Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.127/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_127/2012

Urteil vom 3. September 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Schöbi,
Gerichtsschreiber Boog.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michel Meier,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
3. Kammer, vom 4. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ fuhr am 26. Februar 2009, um 12.55 Uhr, mit seinem Personenwagen VW
Golf auf der Autobahn A1 auf dem Gemeindegebiet Neuenhof in Richtung Bern. Es
wird ihm vorgeworfen, er habe dort auf dem zweiten Überholstreifen nahe auf den
vor ihm fahrenden, von A.________ gelenkten Personenwagen Daihatsu
aufgeschlossen und sei diesem über eine Distanz von rund 2 Kilometern, mit
einer Geschwindigkeit von ca. 90 km/h und in einem Abstand von ca. 5 bis 15
Metern gefolgt. Dabei wurde er von den Polizeibeamten B.________ und
C.________, die zur selben Zeit auf einer Patrouillenfahrt in ihrem neutralen
Dienstfahrzeug unterwegs waren und den Sachverhalt fotodokumentarisch
festhielten, beobachtet.

B.
Aufgrund dieses und eines anderen Sachverhalts wurde X.________ mit Strafbefehl
des Bezirksamts Baden vom 1. September 2009 in Anwendung von Art. 90 Ziff. 2
SVG i.V.m. Art. 34 Abs. 4 SVG sowie Art. 12 Abs. 1 und Art. 4a Abs. 1 lit. b
VRV zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 110.--, bedingt
aufgeschoben bei einer Probezeit von 2 Jahren, und zu einer Busse von Fr.
1'000.--, bei schuldhafter Nichtbezahlung umwandelbar in eine
Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen, verurteilt. Auf Einsprache des Beurteilten
hin sprach der Vizepräsident des Gerichtspräsidiums Baden X.________ mit Urteil
vom 14. Juli 2010 der groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Überschreiten
der Höchstgeschwindigkeit sowie durch ungenügenden Abstand beim
Hintereinanderfahren schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 30
Tagessätzen zu Fr. 40.--, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2
Jahren, und einer Busse von Fr. 300.--, bei schuldhafter Nichtbezahlung
umwandelbar in eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen. Eine hiegegen von
X.________ geführte Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau am 4.
Januar 2012 ab.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht, mit der er
beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf der
groben Verletzung der Verkehrsregeln durch ungenügenden Abstand beim
Hintereinanderfahren freizusprechen. Ferner ersucht er um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung für seine Beschwerde.

D.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde an das
Bundesgericht in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt
Recht verletzt. Die Begründung muss in der Beschwerde selbst enthalten sein.
Ein Verweis auf frühere Rechtsschriften oder auf die Verfahrensakten ist
unzulässig (vgl. BGE 133 II 396 E. 3.1 mit Hinweisen). Soweit sich die
Beschwerde gegen die tatsächlichen Feststellungen richtet, gilt eine
qualifizierte Rügepflicht. Gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG kann die Feststellung des
Sachverhalts durch die Vorinstanz nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von
Art. 95 BGG beruht. Die Rüge der offensichtlich unrichtigen, d.h. willkürlichen
Feststellung des Sachverhalts prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2
BGG nur insoweit, als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und
substantiiert begründet worden ist. In der Beschwerde muss im Einzelnen
dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem qualifizierten
und offensichtlichen Mangel leidet. Auf eine bloss appellatorische Kritik am
angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 136 II 489 E. 2.8;
133 IV 286 E. 1.4 133 II 249 E. 1.4.2; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Feststellung des Sachverhalts.
Er macht geltend, er sei lediglich über eine kurze Distanz von ca. 100 Metern
und mit einer Geschwindigkeit von 90 km/h hinter dem vom Zeugen A.________
gelenkten Personenwagen hergefahren. Für diese kurze Strecke sei nicht
zuverlässig festgestellt, ob der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen immer
gleich gross gewesen sei oder nicht. Die Aussagen des Zeugen C.________ seien
in Bezug auf den Abstand zwischen den beiden Autos offensichtlich falsch. Im
Weiteren beanstandet der Beschwerdeführer, die Vorinstanz sei auf seine Rügen
nicht eingetreten, wonach es dem Zeugen C.________ ohne weiteres hätte möglich
sein sollen, die Marke des vorausfahrenden Fahrzeugs zu erkennen, und dass
weder er noch der Zeuge A.________ unterschriftlich einvernommen worden seien.
Sie habe auch seinen Einwand nicht beachtet, wonach nicht abgeklärt worden sei,
wie viele Fahrzeuge sich nach dem Wechsel des Polizeifahrzeugs auf die erste
Überholspur zwischen diesem und dem von ihm gelenkten VW Golf befunden hätten
(Beschwerde S. 6 ff.). Ferner würdige die Vorinstanz die Aussagen des Zeugen
A.________ in Bezug auf die Länge der Nachfahrstrecke und in Bezug auf die von
den Polizeibeamten gemachten Fotos willkürlich. Sie lasse insbesondere ausser
Acht, dass der Zeuge A.________ lange Zeit bei der Staatsanwaltschaft des
Kantons Tessin als Unfallexperte tätig gewesen und daher in der Beurteilung von
Verkehrssituationen erfahren sei. Die Auffassung der Vorinstanz, wonach seine
Aussagen unglaubhaft seien, sei auch deshalb offensichtlich unrichtig, weil die
Bekundungen des Zeugen, die er ein Jahr nach dem Ereignis gemacht habe, in
Bezug auf die Örtlichkeiten nur unwesentlich von den tatsächlichen
Gegebenheiten abwichen (Beschwerde S. 9 ff.). Schliesslich sei nicht
nachvollziehbar, weshalb die Polizisten bei der langen Nachfahrdistanz, welche
die Vorinstanz annehme, lediglich zwei Fotos gemacht hätten. Dies spreche
dafür, dass die Darstellung des Zeugen A.________ zutreffe, wonach er lediglich
während einer Strecke von 100 Metern hinter dessen Fahrzeug hergefahren sei. In
Bezug auf diese Distanz habe er sich keiner groben Verkehrsregelverletzung
schuldig gemacht. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz seien
offensichtlich falsch (Beschwerde S. 12).

2.2 Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, aufgrund der vorhandenen Beweismittel
sei rechtsgenügend erstellt, dass der Beschwerdeführer die in der
Anklageschrift umschriebene Verkehrsregelverletzung begangen habe. Sie stützt
sich dabei im Wesentlichen auf die im Polizeirapport vom 13. März 2009
festgehaltenen Wahrnehmungen der Polizisten B.________ und C.________, die
Aussagen des in der Verhandlung vor dem Bezirksamt Baden zudem als Zeugen
einvernommenen Polizeibeamten C.________, die sie als glaubwürdig und
widerspruchsfrei würdigt, und auf die von den Polizeibeamten gemachten Fotos,
welche für die gesamte Nachfahrstrecke einen in etwa gleichbleibenden Abstand
zwischen den beiden Fahrzeugen zeigten. Demgegenüber erachtet sie die Aussagen
des in der erstinstanzlichen Verhandlung befragten Zeugen A.________ in Bezug
auf die Länge der Nachfahrstrecke als nicht verlässlich und ungeeignet, die im
Polizeirapport dargelegte Schilderung des Sachverhalts in Zweifel zu ziehen.
Dass lediglich zwei Fotos gemacht worden seien, sei ohne Bedeutung, zumal der
Tatbestand der groben Verletzung der Verkehrsregeln nicht von der Länge der
Nachfahrdistanz abhänge. Entscheidend und nachgewiesen sei, dass das Nachfahren
nicht lediglich kurzzeitig infolge einer unvorhergesehenen Verkehrssituation,
etwa infolge eines unerwarteten und abrupten Bremsens oder eines Spurwechsels
eines voranfahrenden Fahrzeugs eingetreten sei (angefochtenes Urteil S. 8 ff.;
vgl. auch erstinstanzliches Urteil S. 8 ff.).

3.
3.1 Nach Art. 34 Abs. 4 SVG ist gegenüber allen Strassenbenützern ein
ausreichender Abstand zu wahren, namentlich beim Kreuzen und Überholen sowie
beim Neben- und Hintereinanderfahren. Der Fahrzeugführer hat beim
Hintereinanderfahren einen ausreichenden Abstand zu wahren, so dass er auch bei
überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig halten kann
(Art. 12 Abs. 1 VRV). Was unter einem "ausreichenden Abstand" im Sinne von Art.
34 Abs. 4 SVG zu verstehen ist, hängt von den gesamten Umständen ab, namentlich
von den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie der Beschaffenheit
der beteiligten Fahrzeuge. Im Sinne von Faustregeln stellt die Rechtsprechung
für Personenwagen auf die Regel "halber Tacho" (entsprechend 1,8 Sekunden) und
die "Zwei-Sekunden"-Regel ab (zum Ganzen BGE 131 IV 133 E. 3.1 mit Hinweisen).
Diese Distanz entspricht ungefähr der Anhaltestrecke bei plötzlichem
ordnungsgemässem Bremsen und Anhalten des vorausfahrenden Personenwagens (BGE
104 IV 192 E 2b). Für die Beurteilung, ob eine grobe Verkehrsregelverletzung im
Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG anzunehmen ist, wird als Richtschnur die Regel "1
/6-Tacho" bzw. Abstand von 0,6 Sekunden herangezogen (BGE 131 IV 133 E. 3.2.2;
Urteil 6B_1030/2010 vom 22.3.2011 E. 3.3.2 mit Hinweisen).

3.2 Was der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorbringt, erschöpft sich in
weiten Teilen in einer blossen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil,
die für die Begründung von Willkür nicht genügt. So ist nicht schlechterdings
unhaltbar, wenn die Vorinstanz den Umstand, dass der Zeuge C.________ das
vorausfahrende Fahrzeug fälschlicherweise als Toyota anstatt als Daihatsu
bezeichnet hat, für die rechtliche Beurteilung als unerheblich erachtet.
Dasselbe gilt, soweit die Vorinstanz zum Schluss gelangt, die Schätzung des
Zeugen C.________, wonach der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen zwischen 5
und 15 Meter betragen habe, sei bei einem nachgewiesenen Mindestabstand von 14
Metern nicht offensichtlich falsch. Nicht willkürlich ist auch die Würdigung
der Aussagen des Zeugen A.________. Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass
dieser vom Bezirksamt Baden lediglich telefonisch befragt wurde, zumal er
jedenfalls in der erstinstanzlichen Verhandlung als Zeuge einvernommen wurde
(vgl. erstinstanzliches Urteil S. 3/8 f.). Soweit der Beschwerdeführer
vorbringt, die Aussagen des Zeugen A.________ müssten entgegen der Auffassung
der Vorinstanz zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, begründet er seine
Beschwerde nicht hinreichend. Der Beschwerdeführer hätte darlegen müssen,
inwiefern die Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unhaltbar seien oder
mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stünden und die
vorhandenen Beweise andere Schlussfolgerungen geradezu aufdrängten. Dies hat er
indes nicht getan. Er beschränkt sich darauf, unter Wiederholung der in der
Berufung vorgetragenen Rügen seinen Rechtsstandpunkt, den er im kantonalen
Verfahren eingenommen hat, erneut zu bekräftigen und geltend zu machen, die
Aussagen des Zeugen C.________ seien weniger glaubwürdig als seine eigenen
Angaben und diejenigen des Zeugen A.________. Es mag zutreffen, dass eine
Würdigung der Beweise, wie sie der Beschwerdeführer für richtig ansieht, ebenso
in Betracht gezogen werden könnte, doch genügt dies für die Begründung von
Willkür nicht. Denn Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger
Rechtsprechung nicht schon vor, wenn das angefochtene Urteil nicht mit der
Darstellung des Beschwerdeführers übereinstimmt oder eine andere Lösung oder
Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern nur, wenn der
angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren oder
widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 138 I 49 E. 7.1; 138 V 74 E. 7; 137 I 1 E. 2.4 je mit Hinweisen).

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit sie den
Begründungsanforderungen überhaupt genügt.

4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem Entscheid in der
Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. September 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Boog