Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.278/2012
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_278/2012

Urteil vom 16. August 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Schöbi,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Frey,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Strafe (mehrfacher betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage
i.S.v. Art. 147 Abs. 1 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 21. März 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ belastete am 7. und 10. Juli 2006 per E-Banking dreimal das Konto
der V.________ Vorsorge Stiftung bei der Zürcher Kantonalbank im Gesamtbetrag
von Fr. 120'000.--, ohne über die erforderliche Berechtigung zu verfügen. Damit
bereicherte er sich und einen Dritten unrechtmässig.

B.
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X.________ am 30. Mai 2011 wegen
mehrfachen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage zu einer
Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu Fr. 200.--. Den Vollzug der Geldstrafe schob
es auf und setzte die Probezeit bei zwei Jahren fest.
X.________ erhob gegen diesen Entscheid Berufung und die Staatsanwaltschaft III
des Kantons Zürich Anschlussberufung. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach
ihn am 21. März 2012 wegen mehrfachen betrügerischen Missbrauchs einer
Datenverarbeitungsanlage schuldig, nahm jedoch von einer Bestrafung Umgang.

C.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich erhebt Beschwerde in Strafsachen.
Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. März 2012
sei in Bezug auf den Strafverzicht aufzuheben und die Sache zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerdeführerin rügt, Art. 53 StGB über die Wiedergutmachung sei im
vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der Beschwerdegegner habe zwar den Schaden
vollständig beglichen. Die Aufsichtsbehörde über die Vorsorgeeinrichtungen habe
jedoch die Integrität und Loyalität der Pensionskassen-Verantwortlichen zu
prüfen. Nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung vom 10. und 22. Juni 2011 über die
Aufsicht in der beruflichen Vorsorge (BVV 1; SR 831.435.1) habe sie
insbesondere strafrechtliche oder hängige Gerichtsverfahren zu berücksichtigen.
Art. 51b des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG, SR 831.40) lege weiter fest, dass
im Vorsorgebereich nur Personen tätig seien, die einen guten Ruf hätten und
insbesondere nicht strafrechtlich verurteilt worden seien. Nehme die Vorinstanz
von einer Bestrafung Umgang, werde dieses gesetzlich geregelte öffentliche
Interesse nicht geschützt. Die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, dass
Verurteilungen, bei denen von einer Strafe Umgang genommen werde, im
Strafregister eingetragen würden. Gemäss Art. 9b der Verordnung vom 29.
September 2006 über das Strafregister (VOSTRA-Verordnung; SR 331) treffe dies
nicht zu. Das öffentliche Interesse sei vorliegend insbesondere deshalb
aktuell, weil der Beschwerdegegner wieder in leitender Stellung bei einer
Einrichtung der beruflichen Vorsorge tätig sei (Beschwerde, S. 4).
Das inkriminierte Verhalten stelle für sich betrachtet nicht eine Straftat
gegen das öffentliche Interesse dar. Da der Beschwerdegegner jedoch eine
Vorsorgeeinrichtung geschädigt habe, werde das Interesse der Versicherten
zumindest indirekt berührt. Es handle sich daher nicht um eine Straftat gegen
Individualinteressen. Das öffentliche Interesse sei insgesamt nicht als gering
anzusehen (Beschwerde, S. 5).

1.2 Die Vorinstanz erwägt, die Voraussetzungen für eine Strafbefreiung nach
Art. 53 StGB seien erfüllt. Die inkriminierten Handlungen lägen schon einige
Jahre zurück, die Parteien hätten sich auf eine Schadensliquidation geeinigt
und diese bereits vollzogen. Es liege eine Desinteresseerklärung der
Geschädigten vor. Der Beschwerdegegner sei ein Ersttäter, weshalb nur eine
bedingte Strafe in Betracht falle. Zudem sei das öffentliche Interesse an der
Bestrafung gering. Es seien keine Gelder von Versicherten betroffen gewesen.
Diese hätten gegenüber der geschädigten Vorsorgeeinrichtung lediglich
obligatorische, jedoch keine dinglichen Ansprüche. Das Konto habe auf die
Geschädigte gelautet und stelle kein Sondervermögen dar. Die Gefahr, dass
aufgrund eines Vermögensschadens die Gläubiger - hier die Versicherten - nicht
befriedigt werden könnten, bestehe grundsätzlich bei allen Vermögensdelikten.
Werde eine Vorsorgeeinrichtung geschädigt, bestehe diese Gefahr jedoch gerade
nicht, da bei Zahlungsunfähigkeit der Vorsorgeeinrichtung der
BVG-Sicherheitsfonds die Leistungen sicherstelle (angefochtenes Urteil, S. 16
f.).
Die Vorinstanz hält weiter fest, es bestehe ein erhebliches, in Art. 51b BVG in
Verbindung mit Art. 13 Abs. 3 BVV 1 geregeltes öffentliches Interesse, dass im
Vorsorgebereich nur Personen in leitender Stellung tätig seien, die für eine
geordnete und korrekte Betriebsführung Gewähr böten. Für die Beurteilung der
Integrität und Loyalität der Verantwortlichen seien namentlich strafrechtliche
Verurteilungen, Verlustscheine und hängige Gerichts- und Verwaltungsverfahren
zu berücksichtigen. Aufgrund der Verurteilung des Beschwerdegegners, die einen
Strafregistereintrag zur Folge habe, sei auch diesem öffentlichen Interesse
Genüge getan (angefochtenes Urteil, S. 17).

1.3 Hat der Täter den Schaden gedeckt oder alle zumutbaren Anstrengungen
unternommen, um das von ihm bewirkte Unrecht auszugleichen, so sieht die
zuständige Behörde von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht
oder einer Bestrafung ab, wenn die Voraussetzungen für die bedingte Strafe nach
Art. 42 StGB erfüllt (Art. 53 lit. a StGB) und das Interesse der Öffentlichkeit
und des Geschädigten an der Strafverfolgung gering sind (lit. b). Im zu
beurteilenden Fall ist unbestritten, dass die Voraussetzung für eine bedingte
Strafe erfüllt, der Schaden gedeckt und die Interessen der Geschädigten an der
Strafverfolgung infolge Desinteresseerklärung gering sind. Zu prüfen ist, ob
auch das Interesse der Öffentlichkeit an der Strafverfolgung gering ist.

1.4 Das öffentliche Strafverfolgungsinteresse nimmt in dem Masse ab, wie die
Wiedergutmachung zur Aussöhnung zwischen den Betroffenen und zur
Wiederherstellung des öffentlichen Friedens geführt hat. Selbst wenn die
Tatschwere sich im Rahmen von Art. 53 lit. a StGB hält und volle
Wiedergutmachung geleistet worden ist, führt dies allerdings nicht zwingend zum
Entfallen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung (BGE 135 IV 12 E.
3.4.3). Mit der Tatbestandsvoraussetzung des geringen öffentlichen Interesses
an einer Strafverfolgung soll den Fällen Rechnung getragen werden, in denen
keine bestimmte Person geschädigt wurde. Es soll zudem eine Privilegierung
wohlhabender Täter, die sich von der Strafe freikaufen könnten, verhindert
werden (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen
Strafgesetzbuches [Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung des
Gesetzes] und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das
Jugendstrafrecht, BBl 1999 2065 f.). Dieses Argument ist allerdings insofern zu
relativieren als das Gericht bei Wiedergutmachung nur von Strafe absehen kann,
gleichzeitig aber einen Schuldspruch zu fällen hat. Ein "Freikaufen" von der
Verurteilung ist somit nicht möglich (BGE 135 IV 12 E. 3.6).

1.5 Bei Straftaten gegen individuelle Interessen und einem Verletzten, der die
Wiedergutmachungsleistung akzeptiert, entfällt regelmässig das öffentliche
Interesse an der Strafverfolgung. Bei Straftaten gegen öffentliche Interessen
ist zu beurteilen, ob es mit der Wiedergutmachung sein Bewenden haben soll oder
ob sich unter den Gesichtspunkten des Schuldausgleichs und der Prävention
weitere strafrechtliche Reaktionen aufdrängen (BGE 135 IV 12 E. 3.4 mit
Hinweisen).

1.6 Die Vorinstanz stuft das öffentliche Interesse an der Bestrafung des
Beschwerdegegners zu Recht als gering ein. Die Beschwerdeführerin räumt selber
ein, dass die Straftat für sich betrachtet nicht eine Straftat gegen das
öffentliche Interesse darstellt, sondern das rein individuelle Interesse der
geschädigten Vorsorgeeinrichtung beschlägt. Das Argument, dadurch würden auch
die Interessen der Versicherten zumindest indirekt berührt, kann daran nichts
ändern. Der vom Beschwerdegegner angerichtete Schaden von Fr. 120'000.-- ist
nicht geeignet, eine Vorsorgeeinrichtung in finanzielle Schieflage zu bringen
und damit die Ansprüche der Versicherten zu tangieren. Dazu kommt, dass die
Leistungen der Vorsorgeeinrichtungen zumindest teilweise vom
BVG-Sicherheitsfonds garantiert werden (Art. 56 Abs. 1 lit. b BVG).

1.7 Ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung lässt sich entgegen der
Beschwerdeführerin auch nicht aus der Pflicht der Aufsichtsbehörden ableiten,
die Integrität und Loyalität der Verantwortlichen einer Vorsorgeeinrichtung zu
prüfen. Die Beschwerdeführerin weist zwar zu Recht und entgegen der Vorinstanz
darauf hin, dass gemäss Art. 9 lit. b der VOSTRA-Verordnung Verurteilungen, bei
denen von einer Strafe Umgang genommen wird, im Strafregister nicht eingetragen
werden.
Art. 51b BVG verlangt nicht, dass die zu prüfende Person nie strafrechtlich
verurteilt worden ist. Nach Art. 13 Abs. 1 lit. a BVV 1 berücksichtigen die
Aufsichtsbehörden hingegen nur strafrechtliche Verurteilungen, deren Eintrag im
Schweizerischen Strafregister nicht entfernt ist. Gewähr für eine einwandfreie
Geschäftstätigkeit, Integrität und Loyalität der Verantwortlichen kann so auch
bestehen, wenn eine frühere Verurteilung mittlerweile aus dem Strafregister
entfernt worden ist oder - wie vorliegend - wenn eine solche nie eingetragen
worden ist. Art. 51b BVG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 lit. a BVV 1
begründen damit kein öffentliches Interesse an einer Bestrafung des
Beschwerdegegners. Auch wenn die Vorinstanz zu Unrecht davon ausgegangen ist,
dass Verurteilungen, bei denen von einer Strafe Umgang genommen wird, im
Strafregister eingetragen werden, verletzt sie im Ergebnis kein Bundesrecht.
Der Grund für dieses möglicherweise unbefriedigende Ergebnis ist in Art. 9b der
VOSTRA-Verordnung zu erblicken. Eine Korrektur über die von der
Beschwerdeführerin gewünschte Auslegung der Interessen der Öffentlichkeit nach
Art. 53 lit. b StGB scheidet aus.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Es sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihm im
vorliegenden Verfahren keine Umtriebe entstanden sind (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Entschädigungen ausgerichtet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. August 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller