Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.307/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_307/2012

Urteil vom 14. Februar 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys, Schöbi,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Gregor Münch,
Beschwerdeführerin,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfache Widerhandlung gegen das Ausländergesetz, Genugtuung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
vom 9. März 2012.

Sachverhalt:

A.
Die stark alkoholisierte X.________, eine brasilianische Staatsangehörige,
wurde am 28. Januar 2011, um 07.15 Uhr, durch die Kantonspolizei Zürich in der
"A.________-Bar", einer "Kontaktbar" im Kerngebiet des Stadtzürcher Milieus,
angehalten. Da sie sich nicht ausweisen konnte (und wollte) und die
Polizeibeamten in ihrer Handtasche keine Ausweispapiere fanden, wurde sie auf
den Polizeiposten geführt. Im Zuge der auf dem Posten durchgeführten
Durchsuchung wurden ein "Chip der Swisscom" und ein "I-Phone" gefunden sowie
"offensichtliche Freier-Adressen", die darauf hinwiesen, X.________ sei ohne
Bewilligung als Prostituierte erwerbstätig. Gestützt auf diese Daten
kontaktierten die Polizeibeamten den späteren Zeugen B.________. Dieser gab an,
mit X.________ Sexualverkehr gegen Geld gehabt zu haben.

B.
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ zweitinstanzlich am 9.
März 2012 des rechtswidrigen Aufenthalts und der Erwerbstätigkeit ohne
Bewilligung gemäss Art. 115 Abs. 1 lit. b und c des Bundesgesetzes über die
Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) schuldig. In Bezug auf den
Freispruch vom Vorwurf der Widerhandlung gegen Art. 115 Abs. 1 lit. a AuG
(Verletzung von Einreisevorschriften) stellte es die Rechtskraft des Urteils
des Bezirksgerichts Zürich vom 7. März 2011 fest. Es bestrafte X.________ mit
45 Tagen Freiheitsstrafe (wovon alle Tage durch Untersuchungs- und
Sicherheitshaft erstanden sind). Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es nicht
auf. Das Obergericht sprach X.________ keine Genugtuung zu und auferlegte ihr
die Kosten des Berufungsverfahrens. Die erstinstanzliche Kostenregelung
bestätigte es.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, sie sei vom Vorwurf der
mehrfachen Widerhandlung gegen das Ausländergesetz freizusprechen, und die
Kosten des kantonalen Verfahrens seien auf die Gerichtskasse zu nehmen. Für die
erlittene Untersuchungs- und Sicherheitshaft sei ihr eine Genugtuung von
mindestens Fr. 4'500.-- zuzusprechen. Eventuell sei das Urteil des Obergerichts
aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

D.
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf
eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass die "offensichtlichen
Freier-Adressen" im Rahmen der bei der Anhaltung durchgeführten polizeilichen
Effektenkontrolle "ermittelt" wurden, welche ohne vorgängige Bewilligung der
Staatsanwaltschaft in Form eines Durchsuchungsbefehls vorgenommen werden
durfte, und zwar unabhängig davon, ob die fraglichen "Adressdaten" in
Papierform oder aufgrund einer Durchsuchung des Telefons gefunden wurden. Eine
nachträgliche Information der Staatsanwaltschaft sei - soweit eine solche
notwendig sei - spätestens mit der Aktenzustellung an die Staatsanwaltschaft
zur formellen Verfahrenseröffnung erfolgt. Die entdeckten Beweise seien
verwertbar. Die Vorinstanz stützt ihre Ansicht insbesondere auf Art. 215 Abs. 2
lit. c und d StPO i.V.m. Art. 241 Abs. 3 StPO (Entscheid, S. 6-10, S. 9 f.).
Die Beschwerdeführerin rügt eine unrichtige Anwendung von Art. 215 StPO
respektive von Art. 241 Abs. 1 i.V.m. Art. 246 StPO bzw. Art. 250 StPO. Die
Polizei habe Aufzeichnungen durchsucht, ohne dass die Verfahrensleitung diese
Zwangsmassnahme vorgängig mündlich oder schriftlich angeordnet oder
nachträglich bewilligt hätte. Da sie - die Beschwerdeführerin - in die
polizeiliche Durchsuchung auch nicht eingewilligt habe, habe die Strafbehörde
die "Freierliste" in Verletzung einer Gültigkeitsvorschrift gemäss Art. 141
Abs. 2 StPO erlangt. Die "offensichtlichen Freier-Adressen" und die in der
Folge erhobenen Zeugenaussagen von B.________ seien nicht verwertbar.

