Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.179/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_179/2012

Urteil vom 14. September 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Schöbi,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat David Schnyder,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Emma Herwegh-Platz 2a, 4410
Liestal,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Zuständigkeit des Gerichts; Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Strafrecht, vom 4. Oktober 2011.

Sachverhalt:

A.
Das Strafgericht Basel-Landschaft erklärte X.________ am 24. November 2010 der
mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (aArt.
19 Ziff. 1 und 2 lit. a, b und c BetmG) sowie der mehrfachen qualifizierten
Geldwäscherei (Art. 305bis Ziff. 2 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer
Freiheitsstrafe von 14 Jahren (unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 1'031
Tagen). Betreffend den Konsum von Betäubungsmitteln wurde in einem Anklagepunkt
von einer Bestrafung gemäss Art. 52 StGB Umgang genommen und einem andern Punkt
wegen Verjährung keine Folge gegeben. Von der Anklage des Anstaltentreffens zum
Handel mit Ephedrin wurde er mangels Strafbarkeit freigesprochen. Der Anklage
wegen mehrfacher Tätlichkeiten wurde wegen Verjährung ebenso wenig Folge
gegeben wie der Anklage betreffend Beteiligung an einer kriminellen
Organisation. Das Strafgericht ordnete gemäss Art. 57 Abs. 1 i.V.m. Art. 63
Abs. 1 StGB während des Strafvollzugs eine ambulante psychotherapeutische
Behandlung an.

Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies am 4. Oktober 2011 die Appellationen
von X.________ und der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft in Bestätigung des
strafgerichtlichen Urteils ab.

B.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Rechtsbegehren, das
kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache an die für die Anklage
zuständige Behörde zurückzuweisen. Eventualiter sei das Strafmass auf 7 Jahre
Freiheitsstrafe zu reduzieren. Es sei ein neues psychiatrisches Gutachten
anzuordnen. Vorsorglich seien schon für die Dauer des Verfahrens die
Bedingungen der Sicherheitshaft zugunsten des bestehenden vorzeitigen
Strafvollzugs aufzuheben. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer beantragt eine vorsorgliche Entscheidung über das
Haftregime. Er befinde sich seit dem 29. Januar 2008 in Untersuchungs-,
respektive Sicherheitshaft bzw. seit dem 4. Juli 2011 im vorzeitigen
Strafvollzug. Das angefochtene Urteil äussere sich nicht zur Fortsetzung des
vorzeitigen Strafvollzugs. Das geltende Haftregime gebe es gemäss StPO nicht.
Dies könne zu Zuständigkeitskonflikten führen. Ob Fluchtgefahr bestehe, habe
nach Gewährung des vorzeitigen Strafvollzugs nicht mehr die Strafbehörde,
sondern die für den Vollzug zuständige Behörde zu entscheiden.

Der Antrag ist nicht nachvollziehbar begründet. Der Beschwerdeführer legt nicht
dar, welche Norm verletzt sein soll. Darauf ist nicht einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, es liege ein Verstoss gegen Bundesrecht
vor, weil sich die kantonalen Strafbehörden entgegen Art. 24 StPO für zuständig
erklärt hätten. Das Verfahren hätte durch die Bundesanwaltschaft beim
Bundesstrafgericht zur Anklage gebracht werden müssen. Denn nach der
Anklageschrift liege eine kriminelle Organisation gemäss Art. 260ter StGB vor,
und die Drogenkäufe seien praktisch vollständig im Ausland begangen worden.

Die am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Schweizerische Strafprozessordnung ist
nicht anwendbar. Art. 24 StPO entspricht materiell weitgehend aArt. 337 bzw.
340bis StGB. Bereits nach dem alten und hier anwendbaren Recht ist die
Zuständigkeit zweckmässigerweise zu einem möglichst frühen Zeitpunkt
festzulegen. Wegen der im frühen Verfahrensstadium bestehenden Unsicherheiten
(vgl. BGE 133 IV 235 E. 4.4 und 4.5) verständigen sich die eidgenössischen und
kantonalen Strafbehörden über die Zuständigkeit (BGE 133 IV 235 E. 5.3). Zu
einer nachträglichen Änderung einer solchen Vereinbarung bedarf es triftiger
Gründe. Namentlich bei fortgeschrittener Untersuchung oder nach Anklageerhebung
sprechen Gründe der Effizienz und des Beschleunigungsgebots gegen eine
Änderung. Dies gilt ebenso bei fehlender (ausdrücklicher) Vereinbarung zwischen
den Strafverfolgungsbehörden (BGE 133 IV 235 E. 7.1 und 7.2).

Ist die Untersuchung abgeschlossen oder Anklage erhoben worden, so wird das
Bundesstrafgericht die Bundesgerichtsbarkeit nur ausnahmsweise und aus
triftigen Gründen in Frage stellen dürfen. Entsprechendes gilt für das
Verhältnis zwischen Bundesgerichtsbarkeit und Bundesverwaltungsstrafverfahren
(Urteil 6B_174/2010 vom 21. Oktober 2010 E. 5.4) bzw. zwischen
Bundesgerichtsbarkeit und kantonaler Gerichtsbarkeit (BGE 133 IV 235 E. 7.1 e
contrario). Nach dem Grundsatz der perpetuatio fori (vgl. BGE 133 IV 235 E.
6.3) bleibt die einmal begründete sachliche Zuständigkeit eines Gerichts
erhalten. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer erstmals vor der
Vorinstanz die Überweisung des Verfahrens an die Bundesanwaltschaft beantragte
(angefochtenes Urteil S. 6). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz
auf die Grenzen von Treu und Glauben bei der Bestreitung der Zuständigkeit
hinweist (vgl. BGE 133 IV 235 E. 6.3 S. 246). Besondere Gründe im Sinne der
Rechtsprechung, die für eine nachträgliche Änderung der Zuständigkeit sprächen,
sind weder dargetan noch ersichtlich.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt die Strafzumessung. Das Strafmass sei überrissen.
Er räumt zwar zutreffend ein, dass sich die Vorinstanz ausführlich zu den
einzelnen Aspekten der Strafzumessung äussert, namentlich zum Ausmass des
verschuldeten Erfolgs, der Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs, der
Willensrichtung, dem Mass an Entscheidungsfreiheit und den Beweggründen, dem
Vorleben und den persönlichen Verhältnissen, der Strafempfindlichkeit sowie zum
Verhalten im Strafverfahren. Er wendet aber ein, die Vorwürfe würden zu stark
gewichtet. Zwar liege eine Menge deutlich über dem Grenzwert vor. Tatsächlich
habe er aber lediglich seinen eigenen Konsum und vielleicht noch gewisse
Konsumgüter mit dem Handel finanzieren können.

Wie die Vorinstanz feststellt, führte der Beschwerdeführer in den Jahren 2005
bis 2007 ca. 79 kg Kokaingemisch ein, beinhaltend ca. 30 kg reines Kokain. Im
Zeitraum von 2001 bis 2008 führte er ca. 10 kg Marihuana, 5 kg Haschisch, 5 kg
Speed, 40'000 Ecstasy-Pillen sowie eine unbekannt gebliebene grössere Menge
MDMA ein. Hinzu komme das Anstaltentreffen im Januar 2008 zum Import von 8 kg
Kokaingemisch (enthaltend 3 kg reines Kokain). Der Umsatz habe in der ganzen
Zeitspanne etwa 5 Millionen Franken betragen, wobei der Reingewinn alleine in
den Jahren 2006 und 2007 rund Fr. 700'000.-- ausgemacht habe (angefochtenes
Urteil S. 12 f.). Der Beschwerdeführer habe innerhalb seiner Bande mit
internationaler Ausrichtung eine unangefochtene leitende Stellung innegehabt
(angefochtenes Urteil S. 14). Die Einwände des Beschwerdeführers sind
unbehelflich.

3.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, nach dem Gutachten könne die vorbestehende
Drogensucht bei der Strafzumessung eine gewisse Rolle spielen. Dennoch gewichte
die Vorinstanz diesen Aspekt nicht, sondern "berücksichtige das Gutachten
straferhöhend". Er stelle das Gutachten in Frage, weil gewisse persönliche
Kontakte zwischen den Strafverfolgungsbehörden und dem Gutachter bestanden
hätten, die für ihn (den Beschwerdeführer) nicht kontrollierbar gewesen seien
und das Ergebnis des Gutachtens beeinflusst haben könnten.

Die Vorinstanz geht in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Gutachten von
einer vollen Entscheidungsfreiheit aus (angefochtenes Urteil S. 16; Protokoll
der Befragung des Gutachters an der vorinstanzlichen Verhandlung S. 4). Das ist
nicht zu beanstanden.

Die Verteidigung hatte im Rahmen der Appellationsbegründung erstmals eine
mögliche Beeinflussung des Gutachters angetönt. Der Gutachter wurde dazu an der
vorinstanzlichen Verhandlung befragt (Protokoll S. 3 - 5). Die Vorinstanz nimmt
an, dass ohne Weiteres auf das Gutachten abgestellt werden könne (angefochtenes
Urteil S. 7). Mit der entsprechenden Begründung setzt sich der Beschwerdeführer
nicht auseinander, so dass auf die Rüge nicht weiter einzutreten ist.

Die Vorinstanz berücksichtigt ausreichend die ärztliche Fehldiagnose wegen
einer Erkrankung, die zu einer fatalistischen Haltung beigetragen habe
(angefochtenes Urteil S. 16).

3.3 Die Kritik an der Strafzumessung überzeugt nicht. Es kann auf das Urteil
verwiesen werden. Der Beschwerdeführer vermag keine Gründe darzutun, die zu
einer Herabsetzung des Strafmasses führen müssten. Die Strafe verbleibt im
Rahmen des weiten vorinstanzlichen Strafzumessungsermessens (vgl. BGE 134 IV 17
E. 2.1) und verletzt kein Bundesrecht.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren
abzuweisen (Art. 64 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers
(Beschwerde S. 10) ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen
(Art. 65 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. September 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Briw