Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.109/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_109/2012

Urteil vom 19. März 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe (Bussenumwandlung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer,
vom 10. Januar 2012.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Mit Beschluss vom 21. März 2011 wandelte das Wirtschaftsstrafgericht des
Kantons Bern (WSG) eine vom Kassationshof (KH) am 30. August 2007 gegen den
Beschwerdeführer ausgefällte Busse in eine dreimonatige Freiheitsstrafe um. Die
Freiheitsstrafe wurde durch die Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug des Amts
für Freiheitsentzug und Betreuung des Kantons Bern (ASMV) am 21. September 2011
für die Zeit ab 7. November 2011 in Vollzug gesetzt.

Dagegen reichte der Beschwerdeführer am 21. Oktober 2011 eine Beschwerde bei
der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern (POM) ein.

Am 4. November 2011 wies die POM die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat.

Eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde durch das Obergericht des Kantons Bern
mit Beschluss vom 10. Januar 2012 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

Der Beschwerdeführer wendet sich ans Bundesgericht und beantragt, der Beschluss
vom 10. Januar 2012 sei aufzuheben. Ihm sei ein amtlicher Anwalt für das
Verfahren vor dem Bundesgericht beizuordnen, und danach sei ein zweiter
Schriftenwechsel durchzuführen. Es sei ihm die unentgeltliche Prozessführung zu
gewähren.

2.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, das WSG habe die vom KH ausgefällte
Busse zu Unrecht in eine Freiheitsstrafe umgewandelt, kann in Anwendung von
Art. 109 Abs. 3 BGG auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl.
angefochtenen Entscheid S. 5/6 E. 2). Gegenstand des vorliegend zu
überprüfenden kantonalen Verfahrens ist einzig die Anordnung des Vollzugs der
Freiheitsstrafe.

Was die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen der angeblich notwendigen
Verteidigung vor dem WSG und die Eröffnung und Rechtskraft von dessen Beschluss
angeht, kann ebenfalls auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden
(vgl. angefochtenen Entscheid S. 6-8 E. 4). Was der Beschwerdeführer dagegen
vorbringt, dringt nicht durch. Er macht z.B. geltend, die Vorinstanz sei zur
Beurteilung der Rechtskraft des Beschlusses des WSG sachlich nicht zuständig
(Beschwerde S. 3/4). Die Vorinstanz stellt indessen ausdrücklich fest, dass es
das WSG selber gewesen sei, welches die Rechtskraft seines Beschlusses mehrfach
bescheinigt habe (angefochtener Entscheid S. 7 oben). Inwieweit im Zusammenhang
mit der Rechtskraft des Beschlusses des WSG eine Verletzung des Rechts im Sinne
von Art. 95 BGG vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.

Auch was die Rüge betrifft, es sei dem Beschwerdeführer bis heute die Einsicht
in die Akten des ASMV verweigert worden, kann auf die Ausführungen der
Vorinstanz verwiesen werden (vgl. angefochtenen Entscheid S. 8/9 E. 5). Dass
dem Beschwerdeführer die ihn betreffenden Strafurteile und seine eigenen
Eingaben nicht zugestellt wurden, ist nicht zu beanstanden. Ob es allerdings
richtig war, sein Einsichtsrecht auf die Seiten 220 bis 246 der
Strafvollzugsakten zu beschränken, was er in Zweifel zieht, kann offen bleiben.
Entscheidend ist, dass im kantonalen Verfahren am 4. November 2011 überhaupt
versucht wurde, ihm die Akten (wenn auch nur teilweise) zur Einsicht
zuzustellen. Dass die Akten an die Wohnadresse und nicht ins Regionalgefängnis
Bern gesandt wurden, ist nicht zu beanstanden. Nachdem der Vollzug der
Ersatzfreiheitsstrafe in der Verfügung vom 21. September 2011 auf den 7.
November 2011 festgesetzt worden war, beantragte der Beschwerdeführer in seiner
Beschwerde vom 21. Oktober 2011 ausdrücklich, die POM solle dem Rechtsmittel
die aufschiebende Wirkung gewähren, solange die Rechtmässigkeit der
Ersatzfreiheitsstrafe nicht feststehe (KA act. 247 und 256). Nachdem die POM
dieses Gesuch um aufschiebende Wirkung nicht abgewiesen hatte, durfte sie davon
ausgehen, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt ihre Sendung vom 4.
November 2011 an seinem Wohnsitz, den er in seiner Beschwerde vom 21. Oktober
2011 als Zustelldomizil genannt hatte, aufhalte. Dass er sich demgegenüber,
ohne sich wenigstens nach dem Stand seines noch nicht behandelten Gesuches um
aufschiebende Wirkung zu erkundigen, am 7. November 2011 von sich aus und damit
gewissermassen, wie die Vorinstanz feststellt, "freiwillig" im
Regionalgefängnis Bern zum Vollzug der Freiheitsstrafe stellen würde, konnte
und musste die POM nicht annehmen. Inwieweit unter diesen Umständen die
Auffassung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer müsse den vergeblichen
Zustellversuch an seinen Wohnsitz gegen sich gelten lassen, gegen das Recht im
Sinne von Art. 95 BGG verstossen könnte, ist nicht ersichtlich.

Ohne dass sich das Bundesgericht zu allen Vorbringen des Beschwerdeführers
ausdrücklich äussern müsste, ist die Beschwerde im Verfahren nach Art. 109 BGG
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Das Bundesgericht bestellt einem Beschwerdeführer einen Anwalt, wenn es zur
Wahrung seiner Rechte notwendig ist (Art. 64 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer
hat indessen eine ausführliche Beschwerdebegründung eingereicht, in der er
unter Bezugnahme auf Zitate aus Literatur und Rechtsprechung geltend macht, der
angefochtene Entscheid verletze das Recht. Offensichtlich war der
Beschwerdeführer zur Wahrung seiner Rechte nicht auf einen Anwalt angewiesen.
Das Gesuch um einen zweiten Schriftenwechsel ist damit gegenstandslos.

4.
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG
abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Seiner
finanziellen Lage (vgl. Beschwerde S. 12 unten) ist bei der Bemessung der
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. März 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Monn