Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.233/2012
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_233/2012

Urteil vom 5. November 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Adamczyk.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jean-Christophe Schai,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
2. Y.________ AG,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Versuchter Diebstahl, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch; Rücktritt und tätige
Reue; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Luzern, 4. Abteilung, vom 19. Dezember 2011.

Sachverhalt:

A.
X.________ wird vorgeworfen, er habe sich zu einem nicht mehr bestimmbaren
Zeitpunkt zwischen dem 9. und 12. Oktober 2009 auf dem Firmengelände der
Y.________ AG in Reiden in Mittäterschaft mit A.________, B.________,
C.________, D.________ und E.________ an einem Einbruchdiebstahl beteiligt.
Dabei wurde Geld im Betrag von Fr. 12'145.95 aus einem Tresor entwendet, und es
entstand ein Sachschaden von Fr. 2'000.--.

B.
Das Obergericht des Kantons Luzern sprach X.________ am 19. Dezember 2011
zweitinstanzlich schuldig des versuchten Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 StGB in
Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB), der Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1
StGB) sowie des Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB). Es verurteilte ihn zu einer
unbedingten Geldstrafe von 82 Tagessätzen zu Fr. 80.--, unter Anrechnung von 15
Tagen Untersuchungshaft beziehungsweise 15 Tagessätzen, als Zusatzstrafe zur
Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Luzern vom 7. April 2010 sowie zum
Urteil des Gerichtspräsidiums Muri vom 15. Oktober 2010.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf des versuchten Diebstahls,
der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruchs freizusprechen. Seine Eingabe
sei als subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu behandeln, falls die Beschwerde in
Strafsachen unzulässig sein sollte. Zudem ersucht X.________ um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in Strafsachen kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt
werden (Art. 95 lit. a BGG). Dazu zählt auch das Bundesverfassungsrecht (BGE
134 IV 36 E. 1.4.1 S. 39). Mit der Beschwerde in Strafsachen kann somit die
Verletzung von verfassungsmässigen Rechten und Willkür in der Beweiswürdigung
gerügt werden. Für die vom Beschwerdeführer eventualiter erhobene subsidiäre
Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) bleibt kein Raum.

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung (Art. 9 BV) und
eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo". Er habe sich nicht an der
Tat beteiligt. Er sei in beiden Phasen des Tatgeschehens im Auto geblieben, mit
dem er und die Mitbeteiligten angereist seien, dies jedoch ohne irgendeinen auf
die Tat bezogenen Auftrag.

2.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG, vgl. auch Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig
im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 134 IV 36 E. 1.4.1 S. 39).
Willkür in der Beweiswürdigung nach Art. 9 BV liegt vor, wenn die Behörde in
ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Das
Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die
Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass das angefochtene
Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine
andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 134 I 140 E.
5.4 S. 148; 127 I 54 E. 2b S. 56; je mit Hinweisen).

2.2 Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten
Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet. In
seiner vom Beschwerdeführer angerufenen Funktion als Beweiswürdigungsregel
besagt dieser Grundsatz, dass sich der Strafrichter nicht von einem für den
Beschuldigten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei
objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen,
ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Der Unschuldsvermutung als
Beweiswürdigungsregel kommt keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV
hinausgehende selbständige Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7 S. 81 f. mit
Hinweisen).

2.3 Wird die Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der willkürlichen
Anwendung von kantonalem Recht und Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung)
gerügt, gelten qualifizierte Anforderungen an die Begründung. Eine solche Rüge
prüft das Bundesgericht nur, wenn sie in der Beschwerde substanziiert begründet
worden ist. Das bedeutet, dass klar und detailliert anhand der Erwägungen des
angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte
verletzt worden sein sollen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5;
136 I 65 E. 1.3.1 S. 68; je mit Hinweisen).
2.4
2.4.1 Die Vorinstanz setzt sich ausführlich mit den Aussagen der an der Tat
Beteiligten auseinander und kommt gestützt darauf zum Schluss, dass der
Beschwerdeführer am Einbruchdiebstahl in Reiden mitwirkte. Sie verweist auch
auf die Ausführungen der ersten Instanz (Entscheid, S. 4-8; Urteil des
Bezirksgerichts Willisau, E. 5 S. 4 ff., E. 7 S. 18 ff., E. 8 S. 24 ff., E. 9
ff. S. 26 ff.). Der Beschwerdeführer habe sich spätestens in Reiden, als er
festgestellt habe, dass seine Kollegen im Auto Handschuhe angezogen hätten,
entschlossen, am Einbruchdiebstahl mitzumachen, indem er nicht im Fahrzeug
zurückgeblieben sei, sondern sich ebenfalls zum Einbruchsobjekt begeben habe.
Er sei sodann auf den Balkon gestiegen, habe sich am Aufbrechen der Türe
beteiligt und sei auch ins Gebäude hineingegangen. In einer zweiten Phase des
Tatgeschehens - als man sich mit dem zu Hilfe geholten D.________ erneut in das
Gebäude begab und aus einem Tresor Bargeld entnehmen konnte - sei der
Beschwerdeführer im Auto zurückgeblieben. Ob er dabei die Aufgabe gehabt habe,
aufzupassen und die anderen zu warnen, sei nicht erwiesen (Entscheid, S. 8 f.).
2.4.2 Die Vorinstanz nimmt für die erste Phase des Tatgeschehens einen
alternativen Sachverhalt an. Danach sei der Beschwerdeführer, nachdem er
festgestellt habe, dass sich die Mitbeschuldigten Handschuhe angezogen hätten,
lediglich mitgegangen und habe sie dadurch unterstützt, ohne sich direkt am
Aufbrechen der Türe und am Eindringen in das Gebäude beteiligt zu haben. Die
Vorinstanz geht auch unter diesen Umständen von einer Mittäterschaft des
Beschwerdeführers aus (Entscheid, S. 8 f., 11).

2.5 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Aussagen der Mitbeteiligten seien
in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich (Beschwerde, S. 4 ff.). Die Vorinstanz
hat nicht übersehen, dass die Aussagen der Beteiligten in einzelnen Punkten
unterschiedlich und nicht konstant waren und zieht diesen Umstand in die
Beweiswürdigung mit ein. Sie verweist auch auf die ihres Erachtens zutreffenden
Erwägungen der ersten Instanz (Entscheid, S. 5-8; Urteil des Bezirksgerichts
Willisau, E. 7.7 S. 23). Die Vorinstanz durfte aufgrund der Aussagen der
Beteiligten, unter Berücksichtigung von deren teilweise unterschiedlichen
Schilderungen, ohne Willkür jedenfalls den alternativen Sachverhalt
(vorstehend, E. 2.4.2) als erwiesen ansehen. Der Beschwerdeführer vermag nicht
darzutun, inwiefern dieses Beweisergebnis unhaltbar ist.
Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob der von der Vorinstanz
festgestellte Sachverhalt, wonach der Beschwerdeführer auch am Aufbrechen der
Türe beteiligt und ins Gebäude eingedrungen war (vorstehend, E. 2.4.1),
willkürfrei festgestellt wurde.

3.
Der Beschwerdeführer führt aus, E.________ habe bei der
Konfrontationseinvernahme mit ihm ausgesagt, er - der Beschwerdeführer - habe
bereits zum Zeitpunkt, als man das erste Mal zum Einbruchsobjekt gefahren sei,
erklärt, dass er nicht ins Gebäude mitkommen werde. Diese Aussage sei von der
Vorinstanz nicht gewürdigt beziehungsweise sogar bewusst weggelassen worden,
was Art. 23 StGB verletze und willkürlich im Sinne von Art. 9 BV sei
(Beschwerde, S. 5).

Die Vorinstanz führt unter Verweis auf die Erwägungen der ersten Instanz
(Urteil des Bezirksgerichts Willisau, E. 7.3.3 S. 20 f.) aus, E.________ habe
seine bei der Polizei und dem Amtsstatthalteramt belastenden Aussagen
anlässlich der Konfrontationseinvernahme erheblich zugunsten des
Beschwerdeführers abgeschwächt. So habe er neu ausgesagt, er könne sich zwar
nicht mehr erinnern, dass jemand gesagt habe, bei diesem Einbruchdiebstahl
nicht mitmachen zu wollen. Es könne allerdings sein, dass der Beschwerdeführer
gar nicht verstanden habe, worum es gegangen sei. Vor dem Einbruchsobjekt habe
der Beschwerdeführer gesagt, dass er nicht ins Gebäude komme (Entscheid, S. 5
f.). Die Vorinstanz führt weiter aus, es leuchte nicht ein, weshalb E.________
beim Amtsstatthalteramt dem Beschwerdeführer deutlich eine aktive Teilnahme am
Einbruchdiebstahl zugesprochen habe, um dann bei der Konfrontationseinvernahme
einen Monat später nichts mehr von diesen Aussagen wissen zu wollen. Auch
aufgrund des freundschaftlichen Verhältnisses zwischen E.________ und dem
Beschwerdeführer seien die geänderten Aussagen des Ersteren mit Vorbehalt zu
würdigen. Die den Beschwerdeführer belastenden Schilderungen beim
Amtsstatthalteramt seien als glaubhafter einzustufen. Auf das abgeschwächte
Aussageverhalten von E.________ anlässlich der Konfrontationseinvernahme könne
nicht abgestellt werden (Entscheid, S. 6).
Die Ausführungen der Vorinstanz lassen keine Willkür erkennen. Aus ihren
Erwägungen ergibt sich, dass auf die vom Beschwerdeführer vorstehend (Absatz 1)
angeführte Aussage von E.________ nicht abzustellen ist. Die Rüge ist
unbegründet.

4.
Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass der Beschwerdeführer mittäterschaftlich
handelte. Nach der Rechtsprechung ist Mittäter, wer bei der Entschliessung,
Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise
mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht. Das
blosse Wollen der Tat, der subjektive Wille allein, genügt zur Begründung von
Mittäterschaft nicht. Der Täter muss vielmehr bei der Entschliessung, Planung
oder Ausführung der Tat auch tatsächlich mitwirken. Daraus folgt nicht, dass
Mittäter nur ist, wer an der eigentlichen Tatausführung beteiligt ist oder sie
zu beeinflussen vermag. Dass der Mittäter bei der Fassung des gemeinsamen
Tatentschlusses mitwirkt, ist nicht erforderlich. Es genügt, dass er sich
später den Vorsatz seiner Mittäter zu eigen macht (BGE 135 IV 152 E. 2.3.1 S.
155; 130 IV 58 E. 9.2.1 S. 66; 125 IV 134 E. 3a S. 136).
Der Beschwerdeführer macht nicht substanziiert geltend, inwiefern seine durch
die Vorinstanz angenommene Mittäterschaft in Bezug auf den alternativen
Sachverhalt (vorstehend, E. 2.4.2) nicht gegeben ist. Er kommt seiner
Begründungspflicht nicht nach, weshalb auf die Rüge nicht einzutreten ist. Im
Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Vorinstanz für den alternativen
Sachverhalt zu Unrecht Mittäterschaft angenommen hätte. Der Beschwerdeführer
machte sich den Tatentschluss der weiteren Beteiligten zu eigen, indem er mit
diesen mitging, nachdem er festgestellt hatte, dass Handschuhe angezogen
wurden.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit
der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen
(Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, 4.
Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. November 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Adamczyk