Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.371/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_371/2012

Urteil vom 22. Oktober 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Schöbi,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jascha Schneider-Marfels,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfache Widerhandlung gegen das BetmG; mehrfache Urkundenfälschung; mehrfache
Geldwäscherei; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, 4. Abteilung,
vom 16. März 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ war im Deliktzeitraum vom 1. Dezember 2006 bis zum 25. September
2007 als Inhaber der Y.________ GmbH faktisch Pächter und Geschäftsführer des
Restaurants Z.________ in A.________, welches formell von seiner Tochter
geführt wurde. Ihm wird insbesondere die Mitwirkung am Drogenhandel und eine
nur teilweise buchhalterische Erfassung des Umsatzes im Restaurant vorgeworfen,
weil er im Deliktzeitraum Einnahmen von Fr. 315'518.55 nicht deklariert hatte.

B.
Das Obergericht des Kantons Luzern fand am 16. März 2012 X.________
zweitinstanzlich der mehrfachen Widerhandlung gegen aArt. 19 Ziff. 1 i.V.m.
Ziff. 2 lit. a BetmG, der mehrfachen Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB,
teilweise i.V.m. Art. 29 StGB) sowie der mehrfachen Geldwäscherei schuldig. Es
sprach ihn vom Vorwurf der mehrfachen bandenmässigen Widerhandlung gegen das
BetmG frei und stellte die Rechtskraft des kriminalgerichtlichen Schuldspruchs
wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das ANAG fest. Es verurteilte ihn zu einer
Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten (unter Anrechnung von 35 Tagen
Untersuchungshaft) und widerrief den vom Strafbefehlsrichter Basel-Stadt
bedingt ausgesprochenen Vollzug einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr.
150.--.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das
obergerichtliche Urteil mit Ausnahme der Ziff. 1 (Widerhandlungen gegen das
ANAG), Ziff. 3 (Freispruch von der bandenmässigen Widerhandlung gegen das
BetmG) und Ziff. 7 (Verzicht auf Ersatzforderung gemäss Art. 71 StGB)
aufzuheben, ihn von der mehrfachen schweren Widerhandlung gegen das BetmG, der
mehrfachen Urkundenfälschung sowie der mehrfachen Geldwäscherei freizusprechen,
sämtliche sichergestellten und beschlagnahmten Gelder und Gegenstände (bis auf
das Marihuana) herauszugeben sowie eventualiter das Urteil aufzuheben und an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG).

Der Beschwerdeführer bestreitet den Sachverhalt, ohne Willkür in der
Beweiswürdigung oder die Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo
substanziiert zu begründen. Seine Vorbringen sind appellatorisch. Darauf ist
nicht einzutreten (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 am Ende).

2.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen
mittäterschaftlich begangener mehrfacher schwerer Widerhandlung gegen das BetmG
und macht im Eventualstandpunkt geltend, es sei von Gehilfenschaft auszugehen.

2.1 Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdeführer den Drogenhandel in
seinem Restaurant bestens kannte und tolerierte. Er nahm von mindestens fünf
Dealern systematisch Geld und Mobiltelefone zur Aufbewahrung entgegen, um diese
vor den Strafverfolgungsbehörden zu verstecken. Die Vorinstanz geht für den
Deliktszeitraum von einer hochgerechneten Mindestmenge von 1,75 kg Kokain und
einem errechneten Deliktsbetrag von Fr. 175'000.-- aus. Der Beschwerdeführer
habe den Drogenhandel nicht bloss geduldet. Er und das angewiesene Personal
hätten das Drogengeld und die Mobiltelefone entgegengenommen, die Mobiltelefone
beschriftet sowie die hinterlegten Geldbeträge notiert und damit aktiv am
Drogenhandel mitgewirkt. Er habe das Restaurant nicht bloss für den
Drogenhandel zur Verfügung gestellt. Das Restaurant sei als Drogenumschlagplatz
bestens bekannt gewesen. Es habe jederzeit mit Polizeikontrollen gerechnet
werden müssen. Die Gewerbepolizei habe ihm mehrere Auflagen gemacht. Ohne seine
Mitwirkung wäre der Drogenhandel unter diesen Umständen zu riskant gewesen. Die
Dealer seien von seiner Mitwirkung abhängig gewesen.

2.2 Gehilfe ist, wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe
leistet (Art. 25 StGB). Der Gehilfe fördert eine Tat, wenn er sie durch einen
untergeordneten Tatbeitrag unterstützt (BGE 129 IV 124 E. 3.2; 133 IV 187 E.
3.2). Dies kann bei einer Pannenhilfe (BGE 113 IV 90 E. 2b) oder der blossen
Zurverfügungstellung einer Garage anzunehmen sein (Urteil 6P.110/2004 und
6S.326.2004 vom 21. Dezember 2004 E. II/3), nicht aber beim
"Zurverfügungstellen" einer Firma, indem deren Mittel und Dienstleistungen für
den Drogenhandel benützt werden (vgl. Urteil 6B_608/2011 vom 26. April 2012 E.
2).

Der Beschwerdeführer missachtete die Auflagen der Gewerbepolizei und
ermöglichte dadurch den Drogenhandel in seinem Restaurant. Er instruierte sein
Personal zu diesem Zwecke. Er nahm Drogengeld und Mobiltelefone zur
Aufbewahrung entgegen und schützte damit die Dealer vor dem Zugriff der
Strafverfolgungsbehörden. Der Drogenhandel wäre ohne seine Mitwirkung in dieser
Form im Restaurant nicht möglich gewesen. Es kann nicht mehr von Gehilfenschaft
ausgegangen werden. Sein Tatbeitrag war nach den Umständen für die
Tatausführung so wesentlich, "dass sie mit ihm steht oder fällt" (BGE 118 IV
397 E. 2b). Die Vorinstanz nimmt zutreffend Mittäterschaft des
Beschwerdeführers an.

3.
Der Beschwerdeführer bringt gegen den Schuldspruch wegen mehrfacher
Geldwäscherei vor, die verbrecherische Herkunft des Geldes sei nicht erwiesen.
Werde Geldwäscherei bejaht, sei zu beachten, dass er nicht gewusst habe, dass
das Geld aus dem Drogenhandel stamme und die Mobiltelefone dazu gedient hätten.

Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe Drogengeld im Umfang von
mindestens Fr. 175'000.-- zur vorübergehenden Aufbewahrung im Wissen
entgegengenommen, dass es damit dem Zugriff der Polizei entzogen sei oder ein
Zugriff zumindest erschwert werde.

Die verbrecherische Herkunft des Geldes ist erstellt (oben E. 1). Die
Bestreitung des Vorsatzes ist unbegründet (vgl. BGE 119 IV 242 E. 2). Der
Geldwäscherei kann sich auch schuldig machen, wer Vermögenswerte wäscht, die er
selber durch ein Verbrechen erlangt hat (BGE 122 IV 211 E. 3). Die Vorinstanz
beurteilt den Tatbestand der mehrfachen Geldwäscherei zu Recht als erfüllt
(a.a.O., E. 2b).

4.
Der Beschwerdeführer trägt zum Schuldspruch wegen mehrfacher Urkundenfälschung
vor, es sei zweifelhaft, ob dieser Tatbestand durch Unterlassung begangen
werden könne. Das Nichttippen von Einnahmen in eine Registrierkasse sei kein
aktives Tun. Anders als in BGE 100 IV 23 seien in seinem Fall allein die
Angaben im Kassaheft vollständig. Nur diese Angaben dienten als Beweis. Den
Kassastreifen fehlten Bestimmung und Eignung zum Beweis. Er habe nicht
vorsätzlich gehandelt. Er habe nicht gewusst, dass er sich mit der Anweisung an
sein Personal, in Stosszeiten nicht sämtliche Einnahmen zu tippen, strafbar
mache. Hätte er die Absicht gehabt, jemanden zu schädigen, hätte er nicht ein
Kassabuch geführt. Er habe auch niemanden täuschen wollen. Die Registrierkasse
sei für den internen Gebrauch bestimmt gewesen.

Die Vorinstanz stellt fest, in der Deliktszeit seien auf Anweisung des
Beschwerdeführers nur etwa ein Fünftel der Einnahmen im Restaurant in die
Registrierkasse getippt und Konsumationen in der Höhe von Fr. 315'518.55 nicht
erfasst worden. Das Personal habe die Tagesein-nahmen jeweils dem
Beschwerdeführer übergeben müssen. Nur die Kontrollstreifen der Registrierkasse
hätten Bestandteil der Buchhaltung bilden sollen. Die Angaben des
Beschwerdeführers seien als Schutzbehauptungen zu werten.

Falschbeurkundung ist das Erstellen einer echten, aber unwahren Urkunde. Sie
erfordert eine qualifizierte schriftliche Lüge. Eine solche wird nur
angenommen, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der
Adressat ihr daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt (BGE 138 IV 130 E.
2.1). Dies ist der Fall bei der kaufmännischen Buchführung (BGE 132 IV 12 E.
8.1). Die Kontrollstreifen einer Registrierkasse sind Urkunden, weil wegen der
Buchführungspflicht des Geschäftsinhabers vermutet wird, der Kassastreifen gebe
wahrheitsgemäss und lückenlos Aufschluss, und zwar unabhängig davon, ob er
allein oder nur zusammen mit andern Unterlagen zum Beweis taugt (BGE 100 IV 23
E. 1). Durch die Auslassung vereinzelter Einnahmen, die pflichtgemäss hätten
aufgezeichnet werden sollen, werden die Betriebsergebnisse ebenso wie durch
wahrheitswidriges Tippen einzelner Zahlungen gefälscht (BGE 91 IV 6 E. 1 S. 8).
Falschbeurkundung kann ebenso durch Unterlassen ("Auslassung") wie durch Tun
("wahrheitswidriges Tippen") begangen werden (vgl. MARKUS BOOG, in: Basler
Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl., Art. 251 N 52).

Der Beschwerdeführer bzw. sein Personal haben die Einnahmen in ein Kassaheft
eingetragen und unvollständig in die Registrierkasse eingetippt. Sie erstellten
falsche Buchungsbelege. In dieser Betrachtungsweise liegt ein aktives Tun vor.
Die Belege waren für die Geschäftsbuchhaltung bestimmt und sollten gegenüber
den Steuerbehörden geringere Einnahmen ausweisen (Urteil S. 17). Schädigungs-
und Vorteilsabsicht sowie Täuschungsvorsatz sind gegeben. Der Tatbestand von
Art. 251 Ziff. 1 StGB ist auch subjektiv erfüllt.

5.
Die übrigen Rechtsbegehren sind für den Fall einer Gutheissung der Beschwerde
gestellt und nicht begründet. Darauf ist nicht einzutreten.

Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren
abzuweisen (Art. 64 BGG). Seiner finanziellen Lage (Urteil S. 22) ist mit
herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 und Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, 4.
Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Oktober 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Briw