Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.330/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_330/2012

Urteil vom 14. Januar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Steiner,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Versuchte vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung; Strafzumessung;
Willkür,
rechtliches Gehör,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom
23. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Das Kreisgericht Werdenberg-Sargans verurteilte X.________ am 22. August
2007 wegen schwerer Körperverletzung und versuchter vorsätzlicher Tötung zum
Nachteil von Y.________ zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren. Das
Kantonsgericht St. Gallen sprach X.________ am 12. Juni 2008 auf dessen
Berufung hin vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung frei und bestrafte
ihn wegen schwerer Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren.
A.b Sowohl X.________ als auch die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons St.
Gallen gelangten mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Dieses
wies die Beschwerde von X.________ am 20. März 2009 ab, soweit es darauf
eintrat (6B_781/2008). Es hiess hingegen diejenige der Oberstaatsanwaltschaft
gut (6B_780/2008). Das Bundesgericht bezeichnete die Beweiswürdigung des
Kantonsgerichts im Anklagepunkt der versuchten vorsätzlichen Tötung als
einseitig. X.________ habe zugegeben, mit dem Baseballschläger beidhändig auf
den (Hinter-)Kopf von Y.________ eingeschlagen zu haben. Er habe eingeräumt zu
wissen, dass Schläge mit dem Baseballschläger auf den Kopf eines Menschen
tödlich sein könnten. Er habe die Tat vorbereitet und sei im Tatzeitpunkt
einsichtsfähig gewesen. Der kantonsgerichtliche Schluss, er habe sich keine
Gedanken darüber gemacht, ob das Opfer infolge seines Tuns behindert werden
oder gar sterben könnte, sei nicht haltbar. Unerheblich sei, dass er keine
Schuss- oder Stichwaffe mit sich geführt habe. Massgebend sei der konkrete
Einsatz des Baseballschlägers, der vorliegend zu lebensgefährlichen
Verletzungen geführt habe. Das Bundesgericht wies die Angelegenheit zur neuen
Beweiswürdigung an das Kantonsgericht zurück. Ausgehend davon werde dieses
beurteilen müssen, ob auf eine eventualvorsätzliche versuchte Tötung zu
schliessen sei (Urteil 6B_780/2008 vom 20. März 2009 E. 3.1.5 und E. 3.1.6).
A.c Am 15. Dezember 2009 sprach das Kantonsgericht St. Gallen X.________ der
versuchten vorsätzlichen Tötung und der schweren Körperverletzung schuldig.
Über den Sanktionspunkt befand es nicht. Es holte zur Frage der Notwendigkeit
und Zweckmässigkeit einer Massnahme ein Gutachten ein. Dieses erwies sich als
derart mangelhaft, dass das Kantonsgericht am 6. April 2011 entschied, ein
neues Gutachten einzuholen, welches Prof. Dr. A.________, Institut für
Konfliktmanagement (IKM) Zürich, am 27. September 2011 erstellte. Der
Sachverständige äusserte sich darin sowie anlässlich seiner Befragung vor
Kantonsgericht unter anderem zur Persönlichkeitsstruktur sowie zur
Schuldfähigkeit von X.________ (kantonale Akten, act. RW/65, act. RW/79).
A.d Am 23. Januar 2012 verurteilte das Kantonsgericht St. Gallen X.________
wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und schwerer Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 17
Tagen (Ziffer 1 des Urteilsdispositivs). Eine Massnahme im Sinne von Art. 61
StGB ordnete es nicht an. Die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegte es
X.________ zu vier Fünfteln (Ziffer 3 des Urteilsdispositivs).

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, es seien Ziffer 1 und 3 des
Dispositivs des Urteils des Kantonsgerichts St. Gallen vom 23. Januar 2012
aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

C.
Das Kantonsgericht St. Gallen und die Oberstaatsanwaltschaft verzichten auf
Vernehmlassungen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht fällte den Rückweisungsentscheid 6B_780/2008 am 20. März 2009
und somit vor dem Inkrafttreten der eidgenössischen Strafprozessordnung am 1.
Januar 2011 (StPO; SR 312.0). Auf das neue Verfahren ist nicht die StPO,
sondern das bisherige, bis zum 31. Dezember 2010 geltende Strafprozessgesetz
des Kantons St. Gallen anwendbar (vgl. Urteil 6B_425/2011 vom 10. April 2012 E.
2).

2.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) und
des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 StGB) geltend. Die Vorinstanz gehe vom
Sachverhalt aus, wie er im Rückweisungsentscheid vorgegeben werde (Entscheid,
S. 6 f.). Das Bundesgericht habe in diesem Zusammenhang festgestellt, dass der
konkrete Einsatz des Baseballschlägers zu lebensgefährlichen Verletzungen
geführt habe und er - der Beschwerdeführer - bei der Tatbegehung einsichtsfähig
gewesen sei (Rückweisungsentscheid, S. 10 f.). Diese tatsächlichen Annahmen,
woran sich die Vorinstanz gebunden fühle, stünden einerseits im Widerspruch zum
Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin vom 19. Juni 2006 und liessen sich
andererseits angesichts der neuen gutachterlichen Erkenntnisse zur Frage seiner
Schuldfähigkeit nicht aufrechterhalten. Sie seien für die rechtliche
Qualifikation der Tat als versuchte vorsätzliche Tötung und die Strafzumessung
relevant und nach Art. 105 Abs. 2 BGG zu korrigieren (Beschwerde, S. 8 ff.).
Der Beschwerdeführer beanstandet weiter die Strafzumessung (Art. 63 ff. aStGB
bzw. Art. 47 ff. StGB). Bei der Frage der Schuldfähigkeit gehe es um die
persönliche Vorwerfbarkeit der Tat. Die Vorinstanz halte an der ursprünglichen
Beurteilung seiner Schuldfähigkeit fest, wonach er bei der Tatausführung
uneingeschränkt einsichts- und steuerungsfähig gewesen sei. Auf das neue
Gutachten gehe sie nicht ein. Nach der Einschätzung des neuen Gutachters sei er
in seiner Schuldfähigkeit bei der Tatausführung mittel- bis schwergradig
beeinträchtigt gewesen, was sich auf die Beurteilung seines Verschuldens und
auf die Einsatzstrafe massgeblich auswirken müsse (Beschwerde, S. 11, S. 13
ff.). Weiter verkenne die Vorinstanz, dass die Tatbestände der Tötung und
schweren Körperverletzung in unechter Konkurrenz stünden. Der Schuldspruch der
schweren Körperverletzung könne sich nicht straferhöhend auswirken (Beschwerde,
S. 16 f.). Die Vorinstanz trage auch dem Umstand, dass es beim Versuch
geblieben sei, angesichts des effektiv verursachten Verletzungsbilds zu wenig
Rechnung (Beschwerde, S. 18). Sie nehme überdies pauschale Strafminderungen
vor, die sich jeder differenzierten Kritik entzögen (Beschwerde, S. 18 ff.),
und stelle die lange Verfahrensdauer und sein Wohlverhalten (Art. 48 lit. e
StGB) ebenso wenig wie die Verletzung des Beschleunigungsgebots in Rechnung
(Beschwerde, S. 20 ff.). Die Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren sei im Vergleich zu
den Mittätern, die mit Einschliessungsstrafen davongekommen seien, zu hoch
(Beschwerde, S. 21 ff.).

3.
Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 2 BGG).
Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die
Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit
Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 138 I 49 E. 7.1; 136 III 552 E. 4, je
mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss klar und substanziiert begründet
werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65
E. 1.3.1, je mit Hinweisen).
Im Falle eines Rückweisungsentscheids hat die mit der Neubeurteilung befasste
kantonale Instanz die rechtliche Beurteilung, mit der die Rückweisung begründet
wird, ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Diese Beurteilung bindet auch das
Bundesgericht, falls ihm die Sache erneut unterbreitet wird. Wegen dieser
Bindung der Gerichte ist es ihnen wie auch den Parteien, abgesehen von
allenfalls zulässigen Noven, verwehrt, der Beurteilung einen anderen als den
bisherigen Sachverhalt zu unterstellen oder die Sache unter rechtlichen
Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt
oder überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind (BGE 135 III 334 E. 2 und
E. 2.1 S. 335 f.; Urteil 6B_35/2012 vom 30. März 2012 E. 2.2; je mit
Hinweisen).
Die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 63 aStGB bzw. Art. 47 ff. StGB hat
das Bundesgericht wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. mit
Hinweisen). Es greift in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den
gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich
nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist, wesentliche Gesichtspunkte ausser
Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch
gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61 mit Hinweis).

