Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.137/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_137/2012

Urteil vom 12. Juli 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys,
Gerichtsschreiber Borner.

Verfahrensbeteiligte
W.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Rudolf,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Hehlerei, Verjährung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 3. November 2011.

Sachverhalt:

A.
W.________ wird unter anderem vorgeworfen, in den Jahren 2001-2003
Motorfahrzeuge verkauft bzw. deren Verkauf unterstützt zu haben, wobei er
wusste bzw. vermutete, dass sie zuvor in Italien gestohlen worden waren.

B.
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte W.________ am 31. März 2011 wegen
mehrfachen Betrugs, mehrfacher Hehlerei, Gehilfenschaft zu Hehlerei sowie
Urkundenfälschung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten.

Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte dieses Urteil am 3. November
2011.

C.
W.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt sinngemäss, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der Hehlerei
freizusprechen.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, nach italienischem Recht drohe bei
einfachem Diebstahl eine Freiheitsstrafe von lediglich drei Jahren, die
Verjährungsfrist betrage maximal sechs Jahre. Analog der Teilnahme gelte das
Prinzip der limitierten Akzessorietät, weshalb der Hehler nicht einer höheren
Strafdrohung unterliegen dürfe als der Haupt- bzw. Vortäter. Dabei handle es
sich um die abstrakte Strafdrohung, welche das Gesetz für die konkret begangene
Tat vorsehe. Dies übersehe die Vorinstanz, wenn sie auf die Regeln für den
Diebstahl nach Schweizer Recht und nicht nach italienischem abstelle. Dasselbe
gelte auch für die Verjährung: Aus Gerechtigkeitsüberlegungen dürfe die
abstrakte Verjährungsfrist für den Anstifter oder den Hehler maximal so lange
sein wie für den Haupttäter.

1.1 Es trifft zwar zu, dass das Prinzip der limitierten Akzessorietät auch bei
der Hehlerei gilt. Im Gegensatz zu den Teilnahmeformen ist die Hehlerei aber
eine selbstständige Straftat. Der Beschwerdeführer beging diese Delikte
ausschliesslich in der Schweiz, weshalb die Verjährungsregeln des StGB
anwendbar sind (Art. 3 Abs. 1 und Art. 97 ff. StGB; angefochtener Entscheid S.
8 f. Ziff. 1.3.2 mit Hinweis auf das Urteil des Bezirksgerichts S. 8 ff. Ziff.
2.1).

Der Hehler darf hinsichtlich der Strafdrohung nicht schlechter gestellt werden
als der Vortäter (Art. 160 Ziff. 1 Abs. 2 StGB). Die akzessorische Vortat im
Ausland ist jedoch bezüglich Strafdrohung nach Schweizer Recht zu beurteilen:
Art. 160 Ziff. 1 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass das Hehlereigut durch eine
strafbare Handlung gegen das Vermögen erlangt worden ist. Wären unterschiedlich
hohe ausländische Strafdrohungen der Vortat (z.B. bei Diebstahl)
ausschlaggebend, würde der Hehler für seine in der Schweiz begangene Tat je
nach ausländischer Regelung entweder wie der Dieb gemäss StGB oder abgestuft
milder bestraft. Der Unrechtsgehalt der Hehlerei (Aufrechterhalten der
rechtswidrigen Besitzlage und dem Geschädigten die Wiedererlangung der Sache
erschweren) ist aber bei allen in der Schweiz begangenen Taten derselbe.
Deshalb wäre es widersprüchlich, der bloss akzessorischen ausländischen Vortat
derart viel Gewicht beizumessen, zumal eine in der Schweiz begangene Hehlerei
nach Schweizer Recht zu beurteilen ist. Zudem würde eine gegenteilige Lösung
dem Gebot der Rechtsgleichheit widersprechen.

Ob der Hehler auch hinsichtlich der Verjährung nicht schlechter gestellt werden
darf als der Vortäter (BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Band 1,
3. Auflage, Art. 160 N. 56), kann offen bleiben. Denn Hehlerei und Diebstahl
unterliegen derselben Verjährung (Art. 97 Abs. 1 lit. b StGB).

1.2 Die Argumentation des Beschwerdeführers ist nicht stichhaltig. Entgegen
seiner Darstellung kann die Akzessorietät bei der Teilnahme hier nicht
herangezogen werden. Diese ist viel ausgeprägter, weil der Anstifter und der
Gehilfe in die Haupttat verwickelt sind. Demgegenüber begeht der Hehler eine
selbstständige Tat, die erst möglich wird, wenn die Vortat abgeschlossen ist.

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz wolle stets auf die konkrete
Strafdrohung für die Vortat im Schweizer Recht abstellen. In letzter Konsequenz
könnte somit jemand wegen Hehlerei verurteilt werden, selbst wenn die Vortat im
Ausland straflos, in der Schweiz aber strafbar ist. Dabei blendet der
Beschwerdeführer aus, dass jede Strafdrohung eine strafbare Handlung - sei es
in der Schweiz oder im Ausland - voraussetzt. Dass Handlungen im Ausland, die
dort erlaubt sind, in der Schweiz aber unter Strafe stehen, als Hehlerei-Vortat
möglich wären, sagt die Vorinstanz nirgends.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Tatbestand der Geldwäscherei, wonach
der Täter auch bestraft wird, wenn die Haupttat im Ausland begangen wurde und
diese auch am Begehungsort strafbar ist (Art. 305bis Ziff. 3 StGB). Da beim
Hehlerei-Tatbestand eine analoge Regelung der ausländischen Vortat fehle, liege
wohl ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vor. Die unterschiedliche
Behandlung rechtfertige sich auch, weil die Geldwäscherei als klassische
organisierte Kriminalität in vielen Fällen internationale Aspekte aufweise und
gerade diese ausländischen Vortaten auch in der Schweiz bestraft werden
sollten. Ob ein solches Bedürfnis auch für die Hehlerei bestehe, dürfe
bezweifelt werden.

Zunächst ist klarzustellen, dass hier nicht die Strafbarkeit einer
ausländischen Vortat in der Schweiz zur Diskussion steht. Vom Strafbedürfnis
her ist entscheidend, dass der Hehler den vom Vortäter geschaffenen
rechtswidrigen Zustand aufrecht erhält und dem Geschädigten die Wiedererlangung
der Sache erschwert. Diese Situation wird zusätzlich verschärft, wenn die
deliktisch erlangte Sache ins Ausland gebracht und dort gehehlt wird. Weil das
Strafbedürfnis somit bei ausländischen Vortaten grösser sein kann und auch
keine Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers
ersichtlich sind (vgl. BBl 1991 II 1053 ff.), ist Letzteres zu verneinen.

Schliesslich hat bereits das Bezirksgericht zutreffend ausgeführt, dass
ausländisches Recht nicht als lex mitior anwendbar und damit eine
Schlechterstellung bei Konkurrenz fremder Gesetze möglich ist (S. 10 Ziff.
2.1.7).

2.
Die Beschwerde ist kostenpflichtig abzuweisen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Juli 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Borner