Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.803/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_803/2012

Urteil vom 20. Dezember 2012
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Herrmann, von Werdt,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Vormundschaftsbehörde der Einwohnergemeinde A.________.

Gegenstand
Errichtung einer Beistandschaft,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
2. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ (geb. xxxx 1976) erhielt im Jahr 2009 eine volle IV-Rente
zugesprochen und wehrte sich dagegen erfolgreich beim Versicherungsgericht des
Kantons Solothurn. Das Gericht wies die IV-Stelle mit Urteil vom 13. August
2010 an, die berufliche Eingliederungsfähigkeit von X.________ nochmals zu
prüfen. Die Ausgleichskasse stellte in der Folge die Rentenzahlungen per 31.
August 2010 ein. X.________ erstattete der Ausgleichskasse der IV die bereits
ausbezahlten Rentenleistungen im Umfang von Fr. 30'000.-- zurück.

A.b Am 25. Januar 2011 reichte X.________ bei den Sozialen Diensten der Stadt
A.________ einen Antrag um Sozialhilfe ein. Die Sozialen Dienste anerkannten
einen Anspruch ab dem 1. Februar 2011 und wiesen X.________ an, mit den
involvierten Stellen kooperativ zusammenzuarbeiten und allfällige von der IV
erbrachte Leistungen an die Sozialen Dienste abzutreten. X.________ kam diesen
Auflagen nicht nach. Da er gesundheitliche Probleme hatte und weder über
Einkommen noch Vermögen verfügte, gewährten ihm die Sozialen Dienste Nothilfe.
A.c In ihrem Abschlussbericht vom 9. Mai 2011 hielt die IV-Stelle fest,
X.________ leide gemäss neuester ärztlicher Einschätzung an paranoider
Schizophrenie und Anorexie; er verweigere therapeutische Massnahmen, habe
keiner Vorladung der IV-Stelle Folge geleistet, sodass die berufliche
Wiedereingliederung nicht mit ihm habe besprochen werden können. Mit Verfügung
vom 28. November 2011 sprach die IV X.________ rückwirkend ab 1. Januar 2007
eine ganze IV-Rente zu. Gestützt auf eine Abtretung an die Sozialen Dienste der
Stadt A.________ bezahlte die Ausgleichskasse die laufenden Rentenzahlungen und
die rückwirkenden Rentenleistungen im Betrag von Fr. 55'000.-- an die Sozialen
Dienste der Stadt A.________ aus.

B.
B.a Da X.________ die ihm zugesprochene IV-Rente weiter ablehnte, lud ihn die
Vormundschaftsbehörde A.________ im Hinblick auf die geplante Anordnung
vormundschaftlicher Massnahmen zur Sitzung vom 18. Januar 2012 ein. X.________
lehnte eine Teilnahme an der Sitzung ab. Am 18. Januar 2012 ordnete die
Vormundschaftsbehörde über X.________ eine Beistandschaft gemäss Art. 392 Ziff.
1 und Art. 393 Ziff. 2 ZGB an. Dem Beistand wurde aufgetragen, X.________ bei
der Regelung der administrativen und finanziellen Angelegenheiten, der
Geltendmachung und Verwaltung der Leistungen der Sozialversicherungen
(Krankenkasse, Invalidenversicherung, Ergänzungsleistungen usw.) zu helfen und
per 18. Januar 2012 ein Inventar über die Vermögenswerte einzureichen.

B.b Mit Entscheid vom 4. Juni 2012 wies das Departement des Innern des Kantons
Solothurn eine Beschwerde des X.________ gegen die Anordnung der Beistandschaft
ab. Mit Urteil vom 2. Oktober 2012 gab das Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn der von X.________ gegen den Entscheid des Departementes des Innern
erhobenen Beschwerde nicht statt.

C.
X.________ (Beschwerdeführer) hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts am
3. November 2012 (Postaufgabe) beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen
erhoben. Er beantragt sinngemäss die Aufhebung der angeordneten Beistandschaft.
Nachdem ihm eine Nachfrist zur Bezahlung des Kostenvorschusses angesetzt worden
war, ersuchte der Beschwerdeführer am 26. November 2012 sinngemäss um
unentgeltliche Rechtspflege.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher (Art. 75 Abs. 1 BGG) kantonaler
Endentscheid (Art. 90 BGG) betreffend Errichtung einer Beistandschaft. Er
betrifft eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit in unmittelbarem Zusammenhang
mit dem Zivilrecht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG), womit die Beschwerde in
Zivilsachen ohne weiteres gegeben ist. Der Beschwerdeführer war Partei im
kantonalen Verfahren (Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG). Seinem sinngemässen Antrag um
Aufhebung der vormundschaftlichen Massnahmen wurde nicht entsprochen; er
verfügt damit über ein schützenswertes Interesse an der Aufhebung bzw. Änderung
des angefochtenen Entscheids (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Auf die im Übrigen
fristgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 100 Abs. 1 BGG) ist grundsätzlich
einzutreten.

1.2 In der Beschwerde ist in Auseinandersetzung mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheids darzulegen, welche Rechte der beschwerdeführenden
Partei durch das kantonale Gericht verletzt worden sind (Art. 42 Abs. 2 BGG;
BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245), wobei eine allfällige Verletzung
verfassungsmässiger Rechte vom Bundesgericht nicht von Amtes wegen geprüft
wird, sondern nur dann, wenn solche Rügen in der Beschwerdeschrift ausdrücklich
erhoben und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 232 E. 1.2 S.
234). Wird eine Sachverhaltsfeststellung beanstandet, muss in der
Beschwerdeschrift dargelegt werden, inwiefern diese Feststellung willkürlich
oder durch eine andere Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29
Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) zustande gekommen ist (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2.2
und 1.4.3 S. 255) und inwiefern die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in fine BGG; BGE 135 I 19 E.
2.2.2 S. 22). Auf rein appellatorische Kritik am Sachverhalt tritt das
Bundesgericht nicht ein.

2.
2.1 Die Vormundschaftsbehörde hat über den Beschwerdeführer eine Beistandschaft
gemäss Art. 392 Ziff. 1 und Art. 393 Ziff. 2 ZGB errichtet. Eine Beistandschaft
nach Art. 392 Ziff. 1 ZGB ist anzuordnen, wenn eine mündige Person in einer
dringenden Angelegenheit infolge von Krankheit, Abwesenheit oder dergleichen
weder selbst handeln noch einen Vertreter bestimmen kann. Nach Art. 393 Ziff. 2
ZGB ist eine Beistandschaft gerechtfertigt, wenn eine Person unfähig ist, die
Verwaltung ihres Vermögens selbst zu besorgen oder einen Vertreter zu
bestellen; diese Massnahme kommt nur in Betracht, falls keine Vormundschaft zu
errichten ist.

2.2
Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen erwogen, indem der Beschwerdeführer
seine IV-Leistung weiterhin ablehne, gefährde er seine eigene Existenz. Im
Weiteren hat es gestützt auf den Abschlussbericht der IV-Stelle vom 9. Mai 2011
und das Urteil des Versicherungsgerichts vom 13. August 2010 hervorgehoben, der
Beschwerdeführer leide an einer paranoiden Schizophrenie und an Anorexie. Laut
einem Bericht der Psychiatrischen Dienste der A.________ Spitäler AG vom 29.
September 2009 liege bei ihm eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach
psychischer Erkrankung vor (ICD_10 F62.1) vor, welche eine 100%-ige
Arbeitsunfähigkeit begründe. In seiner bisherigen Tätigkeit als Architekt könne
er nicht mehr arbeiten; seine Behinderung beruhe in erster Linie auf der
Unfähigkeit, mit Kunden und Kollegen in eine Beziehung zu treten; er meide
jeden Kontakt und habe grosse Schwierigkeiten, an Besprechungen oder
Diskussionen aktiv teilzunehmen. Überdies sei er auch in Bezug auf rein
sachliche Diskussionen für Argumente schwer zugänglich, die nicht seiner
Überzeugung entsprächen. Aus dem Abschlussbericht der IV zur beruflichen
Eingliederung vom 11. Mai 2009 gehe hervor, dass das Selbst- und Fremdbild des
Beschwerdeführers betreffend seine Leistungsfähigkeit massiv auseinandergehe.
So sei er der Meinung, seine Arbeitsleistung sei monatlich mit mindestens Fr.
3'500.-- zu entschädigen und nicht nur mit Fr. 1'500.--, wie ihm von seiner
Praktikumsstelle angeboten werde. Der Beschwerdeführer sei durch seine kaum
vorhandene Sozial- und Kommunikationsfähigkeit in der beruflichen
Privatwirtschaft massiv eingeschränkt bzw. für einen Arbeitgeber kaum zumutbar.
Aufgrund dieser Schilderungen müsse davon ausgegangen werden, die verweigernde
Haltung des Beschwerdeführers gegenüber der IV-Rente sei durch seine
gesundheitlichen Einschränkungen bedingt. Diese Einschränkungen führten
offenbar dazu, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, seine
Fähigkeiten richtig einzuschätzen; ferner falle es ihm krankheitsbedingt
schwer, Dinge anzunehmen, die nicht seiner Überzeugung entsprächen. Da diese
Haltung seine Existenz gefährde, sei der Beschwerdeführer offensichtlich auf
Hilfe bei der Erledigung der finanziellen und administrativen Angelegenheiten
angewiesen. Die Einsetzung eines Beistandes, welche die mildeste der zur
Verfügung stehenden Massnahmen darstelle, sei deshalb gerechtfertigt.

3.
3.1 Gegen das Urteil der Vorinstanz bringt der Beschwerdeführer als Erstes vor,
das Verwaltungsgericht habe ohne mündliche Verhandlung entschieden und überdies
seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

3.2 Der Beschwerdeführer wurde bereits von der Vormundschaftsbehörde A.________
zur Verhandlung vom 18. Januar 2012 vorgeladen und hat dieser Vorladung nicht
Folge geleistet. Zudem legt er nicht rechtsgenüglich (E. 1.2) dar und ist weder
der Beschwerde an das Departement noch jener an das Verwaltungsgericht zu
entnehmen, dass er vor dem Departement bzw. vor dem Verwaltungsgericht einen
Antrag auf eine mündliche Verhandlung gestellt hat. Von einer Verletzung des
Anspruchs auf eine öffentliche Verhandlung kann daher keine Rede sein. Im
Übrigen erörtert der Beschwerdeführer in seiner Eingabe nicht substanziiert (E.
1.2), inwiefern das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt worden sein
soll. Darauf ist nicht einzutreten.

4.
Mit Bezug auf den Entscheid des Verwaltungsgerichts in der Sache beschränkt
sich der Beschwerdeführer einerseits darauf, eigene Tatsachen vorzutragen;
soweit diese von den Feststellungen des angefochtenen Urteils abweichen, ist
darauf von vornherein nicht einzutreten (E. 1.2). Anderseits schickt er sich
an, seine gesundheitlichen Probleme zu verniedlichen und das
verwaltungsgerichtliche Urteil als unhaltbar zu bezeichnen, ohne dabei aber
rechtsgenüglich auf die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen (BGE 81 II
263) des Verwaltungsgerichts zum Gesundheitszustand einzugehen und darzulegen,
inwiefern diese Feststellungen willkürlich sein oder sonst wie gegen
Bundesrecht verstossen sollen (E. 1.2). Im Übrigen zeigt der Beschwerdeführer
auch nicht auf, warum er im Lichte des festgestellten Gesundheitszustandes und
der gemäss den verbindlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts durch die
Krankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit und der krankheitsbedingten negativen
Einstellung gegenüber ihm zustehenden IV-Leistungen nicht schutzbedürftig sein
soll. Der Beschwerdeführer bringt schliesslich auch nicht vor, die angeordnete
Beistandschaft sei unverhältnismässig. Damit wird insgesamt nicht in
Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil begründet, inwiefern die
Anordnung der Beistandshaft gemäss Art. 392 Ziff. 1 und Art. 393 Ziff. 2 ZGB
gegen Bundesrecht verstossen soll. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten.

5.
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Den
Umständen des konkreten Falles entsprechend werden keine Kosten erhoben (Art.
66 Abs. 1 BGG).

6.
Mit der vorliegenden Kostenregelung wird das Gesuch des Beschwerdeführers um
unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Vormundschaftsbehörde der
Einwohnergemeinde A.________ und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Dezember 2012
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Hohl

Der Gerichtsschreiber: Zbinden