Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.148/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_148/2012

Urteil vom 30. April 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Schöbi,
Gerichtsschreiberin Koch.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Domenig,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer,
vom 25. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
Die Kantonspolizei Graubünden führte am 6. September 2009 auf der
Oberalpstrasse eine Geschwindigkeitskontrolle durch. Sie stellte fest, dass
X.________ mit seinem Personenwagen 113.3 km/h fuhr, obwohl die zulässige
Höchstgeschwindigkeit 80 km/h beträgt. Die Messung erfolgte um 17.21 Uhr. Es
herrschte mässiger Verkehr. Die Strassen- und Sichtverhältnisse waren gut. Die
Oberalpstrasse ist bei der Messstelle auf der Höhe der Station Waltensburg/
Vuorz zweispurig ausgebaut, sieben Meter breit, verläuft gerade und
übersichtlich. Die beiden Fahrspuren werden durch eine Leitlinie getrennt.

B.
Das Bezirksgericht Surselva verurteilte X.________ am 12. September 2011 wegen
grober Verkehrsregelnverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG zu einer Geldstrafe
von 20 Tagessätzen zu Fr. 120.-- und zu einer Busse von Fr. 600.--. Die
Berufung X.________s wies das Kantonsgericht Graubünden am 25. Januar 2012 ab.

C.
Gegen dieses Urteil erhebt X.________ Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt,
das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben. Die Sache sei zur Verurteilung
wegen einfacher Verkehrsregelnverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, unter gesetzlicher Kosten- und Entschädigungsfolge.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer anerkennt den objektiven Tatbestand der groben
Verkehrsregelnverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG. Hingegen bestreitet er den
subjektiven Tatbestand. Er macht geltend, sein Verschulden sei angesichts der
konkreten, besonders günstigen Umstände gering. Er habe sich an den
vorausfahrenden Fahrzeugen orientiert und nicht auf den Tachometer geachtet.
Die Geschwindigkeitsübertretung habe er innerhalb des lockeren Kolonnenverkehrs
begangen, ohne jemanden etwa durch ein Überholmanöver zu gefährden. Die
Strassen- und Sichtverhältnisse seien optimal gewesen. Sein Verhalten sei
subjektiv nicht rücksichtslos.

1.2 Nach Art. 90 Ziff. 2 SVG macht sich strafbar, wer durch grobe Verletzung
von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft
oder in Kauf nimmt. Der objektive Tatbestand ist erfüllt, wenn der Täter die
zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Strassen ausserorts um 30 km/h oder mehr
überschreitet (BGE 132 II 234 E. 3.1 S. 237 f.; 124 II 259 E. 2c S. 263; je mit
Hinweisen). Subjektiv erfordert der Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG ein
rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelnwidriges Verhalten, d.h.
ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe
Fahrlässigkeit. Dies ist zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen
Gefährlichkeit seiner Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kommt aber
auch in Betracht, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht. Die Annahme einer groben
Verkehrsregelnverletzung setzt in diesem Fall voraus, dass das Nichtbedenken
der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht (BGE
131 IV 133 E. 3.2 S. 136 mit Hinweisen).

1.3 Das Bundesgericht hatte wiederholt Fälle von
Geschwindigkeitsüberschreitungen zu beurteilen, in welchen sich die Frage nach
der Schwere der Verkehrsregelnverletzung stellte (Art. 90 Ziff. 1 oder Ziff. 2
SVG). Nach seiner Rechtsprechung muss die Annahme der subjektiven
Rücksichtslosigkeit streng gehandhabt werden. Der Richter darf nicht unbesehen
von der objektiven auf die subjektiv schwere Verkehrsregelnverletzung nach Art.
90 Ziff. 2 SVG schliessen (Urteil 6B_109/2008 vom 13. Juni 2008 E. 3.1). In
einem Fall, in welchem die Geschwindigkeit zur kurzfristigen Verkehrsberuhigung
innerorts mit 60 km/h signalisiert war, die Strecke angesichts des guten
Ausbaus und der Übersichtlichkeit optisch als Ausserortsstrecke erschien, die
Sicht- und Witterungsverhältnisse ideal waren sowie geringer Verkehr herrschte,
beurteilte es die Überschreitung um 29 km/h als pflichtwidrig unaufmerksam
(Urteil 6B_622/2009 vom 23. Oktober 2009 E. 3.3 und E. 3.4). Hingegen wertete
es die Mehrheit der Geschwindigkeitsüberschreitungen, welche den objektiven
Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG erfüllten, auch in subjektiver Hinsicht als
rücksichtslos, weil besondere Umstände fehlten, welche die
Geschwindigkeitsübertretung subjektiv in milderem Licht erschienen liessen
(z.B. Urteile 6B_563/2009 vom 20. November 2009 E. 1.2 und E. 1.4.2; 6B_171/
2010 vom 19. April 2010 E. 3.2; 6B_772/2010 vom 9. Dezember 2010 E. 1, E. 2.6
und E. 2.7).

1.4 Der Beschwerdeführer fuhr ausserorts 33.3 km/h zu schnell. Diese
Geschwindigkeitsüberschreitung liegt über dem vom Bundesgericht festgelegten
Grenzwert, ab welchem grundsätzlich in objektiver und subjektiver Hinsicht eine
grobe Verkehrsregelnverletzung vorliegt. Die Strassen- und Sichtverhältnisse
waren zwar gut. Indessen befand sich der Beschwerdeführer während der
Geschwindigkeitsüberschreitung nicht alleine auf der Strasse. Es herrschte
lockerer Kolonnenverkehr. Sein Argument, er habe nicht auf den Tachometer
geschaut und sich dem allgemeinen Verkehrsfluss angepasst, begründet keine
besonderen Tatumstände und vermag ihn in subjektiver Hinsicht nicht zu
entlasten. Ungeachtet der Fahrweise der anderen Verkehrsteilnehmer musste er
seine Aufmerksamkeit (auch) auf den Tachometer seines Fahrzeugs richten. Es
handelt sich nicht um eine blosse Unachtsamkeit wie etwa im Fall, als ein
Automobilist eine temporäre Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn, die
bloss während einer Woche galt, übersah (Urteil 6B_109/2008 vom 13. Juni 2008
E. 3.2). Denn die Geschwindigkeitsanzeige auf dem Tachometer variiert anders
als die generelle Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn laufend. Insgesamt
durfte die Vorinstanz von einer subjektiv schwerwiegenden Verfehlung ausgehen.
Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer aus den Urteilen
6B_193/2008 vom 7. August 2008 und 6B_283/2011 vom 3. November 2011, in welchen
Geschwindigkeitsüberschreitungen bei Überholvorgängen zu beurteilen waren. Auch
ohne ein solches Manöver fällt eine grobe Verkehrsregelnverletzung in Betracht.
Die Verurteilung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG verletzt kein Bundesrecht.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem
Endentscheid in der Sache gegenstandslos. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. April 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Schneider

Die Gerichtsschreiberin: Koch