Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.192/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_192/2012

Urteil vom 10. September 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Adamczyk.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Claude Fischer,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Versuchte Drohung (Art. 180 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer,
vom 24. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
Im August 2008 erklärte X.________ gegenüber seiner damaligen, getrennt von ihm
lebenden Ehefrau, Y.________, dass er nach Hause gehe, durchlade und nicht
wiederkomme.

B.
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach X.________ am 24. Januar 2012
zweitinstanzlich der versuchten Drohung gemäss Art. 180 Abs. 2 lit. a i.V.m.
Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 80.--.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, das Urteil des Obergerichts
sei aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 180 i.V.m. Art. 22 Abs. 1
StGB. Die Vorinstanz bejahe zu Unrecht das objektive Tatbestandsmerkmal der
schweren Drohung und den entsprechenden Vorsatz.

1.1 Nach Art. 180 Abs. 1 StGB wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer jemanden durch schwere Drohung in
Schrecken oder Angst versetzt. Der Täter wird nach Art. 180 Abs. 2 lit. a StGB
von Amtes wegen verfolgt, wenn er der Ehegatte des Opfers ist und die Drohung
während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung begangen wurde.
Der objektive Tatbestand der Drohung setzt voraus, dass der Drohende seinem
Opfer ein künftiges Übel ankündigt oder in Aussicht stellt, wobei er dessen
Eintritt als von seinem Willen abhängig hinstellen muss. Erforderlich ist ein
Verhalten, das geeignet ist, den Geschädigten in Schrecken oder Angst zu
versetzen. Dabei ist nach der Praxis des Bundesgerichts grundsätzlich ein
objektiver Massstab anzulegen, wobei in der Regel auf das Empfinden eines
vernünftigen Menschen mit einigermassen normaler psychischer Belastbarkeit
abzustellen ist (vgl. BGE 122 IV 97 E. 2b S. 100; 99 IV 212 E. 1a S. 215 f. mit
Hinweisen; Urteil 6S.103/2003 vom 2. April 2004 E. 9.4). Die Androhung eines
Übels kann sich u. a. gegen Rechtsgüter des Drohenden selber richten, sofern
sie geeignet ist, das Opfer in Schrecken oder Angst zu versetzen (DELNON/RÜDY,
in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl. 2007, N. 8 und 16 zu Art. 180
StGB). Zudem ist erforderlich, dass der Betroffene durch das Verhalten des
Täters tatsächlich in Schrecken oder Angst versetzt wird. Tritt dieser
tatbestandsmässige Erfolg nicht ein, kommt nur eine Verurteilung wegen
versuchter Drohung in Betracht. Der subjektive Tatbestand der Drohung verlangt
Vorsatz, mindestens Eventualvorsatz.

1.2 Die Vorinstanz erwägt, dass die Ankündigung gegenüber einem nahestehenden
Menschen, sich selber das Leben zu nehmen, geeignet sei, diesen in Angst oder
Schrecken zu versetzen. So hätte die damalige Ehefrau des Beschwerdeführers
durch seine Äusserung durchaus in Angst oder Schrecken versetzt werden können,
da sie hätte befürchten müssen, dass er sich das Leben nehmen und die
gemeinsamen Kinder ihren Vater verlieren würden. Jedoch sei Y.________ offenbar
nicht in der von Art. 180 StGB geforderten Weise erschreckt oder verängstigt
worden. Einerseits habe sie fast zwei Jahre mit einer Anzeige zugewartet.
Andererseits sei der Anlass für die Anzeige nicht die Suiziddrohung gewesen,
sondern eine Beschimpfung und SMS-Mitteilung. Deshalb sei der objektive
Tatbestand von Art. 180 StGB nur teilweise erfüllt. Da jedoch dem
Beschwerdeführer hätte bewusst sein müssen, seiner damaligen Ehefrau dadurch
ein grosses Übel in Aussicht zu stellen, dass er sich das Leben nehmen und die
Kinder ihren Vater verlieren würden, habe er zumindest auch in Kauf genommen,
dass seine Äusserung sie in Angst oder Schrecken versetzen konnte. Damit habe
er den subjektiven Tatbestand von Art. 180 StGB erfüllt.

1.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Äusserung von Suizidgedanken
hätte in keiner Art und Weise die Integrität und das Leben seiner damaligen
Ehefrau tangiert. Da Y.________ seit Jahren keinerlei Liebesgefühle ihm
gegenüber gehabt, sondern einen Scheidungsprozess mit Hass und Intrigen geführt
habe, wäre sein Ableben kaum zu einer Belastung für sie geworden. In
finanzieller Hinsicht wäre sein Suizid für sie sogar bedeutend lukrativer
gewesen. Es sei denn auch kaum verwunderlich, dass sie erst zwei Jahre später,
im Rahmen der Versuche, seine Besuchsrechte zu erschweren, diese Geschichten
hervorgeholt habe.

1.4
1.4.1 Der Beschwerdeführer verkennt die Tragweite der inkriminierten Äusserung.
Seine Suizidankündigung war geeignet, das Sicherheitsgefühl einer Ehepartnerin
mit zwei gemeinsamen, noch relativ kleinen Kindern in hohem Masse zu
beeinträchtigen. Seine damalige Ehefrau wäre im Falle seines Suizids nicht
abschätzbaren und sie allenfalls noch auf Jahre hinaus erheblich belastenden
Reaktionen und Fragen der Kinder einschliesslich Schuldzuweisungen ausgesetzt
gewesen. Aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers zur Ausübung des
Besuchsrechts ist von einem noch weitgehend intakten Verhältnis zu seinem Sohn
auszugehen. Dass die Beziehung der Tochter zu ihrem Vater als schwer
beeinträchtigt beschrieben wird, schliesst nicht aus, dass auch für sie sein
Suizid später zu einer Belastung hätte werden können. Überdies erweckte der vom
Beschwerdeführer verwendete Ausdruck des "Durchladens" den Anschein von bereits
konkreteren Vorstellungen hinsichtlich seines Vorgehens, was der Äusserung eine
noch beängstigendere Komponente verlieh.
Die Vorinstanz geht davon aus, dass Y.________ durch die Äusserung des
Beschwerdeführers, er werde Suizid begehen, nicht in Angst oder Schrecken
versetzt wurde. Somit kommt nur ein Versuch der Drohung in Betracht, falls der
subjektive Tatbestand erfüllt ist.
1.4.2 Der Beschwerdeführer handelte zumindest eventualvorsätzlich.
Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs
beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch
handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich
mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein. Der Richter darf vom Wissen
des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich diesem der Eintritt des Erfolgs
als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge
hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden
kann (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis). Der Beschwerdeführer war sich
der Möglichkeit bewusst, dass seine Suizidankündigung eine erhebliche
Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls seiner damaligen Ehefrau bewirken
konnte und sie dadurch auch in Angst oder Schrecken versetzt würde. Es wird ihm
nicht vorgeworfen, dass dies das eigentliche Ziel seiner Äusserung war, doch
nahm er die mögliche Wirkung in Kauf. Entgegen seinem Einwand vermag die
Hilflosigkeit und Verzweiflung wegen des hängigen Scheidungsverfahrens daran
nichts zu ändern. Die Ausführungen der Vorinstanz zum subjektiven Tatbestand
sind bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

2.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 10 BV. Das mit dieser Bestimmung
garantierte Recht auf Leben sei in die Erwägungen miteinzubeziehen. Dieses
verfassungsmässige Recht umfasse nicht nur die freie Gestaltung des Lebens,
sondern auch das Recht, dieses zu beenden, was implizit das Recht mitumfasse,
die selbstbestimmte Beendigung des eigenen Lebens gegenüber Drittpersonen zu
äussern. Eine solche Äusserung könne nicht strafbar sein.
Die Rüge ist unbegründet. Aus dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten
angeblichen Recht auf Suizid ergibt sich kein Recht, durch die Ankündigung des
Suizids nahe Angehörige in Schrecken oder Angst zu versetzen.

3.
Der Schuldspruch wegen versuchter Drohung (Art. 180 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art.
22 Abs. 1 StGB) verstösst nicht gegen Bundesrecht.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die
Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. September 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Adamczyk