1.2 Die polizeiliche Anhaltung im Sinne von Art. 215 StPO dient der Ermittlung
einer allfälligen Verbindung zwischen der angehaltenen Person und einer
Straftat. Gemäss Art. 215 Abs. 1 StPO kann die Polizei eine Person anhalten, um
ihre Identität festzustellen (lit. a), sie kurz zu befragen (lit. b),
abzuklären, ob sie eine Straftat begangen hat (lit. c) oder ob sich in ihrem
Gewahrsam Gegenstände befinden, nach denen gefahndet wird (lit. d). Die
angehaltene Person ist nach Art. 215 Abs. 2 StPO verpflichtet, ihre Personalien
anzugeben (lit. a), Ausweispapiere vorzulegen (lit. b), mitgeführte Sachen
vorzuzeigen (lit. c) und Behältnisse oder Fahrzeuge zu öffnen (lit. d). Ziel
der Anhaltung ist, die Identität zu überprüfen und festzustellen, ob nach den
Umständen der konkreten Situation ein Zusammenhang der betreffenden Person mit
Delikten als möglich erscheint (Niklaus Schmid, Handbuch des schweizerischen
Strafprozessrechts, Zürich/St. Gallen 2009, S. 432 Rz. 1002; Ders.,
Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009,
Art. 215 Rz. 6). Ein konkreter Tatverdacht wird nicht vorausgesetzt (NIKLAUS
OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl., 2012, S. 323 N. 884).
Können die Abklärungen nach Art. 215 StPO nicht vor Ort erfolgen, ist die
Polizei gemäss Abs. 1 der Bestimmung befugt, die angehaltene Person auf den
Polizeiposten zu führen.
Zur Anhaltung benötigt die Polizei keine vorgängige Anordnung oder Bewilligung
der Staatsanwaltschaft im Sinne von Art. 198 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 241 StPO
(vgl. JONAS WEBER, in: Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar,
Basel 2011, Art. 198 N. 9). Kommt die angehaltene Person ihrer Pflicht nach
Art. 215 Abs. 2 lit. c und d StPO zur Vorlage von Ausweispapieren und
Gegenständen sowie zum Öffnen von Behältnissen und Fahrzeugen nicht nach, darf
die Polizei Kleider, mitgeführte Gegenstände, Behältnisse oder Fahrzeuge ohne
staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsbefehl unter den Voraussetzungen von Art.
241 Abs. 3 StPO i.V.m. Art. 250 StPO durchsuchen (siehe Botschaft zur
Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., S. 1225;
Gianfranco Albertini/Thomas Ambruster, in: Schweizerische Strafprozessordnung,
Basler Kommentar, Basel 2011, Art. 215 N. 16; vgl. OBERHOLZER, a.a.O., S. 323
N. 885). Diese Durchsuchungen sind auf die Sicherung der Ziele der Anhaltung
nach Art. 215 Abs. 1 StPO beschränkt (Schmid, Praxiskommentar, a.a.O., Art. 215
Rz. 17). Ebenfalls in eigener Kompetenz darf die Polizei die angehaltene Person
aus Sicherheitsgründen - zum Zwecke der Gefahrenabwehr - gestützt auf Art. 241
Abs. 4 StPO durchsuchen.

1.3 Die Polizei führte die Beschwerdeführerin nach erfolglos gebliebener
Ausweiskontrolle vor Ort auf den Polizeiposten, weil Anhaltspunkte für
Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz bestanden (Antreffen der stark
alkoholisierten Beschwerdeführerin in einer einschlägigen "Kontakt-Bar" im
Stadtzürcher Rotlichtmilieu; Weigerung, sich auszuweisen; keine
Ausweispapiere). Die auf dem Polizeiposten durchgeführte Kontrolle der
Beschwerdeführerin förderte u.a. "offensichtliche Freier-Adressen" zu Tage. Wie
die Polizeibeamten auf diese Daten stiessen, geht aus den Akten nicht klar
hervor. Auszugehen ist davon, dass die Beamten das mitgeführte I-Phone der
Beschwerdeführerin bzw. - genauer - die darin gespeicherten Adressen
durchsuchten. Darauf deuten verschiedene Hinweise im Polizeirapport vom 28.
Januar 2011 hin (vgl. kantonale Akten, act. 1, S. 3 und 4). Eine solche
Durchsuchung von Unterlagen - seien sie auf einem Datenträger gespeichert oder
physisch im Sinne eines Schriftstücks ("Adressbüchlein") vorhanden - geht über
den Zweck der Anhaltung hinaus. Die Befugnis der Polizei, mitgeführte Sachen
sowie Behältnisse und Fahrzeuge ohne Befehl zu kontrollieren, geht nach Art.
215 Abs. 2 lit. c und d StPO nicht weiter als die Verpflichtung der
angehaltenen Person, diese Sachen vorzuzeigen sowie Behältnisse und Fahrzeuge
zu öffnen. Für eine weitergehende Durchsuchung der Effekten bietet die
Anhaltung keine Rechtsgrundlage. Der Sache nach handelt es sich bei der zu
beurteilenden Durchsuchung des I-Phones entgegen der Auffassung der Vorinstanz
nicht (mehr) um eine zulässige Effektenkontrolle im Sinne von Art. 215 Abs. 2
lit. c und d StPO i.V.m. Art. 250 StPO (und ebenso wenig um eine
Sicherheitsdurchsuchung der angehaltenen Person zur Gefahrenabwehr gemäss Art.
215 i.V.m Art. 241 Abs. 4 StPO), sondern um eine Durchsuchung von
Aufzeichnungen im Sinne von Art. 246 StPO.

1.4 Von einer Durchsuchung von Aufzeichnungen gemäss Art. 246 StPO wird
gesprochen, wenn die Schriftstücke oder Datenträger im Hinblick auf ihren
Inhalt oder ihre Beschaffenheit durchgelesen bzw. besichtigt werden, um ihre
Beweiseignung festzustellen, sie allenfalls zu beschlagnahmen und zu den Akten
zu nehmen (vgl. zu Art. 50 VStrR BGE 109 IV 154 E. 1). Solche Durchsuchungen
von Unterlagen und Datenträgern sind nach Art. 198 StPO i.V.m. Art. 241 Abs. 1
StPO grundsätzlich von der Staatsanwaltschaft (allenfalls vom Sachgericht)
anzuordnen bzw. vorzunehmen (vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 2006 S. 1238). Es ist
der Staatsanwaltschaft aber unbenommen, die Polizei im Rahmen von Art. 312 StPO
damit zu beauftragen, die auf die Amtsstelle verbrachten bzw. entsiegelten
Aufzeichnungen nach bestimmten Kriterien zu durchsuchen bzw. auszuwerten
(Andreas J. Keller, in Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung
(StPO), Zürich 2010, Art. 246 Rz. 4). Sofern im Sinne von Art. 241 Abs. 3 StPO
"Gefahr in Verzug" vorliegt, kann die Polizei Unterlagen und Aufzeichnungen
auch ohne besonderen Befehl der Staatsanwaltschaft durchsuchen. Das
polizeiliche Handeln muss sich dann allerdings - wie bei einer allfälligen
Delegation von der Staatsanwaltschaft an die Polizei nach Art. 312 StPO -
angesichts der besonderen Relevanz des Eingriffs in die Privatsphäre der
betroffenen Person (oder Dritter) auf einfache Sachverhalte beschränken
(Schmid, Handbuch, a.a.O., S. 474 Rz. 1074; Ders., Praxiskommentar, a.a.O.,
Art. 246 Rz. 3; Diego R. Gfeller, Schweizerische Strafprozessordnung, Basler
Kommentar, 2011, Art. 241 Rz. 32 ff.; vgl. Catherine Chirazzi in: Commentaire
romand, Code de procédure pénale, 2010, Art. 241 Rz. 28 und 33).

