Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.163/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_163/2012

Urteil vom 27. Juli 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Schöbi,
Gerichtsschreiber Borner.

Verfahrensbeteiligte
Ludwig Amadeus Minelli,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Schaerz,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Peyer,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ehrverletzung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 3. November 2011.

Sachverhalt:

A.
In der Zürichsee-Zeitung linkes Ufer vom 5. Februar 2009 veröffentlichte
X.________ unter der Rubrik "Federlesen" einen Artikel mit dem Titel "Besser
sterben". Dort schrieb sie unter anderem:
"(...) Was für ein Monster, dieser Mann, der auf Wunsch in miesen Kammern und
sogar auf Parkplätzen weit her gereiste Leute abmurkst. So genannt
Sterbewillige. Nicht etwa aus Mitleid, sondern für teures Geld.
Und nun dies. Für einen ausführlichen Artikel in dieser Zeitung hat er sich
geoutet und seine Schokoladenseiten hervorgekehrt. (...) Also, Ludwig Amadeus
Minelli. Fast haben Sie mich überzeugt, und ich lege mich bei Ihnen hin. Aber
nur, wenn der Chef den Cocktail selber serviert und vorher kräftig degustiert.
Es muss ja schliesslich klappen.
Spass beiseite. Hier sind wir schon bei der ersten Ungereimtheit in Ihrem
System angelangt. Sie tun es gar nicht selber, Sie lassen Ihre Mitarbeiter
Leute ins Jenseits befördern, oh pardon, begleiten. (...)"
Am 26. März 2009 stellte Ludwig Minelli Strafantrag wegen übler Nachrede oder
Verleumdung.

B.
Das Bezirksgericht Horgen verurteilte X.________ am 27. Oktober 2010 wegen
Verleumdung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 40.-- und
verpflichtete sie, Ludwig Minelli Fr. 1'000.-- Genugtuung zu zahlen und auf
ihre Kosten einen Urteilsauszug in der fraglichen Kolumne zu veröffentlichen.
Auf Berufung der Verurteilten sprach das Obergericht des Kantons Zürich
X.________ am 3. November 2011 vom Vorwurf der Verleumdung frei und trat auf
das Genugtuungsbegehren von Ludwig Minelli nicht ein.

C.
Ludwig Minelli führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und das Urteil des Bezirksgerichts zu bestätigen;
eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Vorinstanz führt aus, die Kolumne sei eine ironische Antwort auf einen
Artikel vom 28. Januar 2009 über den Beschwerdeführer und Dignitas, in welcher
die Beschwerdegegnerin dessen provokative Art aufgenommen und persifliert habe.
Die Kolumne nehme mehrmals Bezug auf den erwähnten Artikel und verwende auch
gewisse Wörter und Inhalte. "Auf Wunsch abmurksen" sei nichts weiter als ein
pointiertes, kritisches Sprachbild für "Sterbehilfe ausführen". Die deutsche
Sprache biete kein eindeutiges Wort an für "Sterbehilfe machen". Dieses
Sprachverständnis werde im Text zusätzlich verstärkt, indem gleich
anschliessend gesagt werde, es handle sich um "Sterbewillige" und das "auf
Wunsch Abmurksen" erfolge "für Geld". Für den Durchschnittsleser sei klar
ersichtlich, dass es im Kerngehalt des Artikels nicht darum gehe, dem
Beschwerdeführer anlasten zu wollen, er töte höchstpersönlich andere Menschen,
sondern es handle sich um eine Überzeichnung und Kritik der Art und Weise, wie
Dignitas und damit der Beschwerdeführer als deren Vertreter Sterbehilfe und
-tourismus betreibe. Insbesondere kritisiert werde die Art der
Sterbebegleitung, welche in der Vergangenheit unter anderem auch in
Hotelzimmern und auf Parkplätzen stattgefunden habe. Diese Kritik sei Sinn und
Zweck der Kolumne. Die fragliche Passage im Artikel enthalte keine
ehrverletzenden Äusserungen (angefochtener Entscheid S. 13 ff.).

1.2 Diese Beurteilung verletzt kein Bundesrecht. Was der Beschwerdeführer
dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig:
Sein Hauptargument, Leute abmurksen sei unehrenhaft, geht an der Sache vorbei,
weil er das Wort "abmurksen" aus dem Zusammenhang herausreisst. Wie die
Vorinstanz zutreffend festhält, gebraucht die Beschwerdegegnerin abmurksen als
satirische Überhöhung für Sterbehilfe ausführen. Zudem wird sofort deutlich,
dass es um Sterbehilfe geht ("auf Wunsch", "Sterbewillige", "Giftbecher", "ins
Jenseits befördern, oh pardon, begleiten", "Freitod") und insbesondere um eine
Entgegnung auf einen ganzseitigen Artikel über den Beschwerdeführer in
derselben Zeitung eine Woche zuvor ("Jeder Mensch hat ein Recht auf Suizid",
Untertitel: "Monster oder Wohltäter?").
Stellt man das Wort "abmurksen" in den Zusammenhang, entfällt das
Tatbestandsmerkmal "wider besseren Wissens" der Verleumdung (Art. 174 Ziff. 1
StGB).
Der Beschwerdeführer rügt, das angefochtene Urteil verletze verfassungsmässige
Rechte (Art. 7 und 13 BV sowie das Prinzip der Verhältnismässigkeit) und
Völkerrecht (Art. 8 Abs. 1 EMKR). Er legt jedoch nicht dar, inwiefern diese
Normen über den strafrechtlichen Schutz der Ehre hinausgehen sollten.
Der Beschwerdeführer bezeichnet den Hinweis der Vorinstanz, die
Beschwerdegegnerin habe ihn in seiner beruflichen Tätigkeit angeprangert, als
entbehrlich, weil dies allenfalls bei der Beurteilung einer üblen Nachrede ins
Gewicht fallen könne, nicht aber bei der Anklage auf Verleumdung. Der Vorwurf
ist verfehlt, zumal der Beschwerdeführer selbst beantragt hatte, die
Beschwerdegegnerin sei eventualiter wegen übler Nachrede zu verurteilen
(Anklageschrift S. 2 Ziff. 1b).

2.
Die Beschwerde ist, soweit darauf eingetreten werden kann, kostenpflichtig
abzuweisen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Juli 2012
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Borner