Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.225/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_225/2012

Urteil vom 28. September 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Denys, Schöbi,
Gerichtsschreiber Boog.

Verfahrensbeteiligte
X._________,
vertreten durch Rechtsanwalt Roland Götte,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Einfache Verletzung der Verkehrsregeln; Willkür, Grundsatz in dubio pro reo,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 28. Februar 2012.

Sachverhalt:

A.
X._________ fuhr am 18. September 2009, um ca. 02.50 Uhr, als Lenker eines
Personenwagens Audi RS4 von Zürich in Richtung Birmensdorf. Ab der
Lichtsignalanlage bei der Kreuzung Zürcherstrasse/Birmensdorferstrasse in
Uitikon Waldegg folgte er mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h dem vor ihm
fahrenden Personenwagen Opel Astra von A._________. X._________ wird
vorgeworfen, er sei dabei auf 4 bis 5 Meter zum voranfahrenden Fahrzeug
aufgeschlossen und habe diesen Abstand über eine Strecke von ca. 1 Kilometer
bis zur Kontrollstelle der Kantonspolizei an der Zürcherstrasse in Birmensdorf
eingehalten.

B.
Das Bezirksgericht Dietikon erklärte X._________ mit Urteil vom 15. März 2011
der vorsätzlichen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90
Ziff. 2 SVG in Verbindung mit Art. 34 Abs. 4 SVG und Art. 12 Abs. 1 VRV
schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 18 Tagessätzen zu Fr.
100.--, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren. Auf
Berufung des Beurteilten hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am
28. Februar 2012 das erstinstanzliche Urteil, soweit dieses nicht in
Rechtskraft erwachsen war.

C.
X._________ führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht, mit der er
beantragt, er sei vom Vorwurf der groben Verletzung der Verkehrsregeln
freizusprechen, der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig zu
erklären und mit einer Busse zu bestrafen. Eventualiter sei die Sache zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

D.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des
Sachverhalts. Er räumt ein, zu nahe hinter dem Fahrzeug von A._________
hergefahren zu sein. Er macht aber geltend, der Abstand habe 13 bis 14 Meter,
mindestens jedoch 10 Meter betragen. Der Sachverhalt sei lediglich als einfache
Verletzung von Verkehrsregeln zu würdigen.

Im Einzelnen bringt der Beschwerdeführer vor, die zur Tatzeit herrschenden
Umstände hätten keine zuverlässige Schätzung des Abstands erlaubt. Es lägen
denn auch verschiedene, stark von einander abweichende Angaben vor. Während der
Zeuge A._________ den Abstand auf 3 bis 5 bzw. 4 bis 5 Meter geschätzt habe,
seien die Polizeibeamten B._________ und C._________ von einer Entfernung von 8
bis 10 bzw. 5 bis 10 Metern ausgegangen. Die Zeugen D._________ und
E._________, welche als Beifahrer in dem von ihm gelenkten Wagen mitgefahren
seien, hätten die Distanz schliesslich auf 13 oder 14 bzw. auf 12 oder 13 Meter
geschätzt. Er selbst habe stets ausgesagt, der Abstand habe zwei Wagenlängen
(10 Meter) bzw. drei Sekunden betragen (Beschwerde S. 3 f.). Die beiden
Polizeibeamten hätten lediglich das Ende der Fahrt beobachtet. Zudem hätten
sich ihre Wahrnehmungen auf einen Wegabschnitt beschränkt, auf welchem der
Zeuge A._________ wegen der Polizeikontrolle habe abbremsen müssen, so dass
sich der Abstand zu seinem Fahrzeug eher verringert habe. Ihre Aussagen seien
nur beschränkt beweisgeeignet (Beschwerde S. 4 ff.). Für den restlichen Teil
der Fahrt seien die Aussagen des Zeugen A._________ nicht verlässlicher als
diejenigen seiner beiden Mitfahrer. Jener habe unumwunden zugegeben, dass seine
Angaben lediglich als ungefähre Schätzung des Mindestabstandes zu verstehen
seien. Im Übrigen sei durchaus denkbar, dass er den nicht ausreichenden Abstand
nur deshalb gemeldet habe, weil er mit dem Vorwurf einer
Geschwindigkeitsüberschreitung gerechnet und sich mit der Schilderung, er sei
vom nachfolgenden Wagen bedrängt worden, einen Vorteil für sich ausgerechnet
habe (Beschwerde S. 6 ff.). Schliesslich sei sein eigenes Aussageverhalten
keineswegs so widersprüchlich, wie die Vorinstanz dies darzustellen versuche.
Er habe lediglich nicht gewusst, dass zwei Wagenlängen bei einer
Geschwindigkeit von 50 km/h nicht einer Distanz von drei Sekunden entspreche
und dass ein Abstand von 10 Metern nicht genüge. Es gebe auch gar keinen Grund,
weshalb er auf das voranfahrende Fahrzeug zu nahe hätte aufschliessen sollen.
Er habe die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nie überschritten
und habe offensichtlich auch nicht schneller fahren und den vor ihm fahrenden
Wagen überholen wollen. Ausserdem wäre er bei einem Abstand von lediglich 4 bis
5 Metern und einer Geschwindigkeit von 50 km/h unter Berücksichtigung der
Reaktionszeit wohl in das Heck des Fahrzeugs von A._________ geprallt, als
dieser abgebremst habe. Insgesamt lasse sich nicht exakt feststellen, welchen
Abstand er tatsächlich eingehalten habe. Es müsse in Anwendung des Grundsatzes
"in dubio pro reo" von dem für ihn günstigeren Sachverhalt ausgegangen werden,
der lediglich als einfache Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1
SVG zu würdigen sei (Beschwerde S. 9 ff.).

1.2 Die Vorinstanz erachtet den angeklagten Sachverhalt unter Verweisung auf
das erstinstanzliche Urteil für erstellt. Sie stützt sich hiefür im
Wesentlichen auf die Aussagen des Zeugen A._________. Der Zeuge habe kein
erkennbares Interesse an einem bestimmten Ausgang des Verfahrens. Er habe
sowohl in der polizeilichen als auch in der staatsanwaltschaftlichen
Einvernahme übereinstimmend ausgesagt, der Beschwerdeführer habe auf der Höhe
der Lichtsignalanlage am Ortseingang Uitikon auf 3 bis 5 Meter zu ihm
aufgeschlossen und habe diesen Abstand im Wesentlichen bis zur Kontrollstelle
beibehalten. Zeitweise sei er so dicht aufgefahren, dass er im Rückspiegel
dessen Frontlichter nicht mehr gesehen habe. Die Aussagen des Zeugen seien
lebensnah, detailliert ohne unauflösbare Widersprüche. Er habe seine
Wahrnehmungen zurückhaltend, sachlich und ohne Übertreibungen geschildert.
Ausserdem würden dessen Bekundungen durch die Aussagen der beiden
Polizeibeamten gestützt. So habe der Polizeibeamte B._________ angegeben, dass
er bei der Kontrolle den vom Beschwerdeführer gelenkten Personenwagen erst sehr
spät bemerkt habe, was auf einen sehr geringen Abstand zwischen den Fahrzeugen
schliessen lasse. Die Aussagen des Beschwerdeführers seien demgegenüber krass
widersprüchlich. Er habe den Abstand zum voranfahrenden Fahrzeug einerseits mit
einer bzw. mit zwei Wagenlängen angegeben, andererseits wolle er den Abstand
unter Beachtung der "Drei-Sekunden-Regel" gewahrt haben. Seine Schätzung bewege
sich demnach zwischen 8 Metern, welche Entfernung seiner Meinung nach zwei
Wagenlängen entsprach, und 42 Metern, welche Strecke ein Fahrzeug bei einer
Geschwindigkeit von 50 km/h während drei Sekunden zurücklege. Seine Aussagen
erwiesen sich insgesamt als blosse Schutzbehauptungen. Schliesslich vermöchten
auch die Bekundungen der als Zeugen befragten Beifahrer des Beschwerdeführers
die glaubhafte Darstellung des Zeugen A._________ und der Polizeibeamten nicht
ernsthaft in Frage zu stellen (Urteil S. 6 f.; erstinstanzliches Urteil S. 6
ff.).

1.3 Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde an das
Bundesgericht in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt
Recht verletzt. Soweit sich die Beschwerde gegen die tatsächlichen
Feststellungen richtet, gilt eine qualifizierte Rügepflicht. Gemäss Art. 97
Abs. 1 BGG kann die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur
gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Verletzung
von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht. Die Rüge der
offensichtlich unrichtigen, d.h. willkürlichen Feststellung des Sachverhalts
prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit, als sie in der
Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert begründet worden ist. In der
Beschwerde muss im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der angefochtene
Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 136
II 489 E. 2.8; 133 IV 286 E. 1.4 133 II 249 E. 1.4.2; 134 II 244 E. 2.1 und
2.2).

1.4 Nach Art. 34 Abs. 4 SVG ist gegenüber allen Strassenbenützern ein
ausreichender Abstand zu wahren, namentlich beim Kreuzen und Überholen sowie
beim Neben- und Hintereinanderfahren. Gemäss Art. 12 Abs. 1 VRV hat der
Fahrzeugführer beim Hintereinanderfahren einen ausreichenden Abstand zu wahren,
so dass er auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs
rechtzeitig halten kann. Was unter einem "ausreichenden Abstand" im Sinne von
Art. 34 Abs. 4 SVG zu verstehen ist, hängt von den gesamten Umständen ab,
namentlich von den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie der
Beschaffenheit der beteiligten Fahrzeuge. Die Rechtsprechung hat zur Frage,
wann eine grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG
anzunehmen ist, keine allgemeinen Grundsätze entwickelt. Im Sinne einer
Faustregel stellt die Rechtsprechung auf die Richtschnur "1/6-Tacho" bzw.
"Abstand von 0,6 Sekunden" ab (BGE 131 IV 133 E. 3.2.2; Urteil 6B_1030/2010 vom
22.3.2011 E. 3.3.2 mit Hinweisen).

1.5 Was der Beschwerdeführer vorbringt, erschöpft sich weitgehend in einer
blossen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil, auf welche das
Bundesgericht praxisgemäss nicht eintritt. Der Beschwerdeführer beschränkt sich
darauf, seine eigene Sicht der Verhältnisse zu schildern, diese der
vorinstanzlichen Beweiswürdigung gegenüberzustellen und darzulegen, seine
Auffassung sei derjenigen der Vorinstanz vorzuziehen. Dies ist jedoch nicht
geeignet, offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende
Zweifel daran darzutun, dass sich der Anklagesachverhalt verwirklicht hat. Denn
für die Begründung von Willkür, unter welchem Gesichtspunkt das Bundesgericht
prüft, ob der Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel verletzt
ist, genügt praxisgemäss nicht, dass das angefochtene Urteil mit der
Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung
oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (BGE 135 II 356
E. 4.2.1; 134 I 140 E. 5.4; 127 I 54 E. 2b mit Hinweisen). Willkür im Sinne von
Art. 9 BV liegt nach ständiger Rechtsprechung u.a. nur vor, wenn der
angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren oder
widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht oder mit der tatsächlichen Situation
in klarem Widerspruch steht (BGE 138 I 49 E. 7.1; 138 V 74 E. 7; 137 I 1 E. 2.4
je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hätte demnach substantiiert darlegen
müssen, inwiefern die Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unhaltbar
sind oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen und die
vorhandenen Beweise andere Schlussfolgerungen geradezu aufdrängen. Diesen
Anforderungen wird seine Beschwerde in weiten Teilen nicht gerecht.

Im Übrigen ist die Beweiswürdigung der Vorinstanz nachvollziehbar und sachlich
vertretbar. Auch wenn einzuräumen ist, dass das genaue Schätzen von Distanzen
schwierig ist, lässt sich nicht sagen, die Vorinstanz habe in unhaltbarer Weise
auf die Aussagen des Zeugen A._________, der das voranfahrende Fahrzeug gelenkt
hatte, und der beiden Polizisten abgestellt. Dass der Abstand ausserordentlich
gering war, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit daraus, dass der Zeuge
A._________ zeitweise die Frontlichter des vom Beschwerdeführer gesteuerten
Wagens in seinem Rückspiegel nicht mehr erkennen konnte, und dass der
Polizeibeamte B._________, als er den herannahenden Personenwagen in die
Kontrollstelle einwies, zunächst nicht realisiert hatte, dass zwei Fahrzeuge
kamen. Es mag zutreffen, dass bei nicht optimal gerichtetem Rückspiegel die
Frontlichter eines nachfolgenden Wagens auch bei leicht grösserem Abstand nicht
sichtbar sind. Dies genügt aber zur Begründung einer willkürlichen
Beweiswürdigung nicht. Insgesamt lassen die Einwände des Beschwerdeführers
keine offensichtlich erheblichen und schlechterdings nicht zu unterdrückenden
Zweifel am Beweisergebnis der Vorinstanz aufkommen.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. September 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Schneider

Der Gerichtsschreiber: Boog