Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.200/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_200/2012

Urteil vom 25. Juni 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Schöbi,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Bühler,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Amtsleitung, Feldstrasse 42, 8090
Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Sistierung einer ambulanten Massnahme,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, Einzelrichter,
vom 26. Januar 2012.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 30. April 2010
unter anderem wegen Vergewaltigung zu vier Jahren und sechs Monaten
Freiheitsstrafe. Das Bezirksgericht Zürich hatte bereits am 26. Juni 2009 eine
vollzugsbegleitende ambulante Massnahme angeordnet.

Gegen die inzwischen in Vollzug gesetzte ambulante Massnahme brachte X.________
am 12. Juli 2011 vor, er verzichte auf deren Weiterführung, da er mit der
Therapeutin unzufrieden sei, und er werde sich künftig jeglicher
therapeutischer Bemühungen des Staates enthalten. Nachdem das Amt für
Justizvollzug des Kantons Zürich bereits am 20. Mai 2011 ein psychiatrisches
Gutachten in Auftrag gegeben hatte, welches sich insbesondere zu geeigneten
Massnahmen äussern sollte, sistierte der Justizvollzug am 19. August 2011 den
Entscheid über Fortführung oder Aufhebung der ambulanten Massnahme bis zum
Vorliegen des Gutachtens.

Gegen die Sistierungsverfügung gerichtete Rechtsmittel wiesen die Direktion der
Justiz und des Innern des Kantons Zürich am 31. Oktober 2011 und das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 26. Januar 2012 ab, soweit darauf
eingetreten wurde.

X.________ führt beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen und beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. Januar 2012 sei aufzuheben. Es sei
festzustellen, dass die Sistierung des Entscheids betreffend Fortführung oder
Aufhebung der ambulanten Massnahme widerrechtlich erfolgt und das Gutachten
unter Verletzung seiner Rechte in Auftrag gegeben worden und dessen Inhalt
unverwertbar sei.

2.
Die Vorinstanz hält zunächst fest, Gegenstand des Verfahrens bilde nur die
Frage, ob der Justizvollzug den Entscheid betreffend Fortführung oder Aufhebung
der ambulanten Massnahme zu Recht bis zum Vorliegen des Gutachtens sistiert
habe. Demzufolge könnten die Verwertbarkeit des Gutachtens und die Frage, ob es
unter Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers in Auftrag gegeben worden
sei, nicht Gegenstand des Verfahrens sein. Einwände betreffend Verwertbarkeit
des Gutachtens oder die Unabhängigkeit des Gutachters müssten im Rahmen der
Rechtsmittel gegen den vom Justizvollzug noch zu fällenden Entscheid betreffend
Fortführung oder Aufhebung der ambulanten Massnahme erhoben werden (vgl.
angefochtenen Entscheid S. 3 E. 1.2).

Dem ist ohne Weiteres zuzustimmen. Der Justizvollzug verfügte am 19. August
2011 ausschliesslich, der Entscheid betreffend Fortführung oder Aufhebung der
ambulanten Massnahme nach Art. 63 StGB werde bis zum Vorliegen des Gutachtens
sistiert (Dispositiv Ziff. I). In Bezug auf die Bestellung des Gutachters hatte
der Justizvollzug bereits am 19. Mai 2011 eine Verfügung erlassen, gegen die
sich der Beschwerdeführer gemäss Rechtsmittelbelehrung mit Rekurs an die
Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich wenden konnte. Mit der
Bestellung des Gutachters hatte sich somit die Vorinstanz im angefochtenen
Entscheid und hat sich das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren nicht zu
befassen. Auch davon, dass sich das Bundesgericht bereits heute zur Frage der
angeblichen Widerrechtlichkeit des inzwischen erstellten Gutachtens äussern
könnte (Beschwerde S. 6 Ziff. 17 und 18), kann nicht die Rede sein. Dieses
Gutachten wird, wie die Vorinstanz zu Recht feststellt, im offenbar noch
hängigen Verfahren betreffend die ambulante Massnahme zu überprüfen sein.

3.
Die Vorinstanz kommt zum Schluss, angesichts des Umstands, dass ein früheres
Gutachten am 20. Mai 2011 bereits drei Jahre alt gewesen sei, und der Weigerung
des Beschwerdeführers, sich von staatlicher Seite therapieren zu lassen, sei
die Sistierung des Entscheids über das weitere Schicksal der ambulanten
Massnahme nicht zu beanstanden, da dieses wesentlich vom neuen Gutachten
abhänge (vgl. angefochtenen Entscheid S. 4 E. 2.1).

Der Beschwerdeführer rügt demgegenüber, gemäss Art. 63a Abs. 1 StGB prüfe die
zuständige Behörde mindestens einmal jährlich, ob die ambulante Behandlung
fortzusetzen oder aufzuheben sei. Eine Sistierung des entsprechenden Entscheids
sei im Gesetz nicht vorgesehen (Beschwerde S. 7 Ziff. 20).

Für den Fall, dass die zuständige Behörde bei ihrer jährlichen Prüfung
zusätzliche Abklärungen für notwendig erachtet, schliesst das Gesetz eine
Sistierung des Verfahrens bis zur Erledigung der Abklärungen nicht aus, auch
wenn dadurch die Prüfung nicht genau ein Jahr nach der letzten Prüfung
abgeschlossen werden kann. Allein aufgrund der Fristüberschreitung liegt noch
keine unzulässige Rechtsverzögerung vor. Im vorliegenden Fall kam die
Vorinstanz zum Schluss, insbesondere wegen der Weigerung des Beschwerdeführers,
sich im Rahmen einer Massnahme therapieren zu lassen, müsse das aktuelle
Gutachten abgewartet werden. Diese Auffassung und damit auch die Sistierung des
Verfahrens bis zum Vorliegen des Gutachtens sind nicht zu beanstanden.

Aus welchem Grund der Beschwerdeführer die Therapie ablehnt (vgl. Beschwerde S.
4 Ziff. 10 und S. 8/9 Ziff. 24-26), ist für den Ausgang des vorliegenden
Verfahrens unerheblich. Nachdem er sich weigert, die ambulante Behandlung
weiterzuführen, kann seine Rüge, man hätte ihn mit allen rechtlichen Mitteln
quasi zwingen müssen, sich der Massnahme zu unterziehen (Beschwerde S. 7 Ziff.
20), nur als mutwillig bezeichnet werden. Nachdem er darauf besteht, dass
künftig jede therapeutische Bemühung des Staates zu unterlassen sei, gilt
dasselbe für sein Vorbringen, es sei ihm kein valabler Ersatztherapeut zur
Verfügung gestellt worden (vgl. Beschwerde S. 7/8 Ziff. 22).

4.
Die Vorinstanz stellt fest, die Möglichkeit einer Sistierung sei im Rahmen der
Verfahrensleitung als Rechtsinstitut auch anerkannt, wenn nicht der Entscheid
einer anderen Behörde, sondern ein Gutachten abgewartet werden müsse (vgl.
angefochtenen Entscheid S. 4/5 E. 2.2). Was daran gegen das Willkürverbot von
Art. 9 BV verstossen könnte, ergibt sich aus der Beschwerde nicht (vgl. S. 13/
14 Ziff. 42-45).

5.
Was der Beschwerdeführer schliesslich unter dem Titel Rechtsverweigerung und
Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot vorbringt (vgl. Beschwerde S. 14-16
Ziff. 46-54), betrifft das Gutachten und ist im vorliegenden Verfahren nicht zu
hören.

6.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
3. Abteilung, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Juni 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Monn