Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.165/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_165/2012

Urteil vom 18. Mai 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Schöbi,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Willkür etc. (Verletzung der Verkehrsregeln),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer,
vom 4. Januar 2012.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
X.________ fuhr am 17. Februar 2010, um ca. 14.30 Uhr, mit seinem Personenwagen
in Dättwil auf der Badenerstrasse von Baden kommend auf der Linksabbiegespur
der mehrspurigen Verzweigung. Ihm wird vorgeworfen, anstatt links in Richtung
Kantonsspital abzubiegen, sein Fahrzeug entgegen der Markierung am Boden und
des grünen Pfeils des Lichtsignals um 180 Grad gewendet zu haben in der
Absicht, auf der Badenerstrasse zurück in Richtung Baden zu fahren. Wegen
dieses Manövers habe eine Fahrzeuglenkerin, die vom Kantonsspital her kam und
gemäss dem grünen Pfeil ihres Lichtsignals nach rechts auf die Badenerstrasse
in Richtung Baden einmünden wollte, abrupt und bis zum Stillstand abbremsen
müssen.

Der Gerichtspräsident des Bezirksgerichts Baden sprach X.________ am 13. Januar
2011 der Widerhandlung gegen die Einspurordnung durch Missachtung des
Konturpfeils der Lichtsignalanlage im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG in
Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 68 Abs. 3 SSV sowie des Missachtens
des Vortritts beim Wenden im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit
Art. 36 Abs. 4 SVG schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 600.--
bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Tagen. Das Obergericht des Kantons
Aargau wies eine dagegen eingereichte Berufung am 4. Januar 2012 ab.

X.________ wendet sich ans Bundesgericht und beantragt, die Urteile vom 4.
Januar 2012 und 13. Januar 2011 seien aufzuheben. Er sei von Schuld und Strafe
freizusprechen.

2.
Der Beschwerdeführer rügt, dass die Vorinstanz keinen Augenschein durchführte
(vgl. Beschwerde S. 1/2). Die Vorinstanz stellt in Bezug auf das angebliche
Fahrverbot, welches den Beschwerdeführer zu seinem Verhalten veranlasst haben
soll, fest, aus den Fotografien in den Akten sei ersichtlich, dass für das
Abbiegen in Richtung Kantonsspital kein Fahrverbot gelte und das kleine
abgebildete Verbotsschild am Strassenrand sich auf die schmale Strasse, die
nach rechts abbiege, beziehe (vgl. angefochtenen Entscheid S. 14 E. 9.3 mit
Hinweis auf KA act. 28 und 29). Inwieweit es bei der Aktenlage eines
zusätzlichen Augenscheins bedurft hätte, ist nicht ersichtlich.

3.
Zur Hauptsache macht der Beschwerdeführer eine falsche Interpretation von
Beweismitteln bzw. eine Aktenwidrigkeit geltend (vgl. Beschwerde S. 2-4). Die
Beweiswürdigung kann vor Bundesgericht indessen nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. willkürlich im
Sinne von Art. 9 BV ist. Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid im
bemängelten Punkt offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation
in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 137 I 1 E. 2.4). Die angebliche
Willkür ist präzise zu rügen, und die Rüge ist zu begründen (Art. 106 Abs. 2
BGG). Dieser Voraussetzung genügt die Beschwerde, die ausschliesslich
appellatorische Kritik enthält, nicht. So behauptet der Beschwerdeführer zum
Beispiel, auf Seite 3 des Rapports der Kantonspolizei vom 17. Februar 2010
stehe geschrieben, dass die beteiligte Autofahrerin ungebremst vorbeigefahren
sei (Beschwerde S. 3). Dies trifft nicht zu. Auf der erwähnten Seite steht
ausdrücklich, beide Lenker hätten sofort und abrupt bis zum Stillstand gebremst
und dadurch eine Kollision verhindern können (KA act. 14). Folglich kann mit
dieser Stelle aus dem Polizeirapport nicht nachgewiesen werden, dass die
beteiligte Lenkerin ungebremst vorbei fuhr.

4.
Die Vorinstanz geht davon aus, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten
formellen Rügen nach der aargauischen Strafprozessordnung zu beurteilen seien
(vgl. angefochtenen Entscheid S. 5/6 E. 1.2). Der Beschwerdeführer weist darauf
hin, dass gemäss einer Minderheit der Vorinstanz die eidgenössische
Strafprozessordnung hätte angewendet werden müssen (vgl. Beschwerde S. 4/5 mit
Hinweis auf angefochtenen Entscheid S. 6 E. 1.3). Die Frage, welches Recht
anwendbar gewesen wäre, kann indessen offen bleiben.

Die Vorinstanz führt weiter aus, nachdem sie die nach der eidgenössischen
Strafprozessordnung fehlenden Unterschriften auf einem Protokoll der ersten
Instanz nachträglich eingeholt bzw. von der Weigerung des Beschuldigten, das
Protokoll zu unterschreiben, Kenntnis genommen habe, erfülle das Protokoll,
selbst wenn die eidgenössische Strafprozessordnung zur Anwendung käme, die
Voraussetzungen von Art. 78 Abs. 5 StPO (angefochtener Entscheid S. 6 E. 1.4
mit Hinweis auf S. 9/10 E. 6.3). Mit der Frage der nachträglichen
Vervollständigung des Protokolls befasst sich der Beschwerdeführer nicht. Die
Vorbringen, es seien das "frei erfundene" Urteil vom 13. Januar 2011 "aufgrund
ungültiger Grundlagen gefällt bzw. erdichtet" und die formellen Fehler in der
Protokollführung "unbeachtet gelassen" worden, genügen den Anforderungen einer
Begründung gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG nicht.

5.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil
die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers (vgl. act. 10 und 11) ist bei der Bemessung der
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Mai 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Monn