Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.26/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_26/2012

Urteil vom 16. Februar 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Einzelrichter,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

1. A.________,
Beschwerdegegner,
2. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Erschleichung einer Falschbeurkundung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 1. Dezember 2011.

Der Einzelrichter zieht in Erwägung:

1.
Am 15. April 2006 reichte der zwischenzeitlich verstorbene Vater des
Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Verkauf seiner Liegenschaft
B.________ Strafanzeige gegen den Beschwerdegegner wegen Betrugs, Nötigung,
Erpressung und Urkundenfälschung ein. Dieser habe seine finanzielle Notlage,
welche ihn zum Verkauf der Liegenschaft gedrängt habe, missbraucht, um mit
strafbaren Mitteln den Eintrag in das Grundbuch zu erschleichen.

Das Verfahren gegen den Beschwerdegegner wegen Betrugs, Erpressung und Nötigung
zum Nachteil des verstorbenen Vaters des Beschwerdeführers wurde rechtskräftig
eingestellt (vgl. Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 15. Dezember 2009,
Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 20. September 2010, Urteil
des Bundesgerichts 6B_895/2010 vom 16. Dezember 2010 E. 1). Das Verfahren wegen
Erschleichens einer Falschbeurkundung wurde weitergeführt. Der Beschwerdeführer
als Rechtsnachfolger seines verstorbenen Vaters reichte am 17. November 2010 im
Zusammenhang mit dem erwähnten Liegenschaftsverkaufsgeschäft adhäsionsweise
eine Zivilforderung über Fr. 777'997.-- ein.
Das Bezirksgericht Kulm sprach den Beschwerdegegner vom Vorwurf des
Erschleichens einer Falschbeurkundung am 22. Februar 2011 frei. Auf die
Zivilforderung des Beschwerdeführers trat es nicht ein. Dieser legte gegen das
bezirksgerichtliche Urteil Berufung ein. Er verlangte die Verurteilung des
Beschwerdegegners wegen Erschleichens einer Falschbeurkundung. Das Obergericht
des Kantons Aargau trat auf die Berufung mit Beschluss vom 1. Dezember 2011
nicht ein.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das
Bundesgericht.

2.
2.1 Der angefochtene Beschluss erging im Rahmen eines Strafverfahrens und
unterliegt der Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG. Bei der
Vorinstanz handelt es sich um ein oberes Gericht. Sie hat als
Rechtsmittelinstanz kantonal letztinstanzlich entschieden. Die Beschwerde ist
nach Art. 80 BGG zulässig.

2.2 Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer
a) vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen (...) hat und b) ein rechtlich
geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen
Entscheids hat. Dazu zählt lit. b Ziff. 5 in der seit dem 1. Januar 2011 in
Kraft stehenden neuen Fassung die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene
Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann.

Der angefochtene Beschluss erging nach dem 1. Januar 2011. Gemäss Art. 132 Abs.
1 BGG ist daher die neue Fassung von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG
massgebend (Urteile 6B_90/2011 vom 24. Mai 2011 E. 1.1; 1B_119/2011 vom 20.
April 2011 E. 1.2).

2.3
2.3.1 Anwendbar ist die am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Schweizerische
Strafprozessordnung (da der erstinstanzliche Entscheid vom 22. Februar 2011
datiert, vgl. Art. 454 Abs. 1 StPO; BGE 137 IV 219 E. 1.1 S. 221 mit
Hinweisen).

2.3.2 Gemäss Art. 118 Abs. 1 StPO gilt als Privatklägerschaft die geschädigte
Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder
Zivilklägerin oder -kläger zu beteiligen.

Als geschädigte Person gilt nach Art. 115 Abs. 1 StPO die Person, die durch die
Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist. Unmittelbar verletzt
ist nach der Rechtsprechung in der Regel der Träger des Rechtsguts, welches
durch die fragliche Strafbestimmung geschützt werden soll (BGE 128 I 218 E. 1.5
S. 223 mit Hinweisen).

2.4 Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen nach der heute
überwiegenden Rechtsauffassung das Vertrauen, welches einer Urkunde im
Rechtsverkehr als einem Beweismittel entgegengebracht wird. Rechtsgut ist somit
der Schutz der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden
und das öffentliche Vertrauen in den Urkundenbeweis (BGE 133 IV 303 E. 4.2; 129
IV 53 E. 3.2; MARKUS BOOG, in: Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, 2. Aufl.
2007, Rz. 5 vor Art. 251 StGB). Die Fälschungsdelikte schützen damit in erster
Linie die Allgemeinheit, daneben aber auch private Geschäftsinteressen des
Einzelnen (BGE 92 IV 44). Eine Schädigung von Individualinteressen durch ein
Urkundendelikt ist möglich, namentlich wenn es Bestandteil eines schädigenden
Vermögensdelikts bildet (BGE 119 Ia 342 E. 2b; siehe auch BGE 120 Ia 220 E.
3b).

2.5 Das Verfahren gegen den Beschwerdegegner wegen Betrugs, Nötigung und
Erpressung im Zusammenhang mit dem Liegenschaftsverkaufsgeschäft B.________
wurde rechtskräftig eingestellt mit der Begründung, es fehlten jegliche
Anhaltspunkte für die Verwirklichung dieser Straftatbestände (Entscheid des
Obergerichts vom 20. September 2010, S. 5, 7, 8). Der Vorwurf des Erschleichens
einer falschen Beurkundung bildet damit nicht Bestandteil der eingestellten
Vermögens- und Nötigungsdelikte, durch die sich der Beschwerdeführer
offensichtlich geschädigt fühlt und aus denen er letztlich seine Zivilforderung
ableitet. Die Voraussetzungen von BGE 119 Ia 342 sind damit nicht erfüllt.
Inwiefern der Beschwerdeführer für sich gesehen durch das Erschleichen einer
falschen Beurkundung, woran sein verstorbener Vater gemäss Anklage selber
beteiligt gewesen sein soll (vgl. Anklage vom 15. Dezember 2009, S. 4), in
seinen Rechten beeinträchtigt sein könnte, ist nicht ersichtlich. Der
Beschwerdeführer ist nicht geschädigte Person im Sinne von Art. 115 StPO, daher
nicht Privatkläger nach Art. 118 StPO und deshalb nicht zur Beschwerde in
Strafsachen gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG legitimiert. Da er unter
keine andere in Art. 81 Abs. 1 lit b BGG genannte Beschwerdeberechtigung fällt
und er sich auch sonst nicht auf ein rechtlich geschütztes Interesse berufen
kann, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

3.
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt der Einzelrichter:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Februar 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Einzelrichter: Schneider

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill