Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.209/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_209/2012

Urteil vom 25. April 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Vergehen gegen das BG über die Ausländerinnen und Ausländer (Art. 115 Abs. 1
lit. b AuG),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 16. Februar 2012.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nachdem ein Asylgesuch des georgischen Staatsangehörigen X.________ 2001
abgewiesen worden war und er die Schweiz aufforderungsgemäss am 28. November
2001 verlassen hatte, reiste er am 12. Februar 2002 ohne Reisepapiere wieder
ein. Er stellte am 7. Juli 2003 ein Gesuch um Anerkennung als Staatenloser,
welches am 12. August 2004 durch das Bundesamt für Flüchtlinge abgelehnt wurde.
In derselben Weise entschied das Bundesamt für Migration am 13. November 2007
über ein erneutes Gesuch um Anerkennung der Staatenlosigkeit. X.________ wird
vorgeworfen, er habe sich im Wissen um die fehlende Aufenthaltsbewilligung bis
zum 2. März 2011 in der Schweiz aufgehalten und keine Anstrengungen
unternommen, sich legale Reisepapiere zu beschaffen.

Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 16. Februar 2012
im Berufungsverfahren wegen Vergehens gegen das Bundesgesetz über die
Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005 (AuG; SR 142.20) im Sinne
von Art. 115 Abs. 1 lit. b zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr.
10.--. Der Vollzug der Strafe wurde nicht aufgeschoben.

X.________ wendet sich ans Bundesgericht und beantragt, er sei freizusprechen.

2.
Der Beschwerdeführer erachtet es als "kaum glaubwürdig", dass er fast sieben
Jahre lang ohne Aufenthaltsberechtigung in der Schweiz gearbeitet haben könnte
(Beschwerde S. 2). Aus den drei von ihm eingereichten Bestätigungen über seine
Einsätze aus den Jahren 2004 und 2008 ergibt sich indessen nur, dass man mit
seinen Leistungen zufrieden war, nicht aber, dass er eine
Aufenthaltsbewilligung gehabt hätte. Folglich ist von der Feststellung der
Vorinstanz auszugehen, dass der Beschwerdeführer seit 2001 über keine
Aufenthaltsberechtigung in der Schweiz verfügte und ihm dies auch bewusst war
(angefochtener Entscheid S. 7 und 9).

3.
Der Beschwerdeführer ist Georgier, hat aber nach dem negativen Asylentscheid am
20. November 2001 auf seine Staatsangehörigkeit freiwillig verzichtet, um ein
Bleiberecht in der Schweiz zu erzwingen (angefochtener Entscheid S. 9 mit
Hinweis auf die Verfügungen vom 12. August 2004 und 13. November 2007). Sein
hier gestelltes Gesuch um Anerkennung als Staatenloser wurde mit der Begründung
abgewiesen, er habe freiwillig auf seine georgische Staatsangehörigkeit
verzichtet, und es sei ihm zuzumuten, die für die Wiedererlangung notwendigen
Schritte einzuleiten (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 2A.153/2005 vom 17.
März 2005). Die Abweisung des Gesuches um Anerkennung als Staatenloser ist
rechtskräftig, nachdem der Beschwerdeführer eine dagegen eingereichte
Beschwerde zurückgezogen hat (angefochtener Entscheid S. 9).

Bei dieser Sachlage bezieht sich der Beschwerdeführer zu Unrecht auf das
Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung von Georgien
über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 8. April 2005
(SR 0.142.113.609). Soweit dieses Abkommen für das vorliegende Strafverfahren
überhaupt eine Relevanz hat, kommen auf den Fall des Beschwerdeführers die von
ihm zitierten Art. 1 al 3 und Art. 4 Abs. 3 des Abkommens, die sich auf
Ausländer im Sinne des Abkommens beziehen, nicht zur Anwendung (Beschwerde S.
1). Gemäss Art. 2 Abs. 1 des Abkommens übernimmt jede Vertragspartei nämlich
auch jene Personen, welche die Staatsangehörigkeit der ersuchten Vertragspartei
besassen, sie indessen nach der Einreise in das Hoheitsgebiet der ersuchenden
Vertragspartei verloren haben. Unter den gegebenen Umständen hätte sich der
Beschwerdeführer, wie ihm bereits in den Verfügungen vom 12. August 2004 und
13. November 2007 unmissverständlich klar gemacht wurde, um die Wiedererlangung
georgischer Papiere bemühen müssen. Dies hat er unterlassen. Seine Verurteilung
wegen rechtswidrigen Aufenthalts in der Schweiz im Sinne von Art. 115 Abs. 1
lit. b AuG ist nicht zu beanstanden.

4.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen. Die
Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das
nachträglich gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung
von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen.
Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. April 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: C. Monn