Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.313/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_313/2012

Urteil vom 20. August 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Schöbi,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Advokat André M. Brunner,
Beschwerdeführer,

gegen

Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, Amt für
Justizvollzug, Bahnhofplatz 3c, 5001 Aarau 1 Fächer,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Bedingte Entlassung aus dem Vollzug einer stationären therapeutischen
Massnahme,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 1.
Kammer, vom 28. März 2012.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 X.________ befindet sich seit dem 30. Juli 2009 zum Vollzug einer
stationären therapeutischen Massnahme gemäss Art. 59 StGB in der
Psychiatrischen Klinik P.________.

Am 7. Oktober 2011 sah das Amt für Justizvollzug des Departements
Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau (AfJ) von einer bedingten
Entlassung ab.

Dagegen führte X.________ am 8. Dezember 2011 Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit den Anträgen, die Verfügung des AfJ
vom 7. Oktober 2011 sei aufzuheben. Er sei unter angemessenen Rahmenbedingungen
aus dem stationären Vollzug der Massnahme zu entlassen (Verfahren
WBE.2011.413).

1.2 Am 25. November 2011 wies das AfJ ein Begehren von X.________ betreffend
"Vollzugsöffnung" (Wiederaufnahme der externen Berufsbildung, Internetzugang)
ab, soweit es darauf eintrat. Diese Verfügung wurde durch X.________ beim
Regierungsrat des Kantons Aargau angefochten (Verfahren DVIGES.12.7).

1.3 Am 7. Februar 2012 beantragte X.________ beim AfJ, er sei sofort, eventuell
unter angemessenen Rahmenbedingungen, aus dem stationären Vollzug der Massnahme
zu entlassen. Eventuell sei er sofort aus dem geschlossenen in einen offenen
oder halboffenen Vollzug zu versetzen. Es sei ihm die unentgeltliche
Verbeiständung zu bewilligen.

Am 15. Februar 2012 trat das AfJ auf das Begehren nicht ein, da die
aufgeworfenen Fragen in hängigen Rechtsmittelverfahren geprüft würden.

X.________ führte am 15. März 2012 beim Verwaltungsgericht Beschwerde und
beantragte, es sei die Verfügung vom 15. Februar 2012 aufzuheben. Es sei das
AfJ zu verpflichten, auf das Gesuch vom 7. Februar 2012 (Prüfung der
Entlassung, eventuell der sofortigen Versetzung in den offenen oder halboffenen
Vollzug der Massnahme, Begutachtung, unentgeltliche Verbeiständung)
einzutreten. Es sei ihm die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen.

Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde am 28. März 2012 ab, soweit darauf
eingetreten werden konnte. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wurde abgewiesen. Die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten
wurden X.________ auferlegt (Verfahren WBE 2012.112).
X.________ wendet sich in Bezug auf das Verfahren WBE.2012.112 mit Beschwerde
vom 15. Mai 2012 ans Bundesgericht und beantragt, es seien das Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 28. März 2012 aufzuheben, die Angelegenheit an das
Verwaltungsgericht oder an den Regierungsrat zur weiteren Bearbeitung zu
überweisen und zu prüfen, ob er in den offenen bzw. halboffenen Vollzug zu
versetzen sei. Es sei ihm für diese Prüfung der Versetzung die unentgeltliche
Verbeiständung zu gewähren (act. 1).

1.4 Am 6. April 2012 hatte X.________ ein weiteres Gesuch um Versetzung in den
offenen oder halboffenen Vollzug gestellt. Am 23. Mai 2012 wies das AfJ das
Begehren ab, soweit darauf eingetreten werden konnte.

1.5 In der Zwischenzeit hat das Verwaltungsgericht am 30. Mai 2012 auch im
Verfahren WBE.2011.413 (oben E. 1.1) die Beschwerde abgewiesen.

2.
Mit Eingabe vom 10. Juni 2012 (act. 8) teilt der Beschwerdeführer dem
Bundesgericht mit, das bundesgerichtliche Verfahren (s. oben E. 1.3) werde
teilweise gegenstandslos. Mit dem neuen Entscheid des AfJ vom 23. Mai 2012 (s.
oben E. 1.4) liege nun eine beim Regierungsrat anfechtbare Verfügung vor. Im
Verfahren vor Bundesgericht bleibe nur die Kostenfolge des Urteils des
Verwaltungsgerichts vom 28. März 2012 zu beurteilen. Folglich ist das
bundesgerichtliche Verfahren abzuschreiben, soweit es nicht die Kosten- und
Entschädigungsregelung des angefochtenen Entscheids vom 28. März 2012 betrifft.

3.
In Bezug auf die Kosten- und Entschädigungsregelung kann auf die Ausführungen
der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. angefochtenen Entscheid S. 7 E. 11). Sie
kommt zum Schluss, in Anbetracht der bereits hängigen Verfahren vor
Verwaltungsgericht und vor dem Regierungsrat erweise sich das
Beschwerdeverfahren, insbesondere weil der Beschwerdeführer anwaltlich
vertreten gewesen sei, als aussichtslos.

3.1 Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, er habe sich im Rahmen des
erstinstanzlichen Verfahrens strikt an die Rechtsmittelbelehrung des AfJ
gehalten (act. 1 S. 9 Ziff. 2). Der Umstand, dass ein Rechtsmittel zulässig
ist, sagt über dessen Erfolgsaussichten indessen nichts aus.

3.2 Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, so oder anders könne die
Angelegenheit im Hinblick auf die Beurteilung des Eventualbegehrens auf Prüfung
der Versetzung in den offenen oder halboffenen Vollzug der Massnahme
keinesfalls als aussichtslos bezeichnet werden (act. 1 S. 9 Ziff. 2).

In Bezug auf das Eventualbegehren kommt die Vorinstanz zunächst gestützt auf §
102 Abs. 2 der Verordnung über den Vollzug von Strafen und Massnahmen (SMV) zum
Schluss, die aufgeworfene Frage sei einer Überprüfung durch direkte Anrufung
des Verwaltungsgerichts nicht zugänglich, da dieses nur bei Beschwerden
betreffend Kostentragung und bedingter Entlassung direkt angerufen werden könne
(angefochtener Entscheid S. 6 E. 8.4.1). Gestützt auf den Grundsatz der
Einfachheit und Raschheit des Verfahrens macht der Beschwerdeführer geltend, es
müsse grundsätzlich zulässig sein, eine Verfügung bei einer Instanz anzufechten
(Beschwerde S. 5/6). Zwar sollte ein Verfahren möglichst einfach und rasch
sein. Aber davon, dass eine Instanz deswegen auch über einen Eventualantrag, zu
dessen Beurteilung sie nicht zuständig ist, befinden müsste, kann nicht die
Rede sein. Bereits eine Woche nach dem angefochtenen Entscheid hat der
Beschwerdeführer denn auch den korrekten Rechtsweg beschritten (oben E. 1.4).
Da er anwaltlich vertreten war, ist nicht ersichtlich, weshalb er dies nicht
von Anfang an hätte tun können.

Weiter stellt die Vorinstanz fest, eine Überweisung betreffend das
Eventualbegehren an den zuständigen Regierungsrat erübrige sich, da dort im
Zusammenhang mit Vollzugsöffnungen bereits das Verfahren DVIGS.12.7 (s. oben E.
1.2) hängig sei (angefochtener Entscheid S. 6 E. 8.4.2). Auch wenn diese
Erwägung, wie der Beschwerdeführer geltend macht, nicht richtig sein sollte,
weil er im bereits hängigen Verfahren nur die Fortsetzung des externen
Arbeitens und den uneingeschränkten Zugang zum Internet, nicht aber die
Versetzung in den offenen oder halboffenen Vollzug verlangt hatte (Beschwerde
S. 6), änderte dies nichts daran, dass die Beschwerde vor der Vorinstanz
aussichtslos war.

3.3 In der Eingabe vom 10. Juni 2012 (act. 8) wirft der Beschwerdeführer dem
AfJ ein "verwirrliches" Verhalten vor. Es kann offen bleiben, ob diese
nachträglichen Ausführungen noch gehört werden können. Jedenfalls ergibt sich
auch aus dieser Eingabe nicht, dass und inwieweit die Schlussfolgerung der
Vorinstanz, das Beschwerdeverfahren sei aussichtslos gewesen, gegen das Recht
im Sinne von Art. 95 BGG verstossen könnte.

4.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit sie nicht
gegenstandslos geworden ist. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil
die Rechtsbegehen aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen
(Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau,
1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. August 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: C. Monn