Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.9/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_9/2012

Urteil vom 30. April 2012
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Bundesrichter von Werdt, Bundesrichter Herrmann,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
X.________ (Ehefrau),
vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Zollinger,
Beschwerdeführerin,

gegen

Z.________ (Ehemann),
vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Hodel,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Beweisverfügung; anwendbares Recht,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Zug, II.
Beschwerdeabteilung, vom 7. Dezember 2011.

Sachverhalt:

A.
Zwischen den Eheleuten X.________ und Z.________ ist seit dem xxxx 2010 vor dem
Kantonsgericht Zug das Scheidungsverfahren hängig. Strittig sind im
Wesentlichen die finanziellen Nebenfolgen der Scheidung. Nach durchgeführtem
Schriftenwechsel erliess die Referentin am 9. August 2011 einen Entscheid über
die abzunehmenden Beweise. Sie ordnete unter anderem eine Expertise über den
Wert einzeln genannter Gesellschaften und Beteiligungen an, schlug hierfür die
Y.________ AG in A.________ vor, setzte den Parteien Frist zur allfälligen
Ablehnung der Expertin und zur Einreichung von Zusatzfragen an. Ferner wurden
die Parteien verpflichtet, der Expertin Einsicht in sämtliche Unterlagen zu
gewähren und die notwendigen Auskünfte für die Schätzung zu erteilen.
X.________ wurde insbesondere eine Frist von zehn Tagen zur Leistung eines
Kostenvorschusses von einstweilen Fr. 140'000.-- angesetzt, ansonsten Verzicht
auf die Expertise angenommen werde.

B.
Gegen die Anordnung der Expertise gelangte X.________ mit Beschwerde an das
Obergericht des Kantons Zug. Sie wandte sich gegen die Höhe des ihr auferlegten
Kostenvorschusses sowie die vorgeschlagene Expertin. Mit Beschluss vom 7.
Dezember 2011 trat das Obergericht auf die Beschwerde nicht ein.

C.
X.________ ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 5. Januar 2012 an das
Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des
obergerichtlichen Beschlusses und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung
an die Vorinstanz. Weiter ersucht die Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Weder Z.________ als Beschwerdegegner noch das Obergericht haben sich dem
Verfahrensantrag widersetzt. Mit Verfügung vom 31. Januar 2012 hat die
Präsidentin der II. zivilrechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende
Wirkung im Sinne der Erwägungen gewährt.

In der Sache beantragt der Beschwerdegegner die Abweisung der Beschwerde. Das
Obergericht schliesst ebenfalls auf Abweisung, ohne weiter Stellung zu nehmen.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1
BGG), mit welchem das Obergericht auf eine Beschwerde betreffend die Anordnung
einer Expertise nicht eingetreten ist. Dabei handelt es sich um einen
Zwischenentscheid, der gemäss dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens mit dem
in der Hauptsache zulässigen Rechtsmittel anzufechten ist (BGE 134 V 138 E. 3
S. 144). Hierbei geht es um die finanziellen Nebenfolgen einer Scheidung, und
damit eine Zivilsache mit Vermögenswert (Art. 72 Abs. 1 BGG), wobei die
gesetzliche Streitwertgrenze überschritten ist (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die
Beschwerde in Zivilsachen steht insoweit zur Verfügung.

1.2 Selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide können vor Bundesgericht
nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 und Art. 93 BGG angefochten werden.
Vorliegend kommt einzig die Variante gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG in
Betracht, d.h. die Beschwerde ist zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Ein solcher muss nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung rechtlicher Natur sein, was voraussetzt,
dass er sich auch mit einem späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht
gänzlich beseitigen lässt (BGE 136 II 165 E. 1.2.1 S. 170). Dagegen reichen
rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverzögerung oder -verteuerung
nicht aus (BGE 134 III 188 E. 2.2 S. 191). Die gerichtliche Einforderung eines
Kostenvorschusses mit der Androhung, auf die Beweisvorkehr bei Nichtleistung
nicht einzutreten, kann einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken
(BGE 133 V 402 E. 1.2 S. 403).

2.
Anlass zur vorliegenden Beschwerde bildet das Nichteintreten der letzten
kantonalen Instanz auf die Beschwerde gegen eine Beweisverfügung. Strittig ist
das für die Anfechtbarkeit eines solchen Entscheides massgebliche
Verfahrensrecht.

2.1 Die Vorinstanz stellte vorab fest, dass im vorliegenden Fall das
Scheidungsverfahren bereits im Jahre 2010 auf Klage des Beschwerdegegners
anhängig gemacht worden war. Alsdann sei am 9. August 2011 - und damit nach
Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) - die
Beweisanordnung der mit der Angelegenheit befassten Referentin ergangen. Das
Verfahren vor erster Instanz richte sich nach wie vor gestützt auf Art. 404
Abs. 1 ZPO nach dem bisherigen kantonalen Recht, welches die Beschwerde an das
Obergericht nicht vorsehe. Dies betreffe sämtliche in diesem Stadium ergangene
Entscheide, seien es nun verfahrensleitende Zwischenentscheide oder
Endentscheide. Nach Ansicht der Vorinstanz trägt die bundesgerichtliche
Rechtsprechung dem gesetzgeberischen Willen und der von der Lehre geforderten
gesamtheitlichen Betrachtung des in Art. 404 Abs. 1 und Art. 405 Abs. 1 ZPO
enthaltenen Übergangsrechts nicht Rechnung. Zudem seien dadurch in der Praxis
Rechtsunsicherheit und Friktionen zu erwarten. Mit all diesen Fragen habe sich
das Bundesgericht nicht vertieft auseinander gesetzt.

2.2 Das Bundesgericht hat sich in einem Grundsatzurteil vom vergangenen Jahr
eingehend mit der übergangsrechtlichen Frage befasst, welches Verfahrensrecht
für die Ergreifung eines Rechtsmittels gegen den nach Inkrafttreten der ZPO
ergangenen Zwischenentscheid massgebend ist (BGE 137 III 424). Im damals zu
beurteilenden Fall war das Verfahren in der Hauptsache bereits vor
Inkrafttreten der ZPO anhängig gemacht worden und ist als solches gemäss Art.
404 Abs. 1 ZPO nach dem bisherigen kantonalen Recht zu beenden. Für die
Anfechtbarkeit des alsdann ergangenen Zwischenentscheides ist gemäss dem
genannten Urteil hingegen nicht der Art. 404 Abs. 1 ZPO, sondern
ausschliesslich der Art. 405 Abs. 1 ZPO massgebend. Das Bundesgericht hat bei
der Entscheidfindung auch die Lehrmeinungen zu den beiden möglichen Lösungen
berücksichtigt. Alsdann hat es auf den Wortlaut des Art. 405 Abs. 1 ZPO
verwiesen, welcher nicht von der Art des Entscheides ausgeht und den
Anwendungsbereich dieser Norm insbesondere nicht auf Endentscheide beschränkt.
Triftige Gründe, vom eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut abzuweichen,
gebe es keine. Zudem gebiete auch die Entstehungsgeschichte kein Abweichen vom
Wortlaut. Unüberwindbare Schwierigkeiten seien nicht zu erwarten, wenn alle
Entscheide den Rechtsmitteln gemäss Art. 405 Abs. 1 ZPO unterstellt werden. Zur
Frage des massgebenden Rechts hat die für den konkreten Fall zuständige II.
zivilrechtliche Abteilung mit der I. zivilrechtlichen Abteilung einen
Meinungsaustausch nach Art. 23 Abs. 2 BGG durchgeführt. Die seither ergangenen
Urteile des Bundesgerichtes reihen sich in diese Praxis ein (u.a. Urteil 5A_405
/2011 vom 27. September 2011 E. 4.1, nicht publ. in BGE 137 III 470; BGE 138
III 41 E. 1.1 S. 42; BGE 4A_672/2011 vom 31. Januar 2012 E. 2.1). Damit besteht
kein Anlass, auf die erst kürzlich ergangene Rechtsprechung zurückzukommen. Die
Kritik der Vorinstanz daran wird denn auch im Wesentlichen mit Hinweisen auf
die Lehre begründet, welche dem Bundesgericht bekannt waren. Auch zum Argument
der möglichen Schwierigkeiten in der Praxis hat es damals (in verneinender
Weise) Stellung genommen.

2.3 Es bleibt im vorliegenden Fall dabei, dass für das am 1. Januar 2011
rechtshängige Verfahren weiterhin das kantonale Recht gilt (Art. 404 Abs. 1
ZPO), währenddem für die Anfechtbarkeit des Zwischenentscheides vom 9. August
2011 die ZPO massgebend ist (Art. 405 Abs. 1 ZPO). Entscheide betreffend
Ausstand bzw. Kostenvorschuss können - wie sich aus dem Folgenden ergibt -
grundsätzlich Anfechtungsobjekt für ein Rechtsmittel nach ZPO sein.
2.3.1 Der von der erstinstanzlichen Referentin erlassene Entscheid stellt eine
Beweisverfügung dar. Diese umfasst unter anderem die Anordnung eines Gutachtens
zur Bewertung verschiedener Vermögensbestandteile der Prozessparteien. Zu
diesem Zweck wird auch eine Gutachterin ernannt. Ob die Voraussetzungen bereits
gegeben sind, um den umstrittenen Entscheid auf dem Beschwerdeweg anzufechten
(Art. 50 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 ff. ZPO), hat die Vorinstanz zu prüfen.
2.3.2 Weiter hat die erstinstanzliche Referentin in der Beweisverfügung von der
Beschwerdeführerin einen Kostenvorschuss für das Gutachten in der Höhe von Fr.
140'000.-- verlangt. Dagegen ist die Beschwerde grundsätzlich gegeben (Art. 103
i.V.m. Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO; TAPPY, in: Code de procédure civile
commenté, 2011, N. 4 zu Art. 103).

2.4 Ausgehend von der Anwendbarkeit der ZPO für die Frage der Anfechtbarkeit
der strittigen Beweisverfügung hat das Obergericht die Beschwerde gegen den
erstinstanzlichen Entscheid vom 9. August 2011 auf die einzelnen
Eintretensvoraussetzungen hin zu prüfen und gegebenenfalls darauf einzutreten.

3.
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Der angefochtene
Entscheid des Obergerichts ist aufzuheben, und die Sache ist im Sinne der
Erwägungen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdegegner die Gerichtskosten und hat er eine
Parteientschädigung an die Beschwerdeführerin zu leisten (Art. 66 Abs. 1, Art.
68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird gutgeheissen und der Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zug vom 7. Dezember 2011 wird aufgehoben. Die Sache
wird im Sinne der Erwägungen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, II.
Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. April 2012
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Hohl

Der Gerichtsschreiber: Levante