1.5 Inwiefern vorliegend "Gefahr in Verzug" war, welche die Polizei zu
selbständigem Handeln im Sinne von Art. 241 Abs. 3 StPO ermächtigte, ist nicht
erkennbar. Der Umstand, dass die Anhaltung nach Art. 215 StPO und die damit
einhergehende Beschränkung der Bewegungsfreiheit der angehaltenen Person nur
kurze Zeit dauern darf (vgl. Botschaft, BBl 2006 S. 1224; Schmid, Handbuch,
a.a.O., S. 433 Rz. 1003), vermag jedenfalls keine Dringlichkeit im Sinne von
Art. 241 Abs. 3 StPO zu begründen (so aber angefochtener Entscheid, S. 9).
Andernfalls wäre die Polizei bei einer Anhaltung unter Hinweis auf die enge
zeitlichen Grenzen stets und ohne weiteres befugt, Durchsuchungen nach Art. 246
StPO selbständig anzuordnen und durchzuführen. Das entspricht nicht dem Sinn
des Gesetzes. Art. 241 Abs. 3 StPO kommt (nur) zum Tragen, wenn ohne sofortige
Durchsuchung ein Beweisverlust zu befürchten ist (Gfeller, a.a.O., Art. 241 Rz.
33; Schmid, Handbuch, a.a.O., S. 468 f. Rz. 1064). Das ist hier nicht der Fall.
Die "offensichtlichen Freier-Adressen" waren auf dem I-Phone gespeichert und
konnten ohne Manipulation des Geräts nicht verloren gehen. Zwar durften die
Polizeibeamten das I-Phone - ohne entsprechende Beschlagnahme - nur so lange
(zurück-)behalten, als es der Beschwerdeführerin selber untersagt war, sich vom
Ort der Massnahme zu entfernen. Das begründet aber für sich allein keine
dringliche Situation im Sinne von Art. 241 Abs. 3 StPO, zumal nicht erstellt
und angesichts des Zeitpunkts der Kontrolle auch nicht wahrscheinlich ist, dass
die Staatsanwaltschaft für eine (mindestens mündliche) Anordnung der
Durchsuchung des I-Phones nicht erreichbar war (Keller, a.a.O., Art. 241 Rz. 23
und Art. 246 Rz. 4, welcher Dringlichkeit bei Durchsuchungen von Aufzeichnungen
praktisch für ausgeschlossen hält). Das selbständige Handeln der Polizei ohne
staatsanwaltschaftlichen Befehl war regelwidrig. Es stellt sich die Frage nach
den prozessualen Folgen dieses Verstosses.

1.6 Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise ist in Art. 141 StPO
geregelt. Für Beweise, die durch verbotene Beweiserhebungsmethoden erlangt
werden, sieht Art. 141 Abs. 1 Satz 1 StPO ein absolutes Beweisverwertungsverbot
vor. Dasselbe gilt, wenn das Gesetz einen Beweis als unverwertbar bezeichnet
(Art. 141 Abs. 1 Satz 2 StPO). Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise
oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nach
Art. 141 Abs. 2 StPO grundsätzlich nicht verwertet werden, es sei denn, ihre
Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. Beweise, bei
deren Erhebung lediglich Ordnungsvorschriften verletzt wurden, sind dagegen
gemäss Art. 141 Abs. 3 StPO verwertbar. Ob im Einzelfall eine Gültigkeits- oder
eine Ordnungsvorschrift vorliegt, bestimmt sich (sofern das Gesetz die Norm
nicht selber als Gültigkeitsvorschrift bezeichnet) primär nach dem Schutzzweck
der Norm: Hat die Verfahrensvorschrift für die Wahrung der zu schützenden
Interessen der betreffenden Person eine derart erhebliche Bedeutung, dass sie
ihr Ziel nur erreichen kann, wenn bei Nichtbeachtung die Verfahrenshandlung
ungültig ist, liegt eine Gültigkeitsvorschrift vor (zum Ganzen vgl. Botschaft,
a.a.O., BBl 2006 S. 1183 f.).

1.7 Dass die Polizeibeamten das I-Phone der Beschwerdeführerin bzw. die darin
gespeicherten Adressen ohne die grundsätzlich erforderliche Bewilligung der
Staatsanwaltschaft durchsuchten, führt nicht zu einem Verbot der Verwertung der
erwähnten Freier-Adressen. Die Voraussetzungen für die Durchsuchung des
(offenkundig nicht mittels eines Codes verschlossenen) I-Phones waren an sich
erfüllt. Die Durchsuchung als solche war auch nicht unverhältnismässig. Die
Polizeibeamten beschränkten sich offenbar darauf, (nur) Einsicht in die im
Gerät abgelegten Adressen zu nehmen (vgl. hierzu Hinweis im Polizeirapport vom
28. Januar 2011, act. 1, S. 3 und 4, wonach "über die Agenda" eventuell noch
weitere Freier ermittelt werden könnten). Anhaltspunkte dafür, dass sich die
Beamten vorsätzlich und rechtsmissbräuchlich über die gesetzliche
Zuständigkeitsordnung im Sinne von Art. 198 StPO hinwegsetzten bzw. den
staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsbefehl bewusst nicht einholten, bestehen
nicht. Das gilt umso mehr, als selbständiges polizeiliches Handeln im Rahmen
von Art. 246 StPO nicht kategorisch ausgeschlossen, sondern bei Dringlichkeit
(Art. 241 Abs. 3 StPO) möglich ist. Die Zuständigkeiten sind hier in einer
gewissen Hinsicht "fliessend". Vor diesem Hintergrund und unter
Berücksichtigung der konkreten Umstände stellt das Erfordernis des
staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsbefehls im vorliegenden Fall eine blosse
Ordnungsvorschrift im Sinne von Art. 141 Abs. 3 StPO dar (vgl. insoweit auch
Gfeller, a.a.O., Art. 246 Rz. 10 mit Hinweisen). Demnach sind die ermittelten
"offensichtlichen Freier-Adressen" und die gestützt darauf erlangten Aussagen
des Zeugen B.________ verwertbar.

2.
Die Beschwerdeführerin rügt einen Verstoss gegen Art. 243 StPO. Die angebliche
Ermittlung von "offensichtlichen Freier-Adressen" habe nicht im Zusammenhang
mit der ursprünglich abzuklärenden Straftat (rechtswidrige Einreise, allenfalls
rechtswidriger Aufenthalt) gestanden, sondern auf eine "andere Straftat" im
Sinne von Art. 243 StPO (Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung) hingewiesen. Die
vorinstanzliche Schlussfolgerung, aufgrund des Kontrollorts und der starken
Alkoholisierung der Beschwerdeführerin habe der Verdacht der Schwarzarbeit
nicht von Beginn weg ausgeschlossen werden können, sei willkürlich. Die
"Freierliste" hätte als Zufallsfund behandelt werden müssen. Sie sei - ebenso
wie die in der Folge durchgeführte Befragung des Zeugen B.________ - nach Art.
141 StPO nicht verwertbar (Beschwerde, S. 5-9).

2.1 Unter Zufallsfunden nach Art. 243 StPO versteht man die bei der
Durchführung von Zwangsmassnahmen allgemein und bei Durchsuchungen und
Untersuchungen im Besonderen zufällig entdeckten Beweismittel, Spuren,
Gegenstände oder Vermögenswerte, die mit der abzuklärenden Straftat in keinem
direkten Zusammenhang stehen und den ursprünglichen Verdacht weder erhärten
noch widerlegen, aber auf eine weitere Straftat hinweisen (Diego R. Gfeller/
Olivier Thormann, Basler Kommentar (BSK), Schweizerische Strafprozessordnung,
2011, Art. 243 Rz. 6; Schmid, Praxiskommentar, a.a.O., Art. 243 Rz. 1; Ders.,
Handbuch, a.a.O., S. 470 Rz. 1066; Andreas J. Keller, in Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), Zürich 2010, Art. 243 Rz. 1). Kein
Zufallsfund liegt dagegen vor, wenn eine Spur bzw. ein Gegenstand in einem
direkten Zusammenhang mit der abzuklärenden Straftat steht. Abzugrenzen sind
Zufallsfunde von unzulässigen Beweisausforschungen, sogenannten
"Fishing-Expeditions". Eine solche besteht, wenn einer Zwangsmassnahme kein
genügender Tatverdacht zugrunde liegt, sondern aufs Geratewohl Beweisaufnahmen
getätigt werden. Aus Beweisausforschungen resultierende Ergebnisse sind nicht
verwertbar (siehe BGE 137 I 218 E. 2.3.2 mit zahlreichen Hinweisen auf
Rechtsprechung und Lehre).

2.2 Gemäss Polizeirapport vom 28. Januar 2011 wurde gegen die
Beschwerdeführerin wegen Verletzung von Art. 115 Abs. 1 lit. a und c AuG
ermittelt (Entscheid, S. 10; kantonale Akten, act. 1 S. 1). Es bestand der
Verdacht der illegalen Einreise in die Schweiz zur Ausübung der Prostitution
ohne Bewilligung. Die Polizei führte die Beschwerdeführerin gemäss Rapport zwar
primär deshalb auf den Polizeiposten, weil sich diese nicht ausweisen konnte
und Anhaltspunkte dafür bestanden, sie sei ohne gültige Ausweispapiere in der
Schweiz anwesend (Entscheid, S. 11). Damit stand für die Polizei nach Ansicht
der Vorinstanz anfänglich zwar ein allfälliger Verstoss gegen
Einreisevorschriften im Sinne von Art. 115 Abs. 1 lit. a AuG im Vordergrund,
ohne dass aber Widerhandlungen gegen Art. 115 Abs. 1 lit. b und c AuG
(rechtswidriger Aufenthalt, Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung) ausgeschlossen
werden konnten. Solche Verstösse schienen vielmehr ebenso wahrscheinlich
(Entscheid, S. 11). Dieser Schluss der Vorinstanz ist nicht willkürlich. Er
folgt aus der Gesamtsituation anlässlich der Kontrolle der Beschwerdeführerin
(Einsatzörtlichkeit der Polizei in einer einschlägigen "Kontakt-Bar" im
Kerngebiet des Stadtzürcher Milieus; starke Alkoholisierung der
Beschwerdeführerin; Weigerung, sich auszuweisen; keine Ausweispapiere). Deren
Einwand, nicht jede Frau, die sich im "Chreis Cheib" die "Nacht um die Ohren
schlage", sei ein "leichtes Mädchen", ist nicht geeignet, den vorinstanzlichen
Schluss in Frage zu stellen (Beschwerde, S. 7). Mit der Vorinstanz kann ohne
Willkür davon ausgegangen werden, gegenüber der Beschwerdeführerin habe von
Anbeginn an ein (Anfangs-)Verdacht bestanden, sie weile ohne gültige Papiere in
der Schweiz und übe eine nicht bewilligte Erwerbstätigkeit aus. Die ermittelten
Adressdaten von Freiern stehen demnach in direktem Zusammenhang mit den
abzuklärenden Straftaten und stellen keinen Zufallsfund dar.

3.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes der Aktenführungs-
und Dokumentationspflicht (Art. 77 lit. g, Art. 100 Abs. 1 lit. b und Art. 192
StPO) sowie der Verteidigungsrechte im Sinne des rechtlichen Gehörs. Die
"Adressliste der Freier" habe keinen Eingang in die Untersuchungsakten
gefunden. Es sei daher nicht überprüfbar, weshalb "offensichtlich" von
Freier-Daten habe ausgegangen werden müssen. Nur wenn die damals bei ihr
angeblich sichergestellten Kontaktdaten von B.________ Rückschlüsse auf
Prostitution zugelassen hätten, könnte dessen telefonische Kontaktierung als
zulässige Ermittlungshandlung bezeichnet werden. Das polizeiliche Vorgehen im
Zusammenhang mit dem späteren Zeugen B.________ deute auf eine illegale
Beweisausforschung hin. Die fehlende Dokumentierung der Adressen in den Akten
verunmögliche ihr, den "Entlastungsbeweis" zu erbringen (Beschwerde, S. 9-12).

3.1 Zu den elementaren Grundsätzen des Strafprozessrechts gehört, dass
Erhebungen im Rahmen des Verfahrens aktenkundig gemacht werden (BGE 115 Ia 97
E. 4c). Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ergibt sich
der Anspruch auf Akteneinsicht. Soll dieser effizient wahrgenommen werden
können, ist erforderlich, dass alles in den Akten festgehalten wird, was zur
Sache gehört und entscheidwesentlich sein kann. Damit besteht spiegelbildlich
zum Recht auf Akteneinsicht eine Aktenführungs- und Dokumentationspflicht der
Behörden. Diese sind verpflichtet, alle verfahrensrelevanten Vorgänge
schriftlich festzuhalten und die Akten vollständig und korrekt anzulegen und zu
führen. In einem Strafverfahren bedeutet dies, dass die Beweismittel,
jedenfalls soweit sie nicht unmittelbar an der gerichtlichen Hauptverhandlung
erhoben werden, in den Untersuchungsakten vorhanden sein müssen und dass
aktenmässig belegt sein muss, wie sie produziert wurden, damit der Beschuldigte
in der Lage ist zu prüfen, ob sie inhaltliche oder formelle Mängel aufweisen
und gegebenenfalls Einwände gegen deren Verwertbarkeit erheben kann. Dies ist
Voraussetzung dafür, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahrnehmen
kann (BGE 129 I 85 E. 4.1 S. 88 f. mit Hinweisen; vgl. Urteil 6B_719/2011 vom
12. November 2012 E. 4.5).
Die Grundsätze zur Aktenführungs- und Dokumentationspflicht werden in der StPO
konkretisiert (vgl. Schmid, Handbuch, a.a.O., S. 221 Rz. 566, Ders.,
Praxiskommentar, a.a.O., Vor Art. 76-99, Rz. 1; Markus Schmutz, Schweizerische
Strafprozessordnung, Basler Kommentar, Art. 100 Rz. 1). Sie gelten
(grundsätzlich) auch für das polizeiliche Ermittlungsverfahren (Botschaft,
a.a.O., BBl 2006 S. 1155; Schmid, Handbuch, a.a.O., S. 222 Rz. 568; Ders.,
Praxiskommentar, a.a.O., Art. 76 Rz. 2, 3; Art. 77 Rz. 4; Art. 307 Rz. 6).

3.2 Die "offensichtlichen Freier-Adressen" sind in den Akten nicht enthalten
(Entscheid, S. 15). Aus dem Polizei- und Verhaftrapport vom 28. Januar 2011
ergeben sich lediglich Hinweise darauf, dass solche gefunden wurden (vgl.
kantonale Akten, act. 1 S. 3 sowie act. 16/1 S. 2). Mit der Vorinstanz
(Entscheid, S. 14 f.) ist davon auszugehen, dass die Kontaktdaten des späteren
Zeugen B.________ gestützt auf die ermittelten "offensichtlichen
Freier-Adressen" eruiert wurden. Das ergibt sich schon daraus, dass die Polizei
den Zeugen telefonisch kontaktierte, unmittelbar nachdem sie die
Beschwerdeführerin angehalten und die Freier-Adressen gefunden hatte. Unter
diesen Umständen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich die Polizei
aufs Geratewohl mit dem Zeugen B.________ in Verbindung setzte und
Beweiserhebungen tätigte, um einen Tatverdacht gegenüber der Beschwerdeführerin
in Bezug auf eine allfällige nicht bewilligte Erwerbstätigkeit als
Prostituierte überhaupt erst begründen zu können. Die Polizei ging vielmehr
einem aus den sichergestellten Adressdaten resultierenden konkreten Hinweis zum
bereits im Raum stehenden Verdacht nach. Das ist weder unüblich noch
unzulässig. Der Vorwurf, die telefonische Kontaktierung des späteren Zeugen
B.________ lege eine unzulässige Beweisausforschung nahe, geht damit fehl. Dass
die Polizei die "offensichtlichen Freier-Adressen" nicht aktenkundig machte und
den Inhalt des Telefongesprächs mit dem Zeugen B.________ nicht in einer
Aktennotiz protokollierte, begründet zwar allenfalls eine Verletzung der
Dokumentationspflicht (wobei der Umstand, dass die Polizei den Zeugen
B.________ telefonisch kontaktierte, aktenkundig ist [vgl. kantonale Akten,
act. 2, S. 1; act. 5, S. 7]). Daraus resultiert jedoch weder eine Verletzung
des Rechts auf eine wirksame Strafverteidigung noch ein Verbot der Verwertung
der "Freier-Adressen" und der Aussagen des Zeugen B.________. Der
Beschwerdeführerin wurde nicht verunmöglicht, sich wirksam zu verteidigen. Sie
weiss, wie bzw. nach welchen Grundsätzen sie ihre Adressen führt(e), und hätte
daher geltend machen können (und müssen), dass und weshalb sich aus ihren
Adressdaten kein Schluss auf "offensichtliche Freier-Adressen" ziehen lässt.
Überdies machte der Zeuge B.________ anlässlich der staatsanwaltschaftlichen
Einvernahme vom 4. Februar 2011 im Beisein der Beschwerdeführerin und ihres
Rechtsvertreters (auf deren Fragen hin) präzise Angaben zum Inhalt des
polizeilichen Telefongesprächs. Demnach hatte die Beschwerdeführerin auch
hierüber Kenntnis.

4.
Die Rügen der Beschwerdeführerin erweisen sich als unbegründet. Die Genugtuung
beantragt sie für den Fall des Freispruchs (Beschwerde, S. 11 f.). Da es bei
der Verurteilung bleibt, ist darauf nicht weiter einzugehen.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens wären bei diesem
Ausgang der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat ein
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, das gutzuheissen ist. Die
Bedürftigkeit ist ausgewiesen und die Beschwerde war nicht von vornherein
aussichtslos. Daher sind keine Kosten zu erheben (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der
Vertreter der Beschwerdeführerin ist aus der Bundesgerichtskasse zu
entschädigen (Art. 64 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
Der Beschwerdeführerin wird Rechtsanwalt Gregor Münch als unentgeltlicher
Rechtsbeistand beigegeben.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse
ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Februar 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill