Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.399/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_399/2012

Urteil vom 12. November 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Guy Reich,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
2. Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Gian Reto Pedolin,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Fahrlässige Körperverletzung etc.; Willkür,
rechtliches Gehör etc.,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 20. Februar 2012.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl erhob am 6. Juli 2011 Anklage gegen
Y.________ wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1
StGB und fahrlässiger grober Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff.
2 i.V.m. Art. 34 Abs. 3 SVG. Der Anklage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Y.________ fuhr am 12. August 2009 um ca. 13.15 Uhr auf der Überholspur der
Autobahn in Fahrtrichtung St. Gallen. Als aufgrund einer Baustelle der Abbau
der Überholspur nach 500 Metern signalisiert wurde, fuhr sie zunächst auf der
Überholspur weiter. Kurz vor dem ersten die Überholspur reduzierenden Leitbaken
lenkte sie nach rechts ein, um dem in spitzem Winkel erfolgenden Übergang der
Überholspur in die Normalspur zu folgen. Dabei kam es bei einer Geschwindigkeit
von rund 60 km/h zu einer seitlichen Streifkollision mit dem auf der Normalspur
fahrenden Personenwagen von X.________. Durch die Kollision entstand an beiden
Fahrzeugen Sachschaden. Nachdem sein Fahrzeug zum Stillstand gekommen war
verlor X.________ mutmasslich zufolge eines Schockzustands vorübergehend das
Bewusstsein.

B.
Das Bezirksgericht Winterthur sprach Y.________ am 15. September 2011
vollumfänglich frei. Die Zivilforderungen von X.________ (Schadenersatz und
Genugtuung, je dem Grundsatz nach) verwies es auf den Zivilprozess.
Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 20. Februar 2012 das
erstinstanzliche Urteil. Es führt zusammengefasst aus, eine Pflichtwidrigkeit
von Y.________ beim Wechsel des Fahrstreifens sei nicht rechtsgenügend
erstellt. Nicht ausgeschlossen sei, dass sie das Überholmanöver (bis auf das
Wiedereinbiegen) abschloss, X.________ die Geschwindigkeit aber wieder erhöhte,
weshalb ihr ein Wiedereinbiegen vor dem Abbau der Überholspur nicht rechtzeitig
möglich war.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, den angefochtenen
Entscheid aufzuheben und Y.________ anklagegemäss schuldig zu sprechen bzw. die
Sache zur entsprechenden Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Y.________ sei zudem dem Grundsatz nach zu verpflichten, ihm den Schaden im
Zusammenhang mit der Körperverletzung zu bezahlen.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung.

1.1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer
vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur
Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Die
Privatklägerschaft hat gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ein rechtlich
geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen
Entscheids, wenn dieser sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken
kann. Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich
erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen
(Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen
Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO).

1.2 Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG setzt im Falle eines Freispruchs
grundsätzlich voraus, dass der Privatkläger, soweit zumutbar, seine
Zivilansprüche aus strafbarer Handlung im Strafverfahren geltend gemacht hat (
BGE 137 IV 246 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Erhebt er im Strafverfahren keine
Zivilansprüche gegen den Beschuldigten, hat er in der Beschwerde an das
Bundesgericht einerseits darzulegen, weshalb er dies unterliess, und
andererseits darzutun, auf welchen Zivilanspruch sich der angefochtene
Entscheid auswirken kann. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen
nicht, ist darauf nicht einzutreten, es sei denn, die Antworten auf diese
Fragen ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen des Falles (BGE 127 IV 185
E. 1 mit Hinweisen). An dieser Rechtsprechung zum früheren Recht ist unter der
am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Fassung von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5
BGG festzuhalten (vgl. BGE 137 IV 246 E. 1.3.1).

2.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die bei einem Verkehrsunfall
verletzte Person allein in Bezug auf die Straftat der fahrlässigen
Körperverletzung unmittelbar beeinträchtigt, nicht jedoch hinsichtlich der vom
anderen Verkehrsteilnehmer begangenen Straftaten der Verletzung von
Verkehrsregeln oder des Fahrens in angetrunkenem Zustand (BGE 129 IV 95 E. 3.1;
122 IV 71 E. 3a). Das Bundesgericht liess in dem zur Publikation vorgesehenen
Urteil 1B_432/2011 vom 20. September 2012 offen, ob an dieser Rechtsprechung
festzuhalten ist und die verletzte Person am Strafverfahren wegen grober
Verkehrsregelverletzung folglich nicht als Geschädigte teilnehmen kann (a.a.O.,
E. 3.1.3). Es entschied jedoch, dass die Verkehrsregeln des SVG jedenfalls das
Eigentum bzw. das Vermögen der Verkehrsteilnehmer nur mittelbar schützen. Der
Kollisionsbeteiligte, der bloss Sachschaden erlitten hat, ist im Strafverfahren
gegen den Schädiger wegen Verkehrsregelverletzung daher nicht Geschädigter im
Sinne von Art. 115 und Art. 118 StPO. Entsprechend fehlt ihm die Legitimation
zur Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (Urteil
1B_432/2011 vom 20. September 2012 E. 2-4, zur Publikation vorgesehen; vgl.
auch das Urteil 1B_389/2012 vom 10. Oktober 2012).
Allfällige Zivilansprüche des Beschwerdeführers aus dem in der Anklage
erwähnten Sachschaden begründen keine Beschwerdelegitimation im Sinne von Art.
81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG. Gegenteiliges wird vom Beschwerdeführer auch
nicht behauptet.

3.
Der Beschwerdegegnerin 2 wird in der Anklage nebst der groben
Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG auch fahrlässige
Körperverletzung zum Nachteil des Beschwerdeführers vorgeworfen, da dieser
vorübergehend das Bewusstsein verloren habe.
Der Beschwerdeführer macht im Zusammenhang mit der angeklagten Körperverletzung
keine Zivilforderungen geltend, sondern beschränkt sich darauf, ohne Begründung
deren Anerkennung im Grundsatz zu beantragen. Er zeigt in seiner Beschwerde
auch nicht auf, unter welchem Titel er solche Zivilansprüche gegen die
Beschwerdegegnerin 2 zu erheben gedenkt, und weshalb er es unterliess, den
behaupteten Schadenersatz- und Genugtuungsanspruch im Strafverfahren zu
beziffern. Dies ist auch nicht ohne Weiteres ersichtlich. Die
Beschwerdelegitimation im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist auch
in dieser Hinsicht zu verneinen (oben E. 1.2).

4.
4.1 Die Vorinstanz geht davon aus, der vorübergehende Bewusstseinsverlust des
Beschwerdeführers komme einem krankhaften Zustand gleich (Urteil S. 6).
Insoweit hat dieser als Geschädigter im Sinne von Art. 115 Abs. 1 und Art. 118
Abs. 1 StPO zu gelten. Ist der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Partei,
fehlt es ihm aber an der Beschwerdelegitimation im Sinne von Art. 81 Abs. 1
lit. b Ziff. 5 BGG, kann er mit der Beschwerde in Strafsachen ungeachtet seiner
Legitimation in der Sache selber eine Verletzung seiner Parteirechte rügen, die
ihm nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und
deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig
sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt
werden können. Das nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG erforderliche rechtlich
geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren
teilzunehmen (BGE 136 IV 29 E. 1.9; 136 IV 41 E. 1.4; Urteil 1B_432/2011 vom
20. September 2012 E. 5, zur Publikation vorgesehen).

4.2 Eine formelle Rechtsverweigerung im erwähnten Sinne macht der
Beschwerdeführer nicht geltend. Die gerügte Verweigerung des rechtlichen Gehörs
bzw. die Verletzung der Begründungspflicht (Beschwerde Ziff. 3 S. 3) zielt im
Ergebnis auf eine materielle Prüfung des angefochtenen Entscheids ab. Auf eine
solche hat der in der Sache selbst nicht legitimierte Beschwerdeführer keinen
Anspruch (vgl. BGE 136 IV 41 E. 1.4 mit Hinweisen).

5.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Die Gerichtskosten sind dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. November 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld