Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.172/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_172/2012

Urteil vom 17. September 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Schöbi,
Gerichtsschreiber Boog.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Herb,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
2. A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Fertig,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Versuchte vorsätzliche Tötung; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 28. November 2011.

Sachverhalt:

A.
Am Freitag, 27. Februar 2009, um ca. 06.30 Uhr, kam es in der Diskothek im
Untergeschoss des Restaurants "R.________" in Zürich zu einer tätlichen
Auseinandersetzung zwischen mehreren Dominikanern. In deren Verlauf wurde
A.________ zunächst niedergeschlagen und hernach mit einer Faustfeuerwaffe
angeschossen. Dabei wird X.________ vorgeworfen, er habe, unmittelbar nachdem
das Opfer infolge eines Schlages mit einem Gegenstand auf den Hinterkopf zu
Boden gegangen sei, eine Pistole Kaliber .22 gezogen und dem auf dem Rücken
liegenden A.________ aus einer Distanz von höchstens 2 Metern ins Gesicht
geschossen. Anschliessend habe er versucht, aus der gleichen Position einen
zweiten Schuss auf das Opfer abzugeben. Infolge einer Funktionsstörung habe
sich aus der Waffe indes kein Schuss mehr gelöst.

A.________ erlitt eine Schussverletzung im Bereich der rechten Wange auf Höhe
der Backenzähne, wobei die Strukturen der Wange bis in die Tiefe der Kaumuskeln
durchtrennt wurden. Bei nur leicht verändertem Schusswinkel hätte es zu einer
Hirnverletzung oder zu einer Verletzung der grossen Halsgefässe mit tödlichem
Verlauf kommen können.

X.________ hat seine Täterschaft im kantonalen Verfahren stets bestritten und
eine Drittperson der Tat bezichtigt.

B.
Das Bezirksgericht Zürich erklärte X.________ mit Urteil vom 18. Mai 2011 der
versuchten vorsätzlichen Tötung sowie der Widerhandlung gegen das Waffengesetz
schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren, unter
Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Ferner
entschied es über die Einziehung der beschlagnahmten Gegenstände und
verpflichtete X.________ zur Bezahlung von Schadenersatz in der Höhe von Fr.
11'956.35 sowie einer Genugtuung in der Höhe von Fr. 5'000.-- mit Zins zu 5 %
seit dem 27. Februar 2009 an das Opfer. Im Mehrbetrag wies es das
Genugtuungsbegehren ab. Auf Berufungen des Beurteilten und der
Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil
vom 28. November 2011 das erstinstanzliche Urteil im Schuld- sowie im
Zivilpunkt und setzte die Freiheitsstrafe auf 14 Jahre herauf, unter Anrechnung
der ausgestandenen Untersuchungs- und Sicherheitshaft.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht, mit der er
beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei von der Anklage
der vorsätzlichen Tötung freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner ersucht er um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege.

D.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde an das
Bundesgericht in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt
Recht verletzt. Die Begründung muss in der Beschwerde selbst enthalten sein.
Ein Verweis auf frühere Rechtsschriften oder auf die Verfahrensakten ist
unzulässig (vgl. BGE 133 II 396 E. 3.1 mit Hinweisen). Soweit sich die
Beschwerde gegen die tatsächlichen Feststellungen richtet, gilt eine
qualifizierte Rügepflicht. Gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG kann die Feststellung des
Sachverhalts durch die Vorinstanz nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von
Art. 95 BGG beruht. Die Rüge der offensichtlich unrichtigen, d.h. willkürlichen
Feststellung des Sachverhalts prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2
BGG nur insoweit, als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und
substantiiert begründet worden ist. In der Beschwerde muss im Einzelnen
dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem qualifizierten
und offensichtlichen Mangel leidet. Auf eine bloss appellatorische Kritik am
angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 136 II 489 E. 2.8;
133 IV 286 E. 1.4 133 II 249 E. 1.4.2; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2).

2.
2.1 Die Vorinstanz stützt sich für ihren Schuldspruch im Wesentlichen auf die
Erkenntnisse aus einer Telefonüberwachung, auf die Aussagen verschiedener
Zeugen sowie auf die Würdigung der Angaben des Beschwerdeführers. Namentlich
aus einem aufgezeichneten Gespräch, welches der Beschwerdeführer am Tattag um
13.23 Uhr mit B.________ geführt hatte, schliesst die Vorinstanz, dass er
seinem Gesprächspartner gegenüber die Tat eingeräumt hat. Objektiv lasse sich
den entsprechenden Aufzeichnungen nichts anderes entnehmen, als dass der
Beschwerdeführer B.________ geschildert habe, wie er dem Opfer in den Kopf
geschossen und sich die Waffe bei weiteren Schussversuchen blockiert habe. In
diesem Sinne habe der Gesprächspartner die Ausführungen des Beschwerdeführers
auch verstanden, wie sich aus seinen Rückfragen anlässlich des Telefongesprächs
und seinen späteren Aussagen in der Untersuchung ergeben habe. Hinweise auf die
Täterschaft des Beschwerdeführers liessen sich darüber hinaus aus dessen
aufgezeichnetem Telefongespräch mit seiner ehemaligen Freundin ableiten. Aus
diesen beiden Telefongesprächen gehe mit aller Deutlichkeit hervor, dass der
Beschwerdeführer von sich selbst als Täter gesprochen habe. Insbesondere das
erste Gespräch mit B.________ stelle ein eigentliches Geständnis dar. Dieses
decke sich mit den Bekundungen aller weiteren befragten Personen, soweit diese
zur Sache hätten aussagen können. Dies gelte insbesondere für die Aussage von
C.________, welche zum Zeitpunkt der Tat im Restaurant an der Bar gearbeitet
hatte, welche erklärt hatte, sie habe den Beschwerdeführer nach dem Ertönen des
Schusses mit einer Waffe in der Hand neben dem am Boden liegenden Opfer stehen
gesehen (angefochtenes Urteil S. 10 ff./31 ff.)

Demgegenüber würdigt die Vorinstanz die Aussagen des Beschwerdeführers als
unbehelfliche Schutzbehauptungen. So habe er in der tatnächsten Einvernahme
nach seiner Verhaftung am 28. Februar 2009 äusserst zögerliche, ausweichende,
diffuse und teils auch absurde Antworten gegeben. Er habe ein Aussageverhalten
gezeigt, welches nicht frei und spontan, sondern kaschierend gewirkt habe. Ab
der zweiten Einvernahme habe der Beschwerdeführer sodann eine Drittperson als
Täter bezeichnet. Damit habe er sich in diesem Punkt indessen in Widerspruch zu
den Bekundungen aller anderen befragten Personen gesetzt. Dasselbe gelte in
Bezug auf die Erklärung, wonach dem Opfer keine Flasche über den Kopf gezogen
worden sei. Dies widerspreche darüber hinaus auch den medizinischen
Feststellungen über die Verletzungen des Opfers (angefochtenes Urteil S. 24
ff.).

2.2 Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des
Sachverhalts. Er macht geltend, aus den Aussagen des Opfers und des
Sachverständigen ergebe sich zweifelsfrei, dass er die Tat nicht begangen habe.
Nach den Angaben des Sachverständigen entstehe bei der Schussabgabe mit dem Typ
der verwendeten Waffe und Munition ein erkennbares Mündungsfeuer. Hätte er den
Schuss abgegeben, hätte das Opfer somit ein Mündungsfeuer sehen müssen. Ein
solches gesehen zu haben, habe das Opfer indes ausdrücklich verneint. Der
Schuss müsse von einer anderen Person abgefeuert worden sein. Weiter
beanstandet der Beschwerdeführer, dass die Vorinstanz sich lediglich auf die
zweite Aussage des Opfers stütze, dessen erste und dritte Aussage hingegen
nicht beachtet habe. Die Vorinstanz berücksichtige auch nicht, dass die beiden
anderen Personen, welche zur angreifenden Gruppe gehört hätten, als Täter
genauso in Frage kämen, aber nie befragt worden seien. Falsch sei schliesslich
die Würdigung der Telefonüberwachung durch die Vorinstanz. Er habe bei seinen
Telefongesprächen mit B.________ und C.________ die Tat nicht zugestanden,
sondern lediglich von den Vorkommnissen anlässlich der Auseinandersetzung
berichtet (Beschwerde S. 3 ff.).

2.3 Was der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorbringt, erschöpft sich
weitgehend in einer blossen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil,
welche für die Begründung von Willkür nicht genügt. Er beschränkt sich darauf,
erneut seine eigene Sichtweise des Geschehens darzulegen. Dies ist jedoch nicht
geeignet, offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende
Zweifel daran darzutun, dass sich der Anklagesachverhalt verwirklicht hat. Denn
für die Begründung von Willkür, unter welchem Gesichtspunkt das Bundesgericht
prüft, ob der Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel verletzt
ist, genügt praxisgemäss nicht, dass das angefochtene Urteil mit der
Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung
oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (BGE 135 II 356
E. 4.2.1; 134 I 140 E. 5.4; 127 I 54 E. 2b mit Hinweisen). Willkür im Sinne von
Art. 9 BV liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn der angefochtene
Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren oder widersprüchlichen
Beweiswürdigung beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder
in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 138 I 49 E.
7.1; 138 V 74 E. 7; 137 I 1 E. 2.4 je mit Hinweisen).

Der Beschwerdeführer hätte substantiiert darlegen müssen, inwiefern die
Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unhaltbar sind oder mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen und die vorhandenen
Beweise andere Schlussfolgerungen geradezu aufdrängen. Dies hat er nicht getan.
Namentlich genügt die pauschale Rüge, die Vorinstanz habe die Aufzeichnungen
aus der telefonischen Überwachung unzutreffend gewürdigt, nicht. Desgleichen
ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Würdigung der Aussagen des Opfers mit
sachlichen Gründen nicht haltbar sein sollte. Zunächst ist nicht zu
beanstanden, dass die kantonalen Instanzen die Aussage des Opfers anlässlich
der letzten Einvernahme als Auskunftsperson, wonach es ausdrücklich gesehen
habe, dass der Beschwerdeführer geschossen habe, als unglaubhaft erachten,
zumal jenes in den drei vorangehenden Befragungen stets angeben hatte, es habe
lediglich von den umstehenden Personen erfahren, dass der Beschwerdeführer der
Schütze gewesen sei (angefochtenes Urteil S. 22 f.; erstinstanzliches Urteil S.
36). Was der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang einwendet, geht an der
Sache vorbei. Abgesehen davon, dass die kantonalen Instanzen die erste, am
Tattag durchgeführte Befragung durchaus berücksichtigt haben (angefochtenes
Urteil S. 22; erstinstanzliches Urteil S. 29 ff.), ist nicht ersichtlich,
inwiefern sich die Beweiswürdigung der kantonalen Instanzen zu seinen Ungunsten
auswirken könnte. Denn das Opfer hat lediglich in derjenigen Aussage, welche
die kantonalen Instanzen als unglaubhaft würdigen, erklärt, er habe selbst
gesehen, wie der Beschwerdeführer geschossen habe, sich in den übrigen
Befragungen aber auf die Auskünfte von Drittpersonen berufen. Unerfindlich ist
schliesslich, was der Beschwerdeführer aus dem Umstand ableiten will, dass das
Opfer in seiner letzten Aussage kein Mündungsfeuer erwähnte, das bei der
Schussabgabe hätte erkennbar sein müssen. Dass der Beschwerdeführer nicht der
Schütze sein kann, ergibt sich hieraus jedenfalls nicht. Im Übrigen erachten
die kantonalen Instanzen diese Aussage des Opfers als unglaubhaft (vgl.
angefochtenes Urteil 34 f.), was nicht schlechterdings unhaltbar ist. Insgesamt
ist die Feststellung des Sachverhalts durch die kantonalen Instanzen jedenfalls
nicht offensichtlich unrichtig.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit sie den
Begründungsanforderungen überhaupt genügt.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da sein Rechtsbegehren von vornherein als
aussichtslos (vgl. BGE 138 III 217 E. 2.2.4) erschien, ist sein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Seinen
eingeschränkten finanziellen Verhältnissen kann bei der Festsetzung der
Gerichtsgebühr Rechnung getragen werden (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. September 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Boog