Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.277/2012
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_277/2012

Urteil vom 14. August 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys, Schöbi,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Francesco Bertossa,
Beschwerdeführer,

gegen

1. A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Philippe Rosat,
2. B.________,
3. C.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Herren,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Üble Nachrede usw.; Verjährung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 14. März 2012.

Sachverhalt:

A.
Das Regionalgericht Bern-Mittelland sprach A.________, B.________ und
C.________ am 17. Juni 2011 vom Vorwurf der üblen Nachrede, evtl. Beschimpfung
zum Nachteil von X.________ frei. Die Feststellungsbegehren und die Anträge auf
Zusprechung einer Genugtuung von X.________ wies es ab. Gegen dieses Urteil
erhob Letzterer Berufung.

B.
Das Obergericht des Kantons Bern trat mit Beschluss vom 14. März 2012 auf das
Verfahren gegen A.________, B.________ und C.________ wegen übler Nachrede,
evtl. Beschimpfung, angeblich begangen zum Nachteil von X.________ in der Zeit
von September bis November 2007, infolge Eintritts der Verjährung nicht ein.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Entscheid des
Obergerichts vom 14. März 2012 sei aufzuheben, soweit auf die Zivilklage gegen
A.________, B.________ und C.________ nicht eingetreten werde. Das Obergericht
sei anzuweisen, das Berufungsverfahren in Bezug auf den Zivilpunkt anhand zu
nehmen.

Erwägungen:

1.
Am 1. Januar 2011 trat die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober
2007 (StPO; SR 312.0) in Kraft. Der Entscheid des Regionalgerichts
Bern-Mittelland erging nach dem 1. Januar 2011. Das Verfahren richtet sich
daher nach neuem Recht (Art. 454 Abs. 1 StPO).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe im Nichteintretensbeschluss
zu Unrecht nicht zwischen dem Strafanspruch und dem Zivilanspruch
unterschieden. Sie hätte (zumindest) die Beurteilung der Zivilklage anhand
nehmen müssen. Seine Feststellungs-, Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche
seien erstinstanzlich abgewiesen worden. Die Berufung habe sich auch gegen
dieses im Rahmen des Strafverfahrens ergangene zivilrechtliche Urteil
gerichtet. Durch das Nichteintreten auf die Berufung werde das Urteil im
Zivilpunkt rechtskräftig. Das Zivilrecht kenne keine Verjährung, die der Kläger
nicht unterbrechen könne. Der Gesetzgeber habe diesen Grundsatz mit der
Fixierung der (Straf-)Verfolgungsverjährung auf den Zeitpunkt des
erstinstanzlichen Urteils nicht ändern wollen.

2.2 Die Strafverfolgungsverjährung für Vergehen gegen die Ehre beträgt gemäss
Art. 178 Abs. 1 StGB vier Jahre. Das neue Verjährungsrecht sieht weder ein
Ruhen noch eine Unterbrechung der Verjährung vor und unterscheidet entsprechend
nicht zwischen relativen und absoluten Verjährungsfristen (BGE 135 IV 196 E.
2.1; 133 IV 112 E. 9.4.1). Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein
erstinstanzliches Urteil ergangen, so tritt die Verjährung jedoch nicht mehr
ein (Art. 97 Abs. 3 StGB). Unter erstinstanzlichen Urteilen im Sinne von Art.
97 Abs. 3 StGB sind ausschliesslich verurteilende Erkenntnisse zu verstehen (
BGE 135 IV 196 E. 2.1; 134 IV 328 E. 2.1).

2.3 Die Verfahrensleitung prüft im Hauptverfahren, ob Verfahrenshindernisse
bestehen (Art. 329 Abs. 1 lit. c StPO). Kann ein Urteil definitiv nicht
ergehen, so stellt das Gericht das Verfahren ein (Art. 329 Abs. 4 StPO). Mit
der Einstellung des Verfahrens entfällt die Möglichkeit einer adhäsionsweisen
Beurteilung der Zivilansprüche (Art. 126 Abs. 2 lit. a StPO).
Verfahrenshindernisse sind von den mit dem Fall befassten Strafbehörden in
allen Verfahrensstadien vorweg und laufend sowie von Amtes wegen zu prüfen
(NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2009, N. 321
S. 121). Das Berufungsgericht entscheidet in einem schriftlichen Verfahren,
wenn die Verfahrensleitung oder eine Partei Prozesshindernisse geltend macht
(vgl. Art. 403 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 StPO). Stellt die Berufungsinstanz ein
Prozesshindernis fest, ergeht analog zu Art. 329 Abs. 4 StPO eine Einstellung
des Verfahrens (NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung,
Praxiskommentar, 2009, N. 9 zu Art. 403 StPO). Zu den Verfahrens- bzw.
Prozesshindernissen im Sinne von Art. 329 Abs. 1 lit. c und Art. 403 Abs. 1
lit. c StPO gehört namentlich die Verjährung (BBl 2005 1278 und 1315; SCHMID,
Handbuch, a.a.O., N. 1287 S. 589 und N. 1558 S. 712). Die Verjährung führt zur
Einstellung des Verfahrens und nicht zum Freispruch (SCHMID, Handbuch, a.a.O.,
N. 323 S. 122). Diese Frage wurde unter den kantonalen Strafprozessordnungen
nicht einheitlich gehandhabt (vgl. NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des
Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2005, N. 1372 f. S. 583; LUZIUS EUGSTER, in:
Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 6 zu Art. 403
StPO).

2.4 Da die Beschwerdegegner vom Regionalgericht freigesprochen wurden, lief die
Strafverfolgungsverjährung nach dem erstinstanzlichen Urteil weiter. Die
Beschwerdegegner erklärten sich je mit Schreiben vom 15. Dezember 2011 mit der
Beschränkung des Berufungsverfahrens auf die Frage der Verjährung einverstanden
(Urteil ad. Ziff. 1 S. 2). Das Obergericht prüfte lediglich die Verjährung und
verfügte zu Recht die Einstellung des Verfahrens gegen die Beschwerdegegner im
Straf- und Zivilpunkt, soweit die vorgeworfenen Taten strafrechtlich verjährt
waren. Nicht einzutreten war damit auf die Berufung des Beschwerdeführers
betreffend die Freisprüche und die Abweisung der Zivilklagen (Art. 403 Abs. 1
lit. c und Abs. 3 StPO).

2.5 Stellt das Berufungsgericht das Verfahren wegen eines Prozesshindernisses
wie der Verjährung ein, wird das erstinstanzliche Urteil hinfällig (SCHMID,
Praxiskommentar, a.a.O., N. 9 zu Art. 403 StPO; vgl. auch Art. 408 StPO). Die
Zivilansprüche des Beschwerdeführers wurden somit nicht rechtskräftig
abgewiesen, sondern es erfolgte wegen eines im Adhäsionsprozess zu beachtenden
Prozesshindernisses ein Nichteintretensentscheid. Das Nichteintreten auf die
Zivilklage im Adhäsionsprozess führt dazu, dass diese auf dem Zivilweg geltend
gemacht werden muss (vgl. Art. 329 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Art. 320 Abs. 3 StPO).
Es entspricht im Ergebnis einer Verweisung auf den Zivilweg (ANNETTE DOLGE, in:
Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 29 zu Art. 126
StPO). Dem Privatkläger steht es frei, den Zivilweg zu beschreiten, wenn er der
Auffassung ist, die zivilrechtliche Verjährung sei noch nicht eingetreten.

2.6 Ob die Vorinstanz die Zivilklage ausdrücklich auf den Zivilweg hätte
verweisen müssen (vgl. Art. 126 Abs. 2 lit. a StPO), kann offenbleiben, da
Entsprechendes vom Beschwerdeführer nicht beantragt wird.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs.
1 BGG).
Die Beschwerdegegner wurden nicht zur Stellungnahme aufgefordert. Es sind ihnen
im bundesgerichtlichen Verfahren keine Kosten erwachsen und keine
Parteientschädigungen zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. August 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld