie eingelassen. Grundlage sei die pharmakologische
Behandlung mit einem antiandrogenen Wirkstoff, die - obschon wenig erprobt -
durchaus vielversprechend sei. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei zu erwarten,
dass sich die Gefahr weiterer Straftaten erheblich vermindern lasse. Eine
stationäre Behandlung erscheine daher als durchaus aussichtsreich Die
Behandlung müsse allerdings während Jahren durchgeführt und ärztlich streng
überwacht werden. Der Beschwerdeführer arbeite konsequent mit. Wegen der
Borderline-Struktur seiner Persönlichkeit mit einer extremen Inkonstanz im
Selbstbild sei der weitere Behandlungsverlauf allerdings ungewiss (Entscheid
vom 3. Juli 2013, S. 18 f. und S. 21; Entscheid vom 5. Juni 2012, S. 73 f.).
Das psychiatrische Ergänzungsgutachten vom 20. Mai 2011 enthält in Bezug auf
die Frage der Behandelbarkeit des Beschwerdeführers keine darüber
hinausgehenden Erkenntnisse (Entscheid vom 3. Juli 2013, S. 21; vgl. kantonale
Akten, act. 203, Ergänzungsgutachten, S. 27 f.).
Auch die Therapeuten des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes (PPD) empfehlen
in ihren Berichten vom 9. Februar 2011 sowie 19. Januar 2010 eine stationäre
Massnahme. Die Behandlung des Beschwerdeführers präsentiere sich
erfolgversprechend. Aufgrund der ausgeprägten Störungsbilder seien langsam,
aber stetig Fortschritte erreicht worden. Der Beschwerdeführer stehe nach wie
vor am Beginn der deliktorientierten Behandlung und werde noch einige Jahre
brauchen, um sich ein - gemessen an der ausgeprägten Risikodisposition -
ausreichendes Risikomanagement erarbeiten zu können. Mittlerweile bestehe eine
tragfähige Grundlage für einen erfolgreichen Therapieverlauf. Der wichtigste
Therapiefortschritt stelle die Klärung der Deliktdynamik dar. Auf deren Boden
werde es mit guten Erfolgschancen möglich sein, ein vertieftes Verständnis der
Deliktsgeschichte zu erarbeiten. Unklar bleibe indes, ob die sadistische
Devianz - auch bei positivem Therapieverlauf - therapeutisch in ausreichendem
Mass angehbar sei. Ob durch einen erfolgreichen Therapieprozess ein ausreichend
deliktspräventives Niveau erarbeitet werden könne, sei erst langfristig anhand
des weiteren Therapieverlaufs zu beantworten (Entscheid vom 3. Juli 2013, S. 20
f.; Entscheid vom 5. Juni 2012, S. 74; kantonale Akten, act. 195, Bericht vom
9. Februar 2011).

5.

5.1. Die Vorinstanzen halten die Voraussetzungen für eine stationäre Massnahme
im Sinne von Art. 59 StGB nicht für gegeben. Nach ihrer Auffassung verneinen
der Gutachter und die Therapeuten des PPD die hinreichende Wahrscheinlichkeit
einer deutlichen Verringerung der Gefahr weiterer Straftaten über den
Fünfjahreshorizont im Sinne von BGE 134 IV 315. Das Obergericht, II.
Strafkammer, führt hiezu aus, die Experten blieben in ihren Einschätzungen
hinsichtlich des Zeitaspekts wie auch der Erwartung einer Verbesserung der
forensisch-psychiatrischen Grunddisposition des Beschwerdeführers und der
deutlichen Verringerung der Rückfallgefahr für die Begehung weiterer Delikte
äusserst vage. In Bezug auf den Behandlungshorizont sei wiederholt die Rede von
"Jahren", soweit ein derartiger Fortschritt nicht sogar grundsätzlich in Frage
gestellt werde (Entscheid vom 3. Juli 2013, S. 21 f.). Die III. Strafkammer
untermauert ihre aus Gutachten und Therapieberichten gewonnenen Erkenntnisse
zusätzlich mit der Therapieverlaufsdokumentation des PPD. Namentlich angesichts
des Umstands, dass von insgesamt 86 Therapiesitzungen in den Jahren 2008 bis
2011 nur 22 Sitzungen eine deliktorientierte Behandlung im engeren Sinne zum
Inhalt hatten, stellt sie die Massnahmefähigkeit des Beschwerdeführers und
dessen Bereitschaft infrage, sich der Psychotherapie ernsthaft zu unterziehen
(Entscheid vom 5. Juni 2012, S. 84 ff.).

5.2. Der Beschwerdeführer erhebt in seinen umfangreichen Beschwerdeschriften
eine Vielzahl von Rügen der Verletzung von Verfassungs- und Gesetzesrecht unter
Einschluss der kantonalen Strafprozessordnung. Im Wesentlichen rügt er eine
willkürliche Beweiswürdigung, eine damit einhergehende Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör, einen Verstoss gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip
und den Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie eine unrichtige Anwendung
von Bundesrecht (Art. 59 Abs. 3 StGB). Er macht geltend, der Gutachter und die
Therapeuten des PPD würden übereinstimmend eine stationäre Massnahme im Sinne
von Art. 59 Abs. 3 StGB empfehlen. Es bestünden keine triftigen Gründe, von der
fachärztlichen Einschätzung abzuweichen. Diese werde namentlich auch durch das
Therapieverlaufsprotokoll nicht in Frage gestellt. Bereits das Gutachten
Dittmann aus dem Jahre 1997 habe ihn für grundsätzlich behandelbar beurteilt.
Würde heute darauf abgestellt, wäre er auch danach nicht mehr zu verwahren.
Seiner Gefährlichkeit könne im Rahmen einer stationären Massnahme Rechnung
getragen werden, indem diese in einer Einrichtung gemäss Art. 59 Abs. 3 StGB
vollzogen werde. Die Verwahrung diene neu einzig der Isolierung
hochgefährlicher Täter, die keiner Behandlung zugänglich seien. Zu dieser
Täterkategorie gehöre er nicht.

6.

6.1. Soweit im Folgenden auf die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht
eingegangen wird, sind sie für die Entscheidfindung rechtlich nicht relevant
oder genügen sie den Begründungsanforderungen im Sinne von Art. 42 Abs. 2 und
Art. 106 Abs. 2 BGG nicht (vgl. BGE 138 IV 13 E. 2 S. 15;137 IV 1 E. 4.2.3; 136
II 489 E. 2.8).

6.2. Nicht einzutreten ist auf die erstmals vor Bundesgericht erhobenen Rügen,
Art. 3, 5, 6, 13 und 14 EMRK seien verletzt. Der Beschwerdeführer hätte diese
Einwände bereits im Verfahren der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde vorbringen
können und müssen. Der Grundsatz der Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs
und das Gebot von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) verbieten es, formelle
Rügen erst bei ungünstigem Verfahrensausgang zu erheben, wenn sie bereits
früher hätten vorgebracht werden können (BGE 135 I 91 E. 2.1 S. 93; siehe auch
Urteil 6B_424/2011 vom 12. September 2011 E. 1.3).

6.3. Die vom Beschwerdeführer eingeholte und dem Bundesgericht neu aufgelegte
Stellungnahme des PPD vom 29. Juli 2013 wurde nach dem Beschluss des
Obergerichts, II. Strafkammer, vom 3. Juli 2013 verfasst. Sie bleibt als
unzulässiges Novum unbeachtlich (Art. 99 BGG). Der angefochtene Entscheid gab
nicht Anlass, neue Beweismittel beizubringen.

6.4. Das Schreiben des PPD vom 5. Juli 2012, welches der Beschwerdeführer nach
dem Beschluss des Obergerichts, III. Strafkammer, vom 5. Juni 2012 einholen
liess, äussert sich nur in allgemeiner Weise zu deliktorientierten
Behandlungen. Zur Therapie des Beschwerdeführers und zum konkreten
Therapieverlauf spricht es sich nicht aus. Aus diesem Grund musste sich das
Obergericht, II. Strafkammer, nicht damit auseinanderzusetzen. Von Willkür
gemäss § 430 Abs. 1 Ziff. 4 aStPO oder einer Verletzung des rechtlichen Gehörs
kann keine Rede sein. Der Beschwerdeführer verkennt, dass sich die
vorinstanzlichen Gerichte nicht mit allen Parteistandpunkten befassen müssen.
Sie können sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (BGE
136 I 184 E. 2.2.1 S. 188, 229 sowie E. 5.2 S. 236).

6.5. Das Obergericht, III. Strafkammer, hat sich mit den Anträgen des
Beschwerdeführers rechtsgenügend befasst. Dessen Antrag auf Vornahme geeigneter
Untersuchungen zur Objektivierung der Wirksamkeit der Leuprorelin-Therapie (zur
Abschwächung der Geschlechtshormonproduktion) gab es insofern statt, als es
einen aktuellen Therapiebericht des PPD einholen liess, welcher sich hierzu
äussern sollte (kantonale Akten, act. 185, S. 5; siehe Therapiebericht vom 9.
Februar 2011, S. 16 f.). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt damit
ebenso wenig vor wie eine Aktenwidrigkeit im Sinne von § 430 Abs. 1 Ziff. 4
aStPO/ZH. Es kann auf die überzeugenden Ausführungen des Obergerichts, II.
Strafkammer, verwiesen werden (Entscheid, S. 10).

6.6. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sind Beweise frei, d.h. ohne
Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu
würdigen (BGE 125 V 351 E. 3a). Aufgrund der Diskrepanzen zwischen dem
Gutachten vom 4. Januar 2010 und dem (ersten) Therapiebericht des PPD vom 19.
Januar 2010 wurden ein (zweiter) Therapiebericht vom 9. Februar 2011, eine
Therapieverlaufsdokumentation und das Ergänzungsgutachten vom 20. Mai 2011
eingeholt. Die Vorinstanzen würdigen sämtliche Beweise. Darin liegt kein
Verstoss gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 284 aStPO/ZH) oder
das rechtliche Gehör. Dass einem Therapeuten nicht dieselbe Unabhängigkeit und
Neutralität wie einem amtlichen oder gerichtlichen Gutachter zukommt, führt im
Licht der freien Beweiswürdigung nicht dazu, dass Therapieberichten und
Therapieverlaufsdokumentationen die Beweiseignung und Verwertbarkeit
abgesprochen werden kann und darf. Diese stellen vielmehr grundsätzlich
verwertbare Beweismittel dar, die sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten eines
Betroffenen gewürdigt werden können. Mit der Verwertung und freien Würdigung
der Therapieberichte und der Therapieverlaufsdokumentation des PPD hat das
Obergericht, III. Strafkammer, weder gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) noch
gegen das kantonale Strafprozessrecht verstossen (Entscheid, S. 84). Das
Obergericht, II. Strafkammer, hat die dagegen erhobenen Vorbringen des
Beschwerdeführers ohne Verfassungs- oder Gesetzesverletzung abweisen dürfen.
Darauf kann verwiesen werden (Entscheid, S. 8 f).

6.7. Die Vorinstanzen beurteilen die Anforderungen an die Therapierbarkeit
richtigerweise anhand der in BGE 134 IV 315 wiedergegebenen Kriterien, wonach
eine stationäre therapeutische Massnahme nur anzuordnen ist, wenn die
hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Gefahr weiterer Straftaten im
Sinne von Art. 64 StGB innert fünf Jahren deutlich verringert werden kann
(vorstehend E. 3). Sie würdigen das Gutachten, die Therapieberichte und die
Therapieverlaufsdokumentation unter diesem Blickwinkel sachlich und ausgewogen.
Weder beantworten sie eigenständig forensisch-psychiatrische Fachfragen noch
rücken sie von der fachlichen Einschätzung insbesondere des gutachterlichen
Sachverständigen ab, so dass entgegen dem in der Beschwerde vertretenen
Standpunkt kein Anlass besteht oder bestand, weitere Beweise, etwa eine
Oberexpertise oder ein Ergänzungsgutachten, einzuholen (vgl. BGE 138 III 193 E.
4.3.1 S. 198 f.; 133 II 384 E. 4.2.3 S. 391; 132 II 257 E. 4.4.1 S. 269).
Die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen zur Therapierbarkeit des
Beschwerdeführers sind mit den Darlegungen der psychiatrischen Experten
vereinbar. Die Erkenntnisse, welche das Obergericht, II. Strafkammer,
zusätzlich aus dem Therapieverlaufsprotokoll ableitet, gehen nicht über das
Gutachten hinaus. Dass sowohl der Gutachter als auch die Therapeuten den
Beschwerdeführer als grundsätzlich behandelbar beurteilen und in diesem
Zusammenhang eine Massnahme nach Art. 59 StGB empfehlen, verkennen die
Vorinstanzen nicht. Sie gehen vielmehr uneingeschränkt davon aus. Sie kommen
jedoch zum Ergebnis, es bestehe beim Beschwerdeführer keine hinreichende
Wahrscheinlichkeit, dass sich durch eine stationäre Massnahme über die Dauer
von 5 Jahren die Gefahr weiterer Straftaten deutlich verringern lasse
(Entscheid vom 5. Juni 2012, S. 84 f.; Entscheid vom 3. Juli 2013, S. 20 f.).
Auch mit dieser Schlussfolgerung weichen die Vorinstanzen in Bezug auf die
rechtlich relevanten Tatfragen nicht von der Einschätzung der Fachleute ab. Sie
lässt sich vielmehr auf die Ausführungen der Experten zum insgesamt
langwierigen und im Ergebnis ungewissen Behandlungsverlauf stützen, auf die
eher spärliche Anzahl Therapiesitzungen mit deliktorientiertem Inhalt von 2008
bis 2011 sowie auf die Zweifel der Fachleute, ob die sexuelle Devianz
(Sadismus) des Beschwerdeführers therapeutisch überhaupt "angehbar" sei. Im
Übrigen weisen der Gutachter und die Therapeuten übereinstimmend darauf hin,
niemand könne mit Sicherheit ausschliessen, dass der Beschwerdeführer nicht
alle hinters Licht führen und raffiniert über seine wahren Absichten
hinwegtäuschen könnte (kantonale Akten, act. 203, Ergänzungsgutachten, S. 24/
25; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Kontaktanzeige des Beschwerdeführers
"Achtung! Liebes Monster sucht Unschuldslamm für scheussliche Sachen auf
Papier; vorerst!", welche dieser nach rund einjähriger Therapie im Februar 2010
in einer Zeitung zu platzieren versuchte [Entscheid vom 3. Juli 2013, S. 22
f.]).
Unter diesen Umständen kann von einer willkürlichen Beweiswürdigung
(einschliesslich Aktenwidrigkeiten im Sinne von § 430 Abs. 1 Ziff. 5 StPO/ZH)
keine Rede sein. Inwiefern die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen unhaltbar
sein könnten, zeigt der Beschwerdeführer bei seiner Kritik denn auch nicht auf.
Er beschränkt sich vielmehr darauf, das Gutachten und die Therapieberichte
unter Berufung auf die Massnahmeempfehlung der Experten so auszulegen, wie es
ihm richtig scheint. Damit kann Willkür nicht begründet werden. Unbeachtlich
ist, dass die Vorinstanzen zum Gutachten Dittmann vom 6. Januar 1997 nicht
explizit Stellung nahmen, zumal sich daraus in Bezug auf die Behandelbarkeit
nichts Gegenteiliges ergibt. Der Sachverständige ging schon damals von einer
nicht absolut untherapierbaren Störung des Beschwerdeführers aus, schätzte die
Heilungschancen allerdings selbst bei sehr komplexer Therapie als ungewiss ein
(vgl. kantonale Akten, act. 3, Urteil des Geschworenengerichts, S. 169 und S.
171, s.a. auch Entscheid vom 5. Juni 2012, S. 12).

6.8. Die für die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme gemäss
Art. 59 StGB vorausgesetzte hinreichende Wahrscheinlichkeit einer deutlichen
Verringerung der Gefahr weiterer Straftaten innert fünf Jahren ist damit nach
der zutreffenden Auffassung der Vorinstanzen nicht gegeben. Die Verwahrung ist
aus diesem Grunde weiterzuführen. Das ist angesichts der nach wie vor
bestehenden Rückfallgefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht
unverhältnismässig. Der Grundsatz der Verwahrung als "ultima ratio" ist nicht
tangiert (vgl. BGE 139 IV 57 E. 1.3.3 mit weiteren Hinweisen). Die
vorinstanzlichen Beschlüsse verletzen weder Verfassungs- noch Gesetzesrecht.

7. 
Die Beschwerden sind abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung sind gutzuheissen.
Die finanzielle Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ist ausgewiesen. Die
Beschwerden waren nicht von vornherein aussichtslos, da die Sachverständigen
den Beschwerdeführer als grundsätzlich behandelbar beurteilen und in diesem
Zusammenhang eine Massnahme nach Art. 59 StGB empfohlen haben (Art. 64 BGG). Es
sind keine Kosten zu erheben. Der Vertreter des Beschwerdeführers ist für das
Verfahren vor Bundesgericht aus der Bundesgerichtskasse angemessen zu
entschädigen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerden 6B_409/2012 und 6B_726/2013 werden abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

2. 
Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung werden
gutgeheissen.

3. 
Es werden keine Kosten erhoben.

4. 
Der Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Jürg Oskar Luginbühl, wird
aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Februar 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill

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