4.
4.1 Es steht fest, dass der Beschwerdeführer mit dem Baseballschläger
wiederholt und "beidhändig" auf den (Hinter-)Kopf des wehrlos am Boden
liegenden Opfers einschlug, welches seine Hände schützend vor den (Hinter-)Kopf
hielt (Entscheid, S. 7, S. 9).

4.2 Mehrfache Schläge mit einem Baseballschläger gegen den Kopf eines Menschen
sind geeignet, lebensgefährliche oder gar tödliche Verletzungen herbeizuführen.
Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer schweren Körperverletzung mit
tödlichen Folgen ist gross. Das gilt auch, wenn das Opfer den Kopf mit seinen
Händen zu schützen versucht. Der Beschwerdeführer war sich gemäss seinen
eigenen Aussagen bewusst, dass Schläge mit einem Baseballschläger gegen den für
schwerste Verletzungen anfälligen Kopf eines Menschen tödlich sein können (vgl.
Entscheid, S. 7 mit Hinweis auf Einvernahmen).

4.3 Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie unter den gegebenen
Umständen das Wissen um die Möglichkeit schwerer oder gar tödlicher
Verletzungen bejaht und dem Beschwerdeführer vorwirft, er habe mit den Schlägen
gegen den Kopf des Opfers tödliche Verletzungsfolgen für den Fall ihres
Eintritts im Sinne von Art. 111 StGB in Kauf genommen. Die Annahme eines
eventualvorsätzlichen Tötungsversuchs verstösst nicht gegen Bundesrecht.

4.4 Ob die Schläge mit dem Baseballschläger konkret lebensgefährliche
Verletzungen zur Folge hatten oder nicht und der Beschwerdeführer im
Tatzeitpunkt einsichtsfähig war, ist für die rechtliche Qualifikation der Tat
als eventualvorsätzliche Tötung und damit für den Ausgang des Verfahrens gemäss
Art. 97 BGG nicht massgeblich. Eine Sachverhaltskorrektur im Sinne von Art. 105
Abs. 2 BGG, wie sie der Beschwerdeführer hinsichtlich der beanstandeten
Feststellungen fordert, entfällt. Die Beschwerde ist in diesem Punkt
unbegründet.

5.
5.1 Das Bundesgericht beurteilte die Frage der Schuldfähigkeit des
Beschwerdeführers im Rückweisungsentscheid nicht definitiv. Es stellte
lediglich fest, die Vorinstanz habe in vorweggenommener Beweiswürdigung auf ein
psychiatrisches Obergutachten verzichten dürfen (Rückweisungsentscheid 6B_780/
2008, E. 2.3.3 S. 7). Die vom Beschwerdeführer als falsch beanstandete
Äusserung, er sei bei der Tatbegehung einsichtsfähig gewesen (vgl.
Rückweisungsentscheid 6B_780/2008, E. 3.1.5 S. 10), steht im Kontext mit den
Erwägungen des Bundesgerichts zur Frage des Eventualvorsatzes in Bezug auf
einen allfälligen Tötungsversuch. Sie bildet nicht das Ergebnis einer
rechtlichen Prüfung der Schuldfähigkeitsfrage und entfaltet für das weitere
Verfahren, insbesondere für die noch offene Strafzumessung, keine
Verbindlichkeit. Davon ging (zu Recht) auch die Vorinstanz aus. Sie holte im
Rückweisungsverfahren ein Zweitgutachten ein und befragte den Sachverständigen
auch zur Schuldfähigkeit.

5.2 Der Sachverständige äussert sich im Zweitgutachten zur
Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers. Auf ausdrückliche Frage hin
diskutierte er die Diagnosestellung des ersten Gerichtsgutachters und die
Zweifel, die bereits der Therapeut des Beschwerdeführers daran hatte (vgl.
kantonale Akten, Gutachten, act. RW/65 S. 11 Ziff. 7.5). Diesen Punkt nahm der
Sachverständige anlässlich der vorinstanzlichen Verhandlung auf ausdrückliche
Fragen der Richter hin erneut auf. Er wies auf die Divergenzen zwischen der
Beurteilung im Erstgutachten und seiner eigenen Einschätzung hin und nahm
Stellung zur Frage, ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführer in seiner
Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im Tatzeitpunkt eingeschränkt war. Im
Unterschied zum Erstgutachten attestiert er dem im Jahre 1986 geborenen
Beschwerdeführer eine Störung der Persönlichkeitsentwicklung mit einem
Reifungsrückstand im Tatzeitpunkt von mehreren Jahren. Die früheren Gutachter
hätten diesen Umstand nicht erkannt. Ihre Einschätzung, wonach der
Beschwerdeführer namentlich in seiner Steuerungsfähigkeit im Tatzeitpunkt nicht
beeinträchtigt bzw. voll schuldfähig gewesen sei, lasse sich nicht halten. Bei
richtiger Diagnose hätten die früheren Gerichtsgutachter von einer mittel- bis
schwergradigen Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit ausgehen müssen
(kantonale Akten, Gutachten und Befragungsprotokoll, act. RW/65, S. 10 f.; act.
RW/79, S. 7 ff.).

5.3 Betreffend Diagnose und Beurteilung der Frage der Schuldfähigkeit stehen
sich zwei Expertenmeinungen mit unterschiedlichen Erkenntnissen gegenüber. Die
Divergenzen zwischen den beiden gerichtlichen Gutachten sind für die
Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit von Relevanz. Ob und in welchem
Umfang der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt in seiner Schuldfähigkeit
eingeschränkt war, ist für die vom Schuldprinzip beherrschte Strafzumessung
wesentlich (BGE 116 IV 300 E. 2a; siehe auch BGE 136 IV 55). Die Vorinstanz
trägt dieser Problematik bzw. den diametral auseinandergehenden Beurteilungen
der Sachverständigen keine Rechnung. Sie geht ohne Begründung davon aus, dass
der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt uneingeschränkt einsichts- und
steuerungsfähig war (Entscheid, S. 9). Sie verweist lediglich auf den
erstinstanzlichen Entscheid, worin dem (vom Therapeuten attestierten)
Reifungsrückstand des Beschwerdeführers keine über dessen junges Alter
hinausgehende strafmildernde bzw. -mindernde Bedeutung beigemessen wurde (vgl.
Entscheid, S. 9; erstinstanzlicher Entscheid, S. 15). Mit dem Zweitgutachten,
welches diesbezüglich zu klar andern Erkenntnissen gelangt und insofern Zweifel
an der Richtigkeit des Erstgutachtens begründet, befasst sie sich nicht. Mit
ihrem Vorgehen setzt sich die Vorinstanz über die offensichtlichen Differenzen
zwischen den Gutachten betreffend die Frage der Beeinträchtigung der
Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt hinweg, ohne diese zu
bereinigen und die abweichenden Schlussfolgerungen des Zweitgutachtens -
allenfalls mit einem Obergutachten - überzeugend widerlegt zu haben. Sie
handelt damit willkürlich (vgl. BGE 130 I 337 E. 5.4.2 S. 346; 129 I 49 E. 4 S.
57 f.; 118 Ia 144 E. 1c S. 146 f.). Die Beschwerde ist in diesem Punkt
begründet. Die Vorinstanz wird die Frage der Schuldfähigkeit neu beurteilen
müssen.

6.
6.1 Gemäss Art. 63 aStGB (bzw. Art. 47 StGB) hat der Richter die Strafe nach
dem Verschulden des Täters zu bemessen. Der Schuldvorwurf, der einem nur
vermindert schuldfähigen Täter gemacht werden kann, ist verglichen mit dem
Schuldvorwurf gegen einen voll schuldfähigen Täter geringer (BGE 118 IV 1 E. 2
S. 4). Das Schuldprinzip verlangt deshalb, dass die Strafe für eine in
verminderter Schuldfähigkeit begangene Tat niedriger sein muss, als wenn der
Täter - unter sonst gleichen Umständen - voll schuldfähig gewesen wäre. Wer in
seiner Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt ist, trifft
letztlich ein geringerer subjektiver Tatvorwurf, weshalb die Strafe tiefer
auszufallen hat (vgl. BGE 136 IV 55 E. 5.5; Urteil 6B_585/2008 vom 19. Juni
2009 E. 3.5). Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer sei voll
schuldfähig gewesen. Sein Verschulden für die versuchte Tötung qualifiziert sie
als erheblich. Sie setzt die Einsatzstrafe auf sechs Jahre fest (Entscheid, S.
9). Wäre indes den Schlussfolgerungen des Zweitgutachters zu folgen, der von
einer mittel- bis schwergradigen Beeinträchtigung namentlich der
Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt ausgeht, könnte an
der vorinstanzlichen Verschuldensbewertung nicht festgehalten werden. Es wäre
in diesem Fall von einem erheblich geringeren Verschulden des Beschwerdeführers
und damit von einer deutlich niedrigeren Einsatzstrafe auszugehen.

6.2 Auf den im Tatzeitpunkt knapp 19 ½ Jahre alten Beschwerdeführer ist das
Erwachsenenstrafrecht anwendbar. Dieses folgt bei der Sanktionswahl anderen
Grundprinzipien als das Jugendstrafrecht ("Vergeltung" versus "Bildung" und
"Erziehung"). Aus dem Umstand, dass die damals noch nicht 18 Jahre alten
Mittäter des Beschwerdeführers unter das Jugendstrafrecht fielen und daher
lediglich zu Einschliessungsstrafen verurteilt wurden, kann der
Beschwerdeführer gestützt auf den Grundsatz der Gleichmässigkeit der Strafen
(vgl. BGE 135 IV 191 E. 3.2 S. 194) nichts für sich ableiten. Allerdings hat
der Richter den Entwicklungsstand und den Reifegrad eines Heranwachsenden, der
wie der Beschwerdeführer aufgrund der starren Altersgrenze von 18 Jahren
(gerade) nicht mehr unter das Jugendstrafrecht fällt (Art. 3 Abs. 1 JStG),
besonders differenziert zu untersuchen und eine allfällige Unreife - sofern sie
nicht die Schuldfähigkeit tangiert (siehe vorstehend E. 6.1) - bei der
Bemessung der Strafe nach Art. 63 aStGB bzw. Art. 47 StGB zu berücksichtigen
(vgl. GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II,
Strafen und Massnahmen, 2. Aufl., § 6 S. 224). Die Vorinstanz weist in ihren
Erwägungen auf die Retardierung des im Tatzeitpunkt noch sehr jungen
Beschwerdeführers hin und trägt diesem Gesichtspunkt zusammen mit weiteren
Umständen strafmindernd im Umfang von einem halben Jahr Rechnung (vgl.
Entscheid, S. 10 mit Verweis auf erstinstanzliches Urteil, S. 15). Aus ihren
Erwägungen ergibt sich nicht, wie erheblich der Entwicklungs- und
Reifungsrückstand des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt war, wie er sich im
Einzelnen auswirkte und in welchem Ausmass er sich auf das Verschulden
niederschlägt. Die Strafzumessung ist insofern nicht überprüfbar (vgl.
nachstehend auch E. 6.3).

6.3 Die Vorinstanz nennt die ihres Erachtens gegebenen Strafminderungsgründe
(vgl. Entscheid, S. 10). Sie führt einerseits die Situation vor der Tat an, mit
erlittenen Kränkungen und Demütigungen des Beschwerdeführers durch das spätere
Opfer und seine damit einhergegangene emotionale Aufwühlung, die
Gruppendynamik, das Opferverhalten und die Retardierung sowie andererseits die
Situation nach der Tat mit der Geständnisbereitschaft des Beschwerdeführers,
seine Unauffälligkeit, sein Wohlverhalten und Arbeitswille, seine freiwillige
Therapie und die Reue. Sie zeigt jedoch nicht auf, in welchem Umfang ("leicht",
"stark", etc.) sie die einzelnen Strafzumessungskriterien strafmindernd wertet.
Sie begnügt sich damit, auf die Strafzumessungsfaktoren hinzuweisen, zwei
Gruppen zu bilden und diese mit einer pauschalen Strafreduktion von je einem
halben Jahr zu berücksichtigen. Im Urteil ist zwar nicht in absoluten Zahlen
oder Prozenten anzugeben, wie bzw. in welchem Masse die einzelnen
Strafzumessungskriterien bewertet werden (BGE 127 IV 101 E. 2c S. 104 f. mit
Hinweisen; vgl. auch Urteil 6B_401/2007 vom 8. November 2007 E. 4.2, nicht
publ. in BGE 134 IV 132 für die Gewichtung der im Gesetz genannten
Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe). Die für die Zumessung der Strafe
erheblichen Umstände und deren Gewichtung müssen jedoch im Hinblick auf eine
transparente, in den Grundzügen nachvollziehbare und überprüfbare
Strafzumessung aus dem Urteil hervorgehen. Diese Anforderungen erfüllt die
Strafzumessung nicht.

6.4 Rechtlich unzutreffend ist die Strafzumessung nach der begründeten
Auffassung des Beschwerdeführers auch insofern, als die Vorinstanz den
Schuldspruch wegen schwerer Körperverletzung in der Annahme, es bestehe
insoweit echte Konkurrenz (Entscheid, S. 8), im Umfang von einem Jahr
straferhöhend berücksichtigt (Entscheid, S. 9). Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung besteht zwischen der versuchten Tötung und der schweren
Körperverletzung grundsätzlich unechte Konkurrenz. Die Körperverletzung wird
durch die versuchte eventualvorsätzliche Tötung konsumiert, falls wie hier
(siehe Entscheid, S. 9) der Körperverletzung nebst der versuchten Tötung keine
selbstständige Bedeutung zukommt (vgl. BGE 137 IV 113 E. 1.5). Dem Umstand,
dass mit dem Tötungsversuch gleichzeitig eine Körperverletzung erfolgte, kann
lediglich zusammen mit den übrigen Tatumständen Rechnung getragen werden (BGE
137 IV 113 E. 1.4.2).

6.5 Unbegründet ist hingegen der Einwand des Beschwerdeführers, die Vorinstanz
berücksichtige nur ungenügend, dass es beim Versuch geblieben sei (Beschwerde,
S. 18). Es ist nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnenden Umständen zu
verdanken, dass das Opfer nicht gestorben ist. Die ihm wegen Versuchs
zugestandene Strafmilderung um 1 ½ Jahre (Entscheid, S. 9) ist nicht unhaltbar
tief.

6.6 Ohne Erfolg bleibt auch das Vorbringen, die Vorinstanz stelle die lange
Verfahrensdauer, die Verletzung des Beschleunigungsgebots und das Wohlverhalten
des Beschwerdeführers zu Unrecht nicht strafmindernd in Rechnung (Beschwerde,
S. 20 f.). Das Verfahren dauerte seit der Verfahrenseröffnung am 25. Mai 2006
bis zur Ausfällung des Urteils am 23. Januar 2012 etwas weniger als sechs
Jahre. Von einer überlangen Verfahrensdauer kann noch nicht gesprochen werden,
zumal dem Verfahren gewichtige Tatvorwürfe zugrunde liegen, mehrere Mittäter an
der Tat beteiligt waren und verschiedene Gutachten einzuholen waren. Der
Beschwerdeführer zeigt überdies nicht auf, weshalb die Verfahrensdauer
übermässig sein sollte. Er befasst sich nicht mit dem konkreten Verfahrensgang
und legt nicht dar, welche Verfahrensabschnitte zu lange gedauert haben sollen.
Sein Vorbringen genügt den Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG
nicht. Ebenso wenig liegt eine Verletzung von Art. 64 al. 8 aStGB bzw. Art. 48
lit. e StGB vor, weil die Bestimmung nach der Rechtsprechung nur zwingend zu
beachten ist, wenn zwei Drittel der Verjährungsfrist verstrichen sind (BGE 132
IV 1 E. 6.2), was hier nicht der Fall ist.

6.7 Von einer Massnahme gemäss Art. 61 StGB wurde nicht wegen gutachterlichen
Versagens abgesehen (so Beschwerde, S. 22; vgl. aber Entscheid, S.10 ff.),
sondern weil der Beschwerdeführer die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht
erfüllt(e). Strafzumessungsrechtlich kann er hieraus nichts für sich ableiten.

7.
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen. Die Vorinstanz wird die Frage der
Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers neu beurteilen und die Strafzumessung
anders vornehmen müssen. Sie wird dabei Art. 453 Abs. 2 StPO zu beachten haben.
Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens rechtfertigt es sich, auf die Erhebung von
Gerichtskosten vollständig zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4
BGG). Dem anwaltlich vertretenen und mehrheitlich obsiegenden Beschwerdeführer
ist eine reduzierte Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts St.
Gallen vom 23. Januar 2012 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an
die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton St. Gallen hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Dr. Bruno
Steiner, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr.
2'500.-- auszurichten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Januar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill