Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.289/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_289/2012

Urteil vom 16. Juli 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Amtsleitung, Feldstrasse 42, 8090
Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Disziplinarstrafe,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, Einzelrichterin, vom 20. März 2012.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
X.________ befindet sich im Verwahrungsvollzug in der Justizvollzugsanstalt
(JVA) Pöschwies. Wegen eines unerlaubten Rechtsgeschäfts büsste ihn die Anstalt
am 11. Juli 2011 mit Fr. 20.--. Zudem verfügte sie die Sicherstellung der
konfiszierten Fr. 50.--, welche X.________ von einem Mitinsassen zugesteckt
worden waren. Der Disziplinarentscheid wurde sofort vollstreckt. Die Direktion
der Justiz und des Innern (im folgenden Justizdirektion) und das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wiesen die Rechtsmittel und die Gesuche
von X.________ um unentgeltliche Rechtspflege am 26. September 2011 bzw. am 20.
März 2012 ab, soweit sie darauf eintraten, und auferlegten ihm die
Verfahrenskosten von Fr. 236.-- bzw. Fr. 380.--.
X.________ wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er
beantragt im Wesentlichen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. März 2012
sei aufzuheben. Falls die Beschwerde abgewiesen würde, seien die Vorinstanzen
anzuweisen, ihm nachträglich die unentgeltliche Verfahrensführung zu gewähren.

2.
Gemäss § 89 der Justizvollzugsverordnung vom 6. Dezember 2006 (JVV) müssen
verurteilte Personen die Vollzugsvorschriften einhalten und den Anordnungen der
Vollzugseinrichtungen Folge leisten. Gegen Gefangene, welche in schuldhafter
Weise gegen die Strafvollzugsvorschriften verstossen oder den Vollzugsplan
gefährden, können gemäss Art. 91 StGB Disziplinarsanktionen verhängt werden.
Unter anderem ist die Auferlegung einer Busse bis zu Fr. 200.-- möglich (Art.
91 Abs. 2 lit. c StGB i.V.m. § 23c Abs. 1 lit. g des Straf- und
Justizvollzugsgesetzes vom 19. Juni 2006 [StJVG]). Gemäss § 23b Abs. 1 lit. a
StJVG verübt ein Disziplinarvergehen, wer gegen die Hausordnungen, Reglemente
oder Vollzugsvorschriften verstösst. § 20 der Hausordnung der JVA Pöschwies
(Ausgabe 2009) untersagt Rechtsgeschäfte unter Gefangenen wie beispielsweise
Kauf, Tausch, Schenkung, Ausleihe von Gegenständen und Gewährung von Darlehen.

3.
Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe am 7. Juli 2011 einen ihm
von einem Mitgefangenen in die Einkaufstasche gelegten Umschlag mit Fr. 50.--
in seine Hosentasche gesteckt und sich daraufhin angeschickt, in seine Zelle
zurückzukehren. Es sei nicht zu beanstanden, dass ihm vorgeworfen werde, er
hätte die Übergabe des Geldumschlags umgehend dem Kioskbegleiter melden müssen.
Denn damit hätte er sofort und eindeutig klarmachen können, dass er das Geld
nicht annehme. Sein Brief an den Mitgefangenen und die angeblich nach der
Rückkehr auf seine Abteilung beabsichtige Mitteilung an den Abteilungsleiter
genügten hierfür nicht. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Abneigung des
Kioskbegleiters ihm gegenüber und die Hoffnung, er könne den Abteilungsleiter
eher dazu bewegen, von einem Strafrapport gegen den Mitinsassen abzusehen,
könnten den Verzicht auf eine sofortige Meldung nicht rechtfertigen. Es sei
damit von einem objektiv und subjektiv vorwerfbaren Verhalten auszugehen. Bei
der Übergabe des Gelds, welche eine Spende für die Interessengemeinschaft
"Fair-wahrt?" beinhaltete, handle es sich um eine Schenkung und damit um ein
unerlaubtes Rechtsgeschäft unter Gefangenen (vgl. Entscheid, S. 4 ff.).

4.
Der Beschwerdeführer bemängelt zur Hauptsache den von der Vorinstanz
festgestellten Sachverhalt (Beschwerde, S. 6 f.). Dieser kann vor Bundesgericht
nur angefochten werden, wenn er offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97
Abs. 1 BGG bzw. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist. Willkür liegt vor, wenn
der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dass eine andere Lösung ebenfalls
vertretbar erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4). Die angebliche Willkür
ist in der Beschwerde präzise zu rügen, und die Rüge ist zu begründen (Art. 106
Abs. 2 BGG). Kritik, wie sie vor einer Instanz mit voller Prüfungsbefugnis
vorgebracht werden könnte, ist vor Bundesgericht unzulässig.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers beschränken sich auf unzulässige
appellatorische Kritik. Er schildert die Ereignisse aus seiner Sicht, ohne
aufzuzeigen, dass und inwiefern die davon abweichende Beweiswürdigung der
kantonalen Richter schlechterdings unhaltbar sein könnte. Er bestreitet zum
Beispiel unter dem Titel "Tatwillen", dass er im Begriff gewesen sei bzw.
beabsichtigt habe, mit dem eingesteckten Umschlag in seine Zelle
zurückzukehren. Der Umstand, dass er sich dem Lift zugewandt habe, um eventuell
zunächst den 1. Stock aufzusuchen (wo sich seine Zelle befinde), könne nicht
mit dem definitiven Willen, dies auch zu tun, gleichgesetzt werden (Beschwerde,
S. 6, 7). Mit einer solch unsubstanziierten Kritik kann nicht begründet werden,
dass und inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen sein könnte. Auf dieses
und weitere ähnlich unbegründete Vorbringen ist nicht einzutreten.

5.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Disziplinarstrafe sei
unverhältnismässig (Beschwerde S. 2, 8). Er legt indessen nicht dar, und es ist
auch nicht ersichtlich, inwieweit sich die Busse nicht mehr innerhalb des den
kantonalen Behörden zustehenden weiten Ermessens bewegen könnte. Es kann
insoweit auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden (Entscheid, S.
7).

6.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Vorinstanzen hätten seine Gesuche um
unentgeltliche Prozessführung zu Unrecht abgewiesen. Einem mittellosen
Gefangenen könnten die Verfahrenskosten nicht auferlegt werden (Beschwerde, S.
6, 8). Mangels Anrufung anderer Bestimmungen durch den Beschwerdeführer kommt
hier nur eine Beurteilung nach Art. 29 Abs. 3 BV in Betracht. Gemäss dieser
Norm hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt,
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint (vgl. BGE 128 I 225 E. 2.5).
Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe Fr. 261.55 auf dem
Freikonto und Fr. 3'430.-- auf dem Sparkonto (Entscheid, 8). Die Frage, ob er
bei dieser Finanzlage mittellos ist, kann offen bleiben, und es braucht auf
seine Ausführungen zur Mittellosigkeit nicht eingegangen zu werden (Beschwerde,
S. 8). Denn die Vorinstanz betrachtet das Begehren des Beschwerdeführers
überdies als aussichtslos. Aussichtslos ist ein Rechtsmittel, dessen
Erfolgsaussichten wesentlich geringer erscheinen als die Gefahr des Verlierens
(BGE 133 III 614 E. 5). Es geht dabei um eine Beurteilung der
Prozessaussichten, die naturgemäss einen grossen Spielraum belässt. Die
Vorinstanz führt aus, die Aussichten auf Abweisung der Rechtsmittel seien
deutlich höher als diejenigen auf Gutheissung, weshalb ein "Selbstzahler" bei
der Abwägung der Erfolgsaussichten von einer Rekurs- und Beschwerdeerhebung
Abstand genommen hätte. Diese Einschätzung der Prozesschancen ist unter
rechtlichen Gesichtspunkten mit Blick auf die schlüssigen Erwägungen im
angefochtenen Entscheid nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz verletzt folglich
Art. 29 Abs. 3 BV nicht, indem sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf
unentgeltliche Rechtspflege verneint.

7.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von
Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehen aussichtslos erschienen. Der
finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der
Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
3. Abteilung, Einzelrichterin, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Juli 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint