Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.145/2012
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_145/2012

Urteil vom 5. Juli 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Schöbi,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Kantonspolizei Basel-Stadt, Clarastrasse 38, 4005 Basel,
2. A.________,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Entwendung zum Gebrauch; Willkür, Grundsatz in dubio pro reo,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellations-
gerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 16. Dezember 2011.

Sachverhalt:

A.
Die Geschädigte A.________ erstattete am 6. Juni 2009 Strafanzeige wegen
Entwendung ihres Personenwagens in Basel. Sie räumte ein, dass sie den
Fahrzeugschlüssel aus Versehen im Schloss der Fahrertüre habe stecken lassen.
Als sie ihren Fehler bemerkt habe, sei das Fahrzeug fort gewesen. Der
Personenwagen konnte am 10. Juni 2009 in Basel sichergestellt werden.
X.________ wird vorgeworfen, das Fahrzeug zum Gebrauch entwendet und dem
Mitverzeigten Y.________ ausgeliehen zu haben.

B.
Die Strafbefehlsrichterin Basel-Stadt sprach X.________ und Y.________ am 4.
November 2009 der Entwendung eines Personenwagens zum Gebrauch schuldig. Sie
verurteilte X.________ zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr.
190.-- bei einer Probezeit von drei Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.--
sowie Y.________ zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 10.--
bei einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 100.--.
X.________ und Y.________ erhoben gegen die Strafbefehle Einsprache. Der
Strafgerichtspräsident Basel-Stadt bestätigte am 11. Februar 2010 die
Schuldsprüche und verurteilte X.________ zu einer unbedingten Geldstrafe von 30
Tagessätzen zu Fr. 90.-- und zu einer Busse von Fr. 1'000.-- sowie Y.________
zu einer bedingten Geldstrafe von 7 Tagessätzen zu Fr. 90.-- bei einer
Probezeit von zwei Jahren. Es verpflichtete die beiden Verurteilten solidarisch
zu Schadenersatz an A.________ im Umfang von Fr. 1'046.60.
Das von X.________ angerufene Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
bestätigte am 16. Dezember 2011 das Urteil des Strafgerichtspräsidenten.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Appellationsgerichts sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der Entwendung zum
Gebrauch freizusprechen. Die Zivilklage von A.________ sei abzuweisen,
eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Der vorliegenden Beschwerde sei die
aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt, das vorinstanzliche Urteil verstosse gegen den
aus der Unschuldsvermutung fliessenden Grundsatz "in dubio pro reo" als
Beweiswürdigungs- und Beweislastregel. Er habe den Vorhalt stets bestritten,
dass er das Fahrzeug von A.________ zum Gebrauch entwendet habe. Die Vorinstanz
habe auf die für sie erkennbaren Indizien, nicht jedoch auf eine geschlossene
Indizienkette, abgestellt. Die Würdigung seiner Aussagen im Rahmen der
Untersuchung dürfe nicht zu einer Umkehrung der Beweislast führen. Aus der
Tatsache, dass die Vorinstanz seinen Angaben nicht folge, könne sie nicht
ableiten, der angeklagte Sachverhalt sei erstellt. Dies verletze die
Beweislastregel, da er seine Unschuld nachweisen müsste (Beschwerde, S. 5 f.).
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe die Beweise willkürlich
gewürdigt. Sie dürfe nicht auf einzelne Angaben von ihm und Y.________
abstellen, wenn sie diese als insgesamt nicht glaubhaft einstufe. Sie führe
zudem nicht aus, welchen Aussagen sie aus welchen Gründen Glauben schenke. Es
gebe keine Tatzeugen. Spuren seien im Fahrzeug ebenfalls nicht gefunden worden.
Würde die Vorinstanz nicht auf ihre Aussagen abstellen, stehe lediglich fest,
dass Y.________ das Auto von A.________ gelenkt und am späteren Fundort in
Basel wieder abgestellt habe. Nicht erstellt sei allerdings, wie Y.________ in
den Besitz des Fahrzeuges gekommen sei. Es sei durchaus vorstellbar, dass
dieser das Auto ohne das Zutun von ihm (dem Beschwerdeführer) entwendet habe.
Y.________ besitze im Gegensatz zu ihm kein eigenes Fahrzeug. Es sei ohne
weiteres nachvollziehbar, dass dieser seinen Freundinnen und Freunden, die im
inkriminierten Zeitraum bei ihm mitgefahren seien, nicht die wahre Herkunft des
Fahrzeuges habe preisgeben wollen. Es handle sich bei der Entwendung zum
Gebrauch auch eher um ein Delikt von Junglenkern wie es Y.________ sei. Als
Junglenker habe er zudem den Entzug des Führerausweises zu befürchten. Die
Zweifel an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhalts mögen zwar
spekulativ sein, seien jedoch nicht rein theoretischer Natur (Beschwerde, S. 6
ff.).

1.2 Die Vorinstanz schenkt den vom Beschwerdeführer vor erster Instanz und im
vorinstanzlichen Verfahren geäusserten Sachverhaltsdarstellungen keinen Glauben
(erstinstanzliches Urteil, S. 3 ff.; angefochtenes Urteil, S. 3 f.), sondern
stuft diese als Schutzbehauptungen ein. Der Beschwerdeführer habe in
verschiedenen Detailversionen geschildert, ein ihm unbekannter betrunkener
Zürcher habe ihm das Auto ohne Angabe von Name und Adresse zur Verwahrung
anvertraut, um mit dem Zug nach Zürich zurück zu reisen. Neben zahlreichen
weiteren Inkonsistenzen führten bereits die zeitlichen Angaben dieser Begegnung
gemäss Vorinstanz zu einem unauflösbaren Widerspruch mit den von A.________
geäusserten Umständen der Fahrzeugentwendung. Eine Gesamtwürdigung der Aussagen
des Beschwerdeführers lasse keinen vernünftigen Zweifel daran, dass dieser das
Fahrzeug entwendet habe, bevor er es Y.________ zum Gebrauch überlassen habe.
Die Unschuldsvermutung werde dadurch nicht verletzt (angefochtenes Urteil, S. 4
f.).

1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für
den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch BGE
134 IV 36 E. 1.4.1).

1.4 Der Beschwerdeführer, der die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
anfechten will, muss substantiiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen
einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei
rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre.
Andernfalls kann ein Sachverhalt, der von dem im angefochtenen Entscheid
festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden. Der Beschwerdeführer kann
sich nicht damit begnügen, den bestrittenen Feststellungen eigene tatsächliche
Behauptungen gegenüberzustellen oder darzulegen, wie die Beweise seiner Ansicht
nach zu würdigen gewesen wären. Vielmehr hat er klar und substantiiert
aufzuzeigen, inwiefern die gerügten Feststellungen bzw. die Unterlassung von
Feststellungen offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG beruhen. Auf eine Kritik an den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz, die diesen Anforderungen nicht genügt, ist nicht
einzutreten (vgl. BGE 136 I 65 E. 1.3.1; 133 III 462 E. 2.4).

1.5 Dem Sachgericht steht im Bereich der Beweiswürdigung ein erheblicher
Ermessensspielraum zu (BGE 120 Ia 31 E. 4b). Das Bundesgericht greift auf
Beschwerde hin nur ein, wenn das Sachgericht diesen missbraucht, insbesondere
offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder
solche willkürlich ausser Acht lässt (BGE 132 III 209 E. 2.1; zum Begriff der
Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 mit Hinweisen). Inwiefern das kantonale Gericht sein
Ermessen missbraucht haben soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert
aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3). Auf ungenügend begründete Rügen und bloss
allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochenen Entscheid tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 mit Hinweis).

1.6 Der Beschwerdeführer beschränkt sich in weiten Teilen seiner Beschwerde auf
eine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid. Dies betrifft etwa die
Vorbringen im Zusammenhang mit der Richtigkeit des vorinstanzlich
festgestellten Sachverhalts. Die erstmals vor Bundesgericht geltend gemachte
Darstellung, es sei durchaus vorstellbar, dass Y.________ das Auto ohne sein
Zutun entwendet habe, widerspricht seinen bisherigen Schilderungen des
inkriminierten Sachverhalts. Der Beschwerdeführer vermag damit keine Willkür an
der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung darzutun. Es ist nicht
ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt
und mit ihrer willkürfreien Sachverhaltsfeststellung eine Umkehrung der
Beweislast bewirkt hätte.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die
bundesgerichtlichen Kosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs.
1 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache selbst wird das Gesuch um aufschiebende
Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Juli 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller