Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.678/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_678/2012

Urteil vom 15. November 2012
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Dr. Matthias Häuptli,
Beschwerdeführer,

gegen

Konkursamt Y.________,
vertreten durch Advokat Christoph Küng,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Verwertung im Konkurs,

Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und
Konkurs Basel-Landschaft vom 21. August 2012.

Sachverhalt:

A.
Am 21. November 2011 wurde über die A.________ AG, welche sich mit dem Bau und
Vertrieb von Schwimmbädern beschäftigte, der Konkurs eröffnet.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2012 gelangte X.________ an das Konkursamt
Y.________ mit dem Ersuchen, eine Offerte für das Inventar einreichen zu
können. Er sei Verwaltungsrat der ebenfalls im Schwimmbadbau tätigen B.________
GmbH (nunmehr offenbar B._______ AG) und ehemaliger Arbeitnehmer der
Konkursitin, als welcher er im Konkursverfahren auch eine Lohnforderung von Fr.
98'756.35 angemeldet habe.
Das Konkursamt liess ihm am 21. Juni 2012 mitteilen, es gehe davon aus, dass
ihm bei der Konkursitin jedenfalls faktisch Organstellung zugekommen sei, weil
er vor der Konkurseröffnung der einzige Zeichnungsberechtigte mit operativer
Tätigkeit gewesen sei. Weiter habe es feststellen müssen, dass ein wesentlicher
Teil der Aktiven der Konkursitin heimlich beiseite geschafft worden sei und
sämtliche Kundendaten unerlaubterweise bereits verwendet würden. Unter diesen
Umständen könne es mit ihm keine Rechtsgeschäfte über Aktiven der Konkusmasse
tätigen.

B.
Am 28. Juni 2012 erhob X.________ bei der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und
Konkurs Basel Landschaft eine betreibungsrechtliche Beschwerde mit den
Anträgen, die Verfügung vom 21. Juni 2012 betreffend Ausschluss von der
Offertstellung sei aufzuheben und das Konkursamt Y.________ sei anzuweisen, ihn
sowie die B.________ AG zur Offertstellung bezüglich des Verkaufs der Fahrnis
der Konkursitin zuzulassen und ein neues Bietverfahren durchzuführen, unter
Aufhebung allfällig bereits erfolgter Verwertungshandlungen. Er habe seit
langem gegenüber dem Konkursamt sein Interesse am Erwerb der Fahrnis geäussert.
Er habe auch das Projekt einer Auffanggesellschaft unterbreitet. Ende Dezember
2011 habe er die B.________ AG übernommen und begonnen, mit ehemaligen
Angestellten der Konkursitin einen neuen Geschäftsbetrieb aufzuziehen. Am 25.
Januar 2012 habe das Konkursamt Strafanzeige wegen angeblicher Konkursdelikte
erstattet, wobei er den vorgeworfenen Sachverhalt vollumfänglich bestreite. Als
Gläubiger habe er ein Interesse, dass ein möglichst hoher Erlös erzielt werde.
Wenn er von der Offertstellung ausgeschlossen werde, erziele die Konkursmasse
einen geringeren Erlös. Das Konkursamt Y.________ liess in seiner
Vernehmlassung festhalten, der Beschwerdeführer habe vor Konkurseröffnung
diverse Aktiven, insbesondere den gesamten Kundenstamm und mehrere
baustellenspezifische Inventarpositionen beiseite schaffen lassen. Es müsse
sich an minimale ethische Grundsätze halten und es könne nicht angehen, dass
mit einem Exponenten, gegen den wegen konkreter Schädigung der Konkursgläubiger
habe Strafanzeige erstattet werden müssen und welcher nach Ansicht des
Konkursamtes der Hauptverantwortliche für die angezeigte strafbare Handlung
sei, in irgendeiner Weise geschäftet werde.
Mit Entscheid vom 21. August 2012 wies die Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab.
Sie bejahte mit ausführlicher Begründung die Beschwerdelegitimation von
X.________ und liess ausdrücklich offen, ob die Auffassung des Konkursamtes, es
dürfe aus strafrechtlichen Gründen nicht mit dem Beschwerdeführer kontrahieren,
haltbar sei. Es erwog, dass das summarische Konkursverfahren weitgehend formlos
sei und die "interne Gant", die schliesslich am 20. Juli 2012 stattgefunden
habe, den Bestimmungen von Art. 231 Abs. 3 Ziff. 2 i.V.m. Art. 256 Abs. 3 SchKG
unterliege. Von Vermögensgegenständen mit "bedeutendem Wert" im Sinn dieser
Bestimmungen könne erst bei mindestens fünf-, eher sechs- oder siebenstelligen
Beträgen bzw. einem Inventarwert von über Fr. 50'000.-- gesprochen werden.
Gemäss Liste vom 9. Juli 2012 würden die inventarisierten Gegenstände aber
lediglich Schätzwerte zwischen Fr. 500.-- und Fr. 8'500.-- aufweisen und der
mit Eingabe vom 8. August 2012 nachgereichten Aufstellung über die bislang
erzielten Erlöse lasse sich entnehmen, dass lediglich eine einzige Position für
einen fünfstelligen Betrag (nämlich für Fr. 22'140.--) habe verkauft werden
können. Der Beschwerdeführer bzw. sein Unternehmen wiederum hätten dem
Konkursamt Angebote zwischen Fr. 500.-- und Fr. 1'800.-- für einzelne
Positionen des Inventars geboten. Demnach sei das Konkursamt nicht verpflichtet
gewesen, den Beschwerdeführer zur Stellung einer förmlichen Offerte einzuladen,
und dieser habe auch keinen durchsetzbaren Anspruch auf Teilnahme an der
(weiteren) Verwertung von Aktiven der Konkursitin, soweit keine
Vermögensgegenstände von bedeutendem Wert betroffen seien.

C.
Gegen diesen Entscheid hat X.________ am 17. September 2012 eine Beschwerde in
Zivilsachen eingereicht. Mit Präsidialverfügung vom 9. Oktober 2012 wurde mit
Bezug auf weitere Verwertungshandlungen die aufschiebende Wirkung gewährt. In
der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Gegen den Entscheid der (oberen) Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen steht streitwertunabhängig die Beschwerde in Zivilsachen offen
(Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG und Art. 75 Abs. 1 BGG). Die
Beschwerdelegitimation ist gegeben (Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG) und es besteht
auch ein praktisches Interesse, weil die ebenfalls von der Verfügung vom 21.
Juni 2012 betroffenen Markenrechte noch nicht verwertet sind. Die zehntägige
Beschwerdefrist ist gewahrt (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG).

2.
Gemäss dem Beschwerdeführer geht es nicht an, dass er bzw. die Firma B.________
generell ausgeschlossen würden. Er habe am 15. Juni 2012 verlangt, zur
Offertstellung eingeladen zu werden, und er habe am 31. August 2012 für
verbleibende Positionen erneut ein Angebot unterbreitet. Gemäss Art. 256 Abs. 3
Ziff. 2 SchKG (gemeint: Art. 231 Abs. 3 Ziff. 2 SchKG) habe die
Konkursverwaltung die Interessen der Gläubiger bestmöglich zu wahren, und als
staatliches Organ geniesse die Konkursverwaltung keine Privatautonomie, sondern
unterstehe sie dem Willkürverbot, weshalb sie nicht wie ein normaler Verkäufer
frei sei, mit wem sie kontrahiere. Der Verweis der Aufsichtsbehörde auf Art.
256 Abs. 3 SchKG gehe fehl, weil diese Bestimmung vorliegend gar nicht
anwendbar sei; die Konkursverwaltung habe ihn nämlich nicht einfach nicht zur
Offertstellung eingeladen, sondern sie habe es explizit ausgeschlossen, mit ihm
Rechtsgeschäfte über Aktiven der Konkursmasse zu tätigen, selbst wenn er
(unaufgefordert) eine Offerte einreiche. Soweit sich die Konkursverwaltung zu
einem bestimmten Vorgehen entschlossen habe, sei sie verpflichtet, die
Interessenten rechtsgleich und nach pflichtgemässem Ermessen zu behandeln,
ansonsten sie in Willkür verfalle. Indem er von sich aus eine Offerte
eingereicht habe, dürfe er in einer zweiten Runde an der internen Versteigerung
teilnehmen. Die Verfügung des Konkursamtes vom 21. Juni 2012 leide an
gravierenden Mängeln, indem sie gegen das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung
verstosse und kein vernünftiger Grund ersichtlich sei, weshalb die Konkursmasse
daran gehindert sein solle, mit einem Beschuldigten eines Strafverfahrens
Rechtsgeschäfte abzuschliessen, zumal die Unschuldsvermutung gelte und er den
vorgeworfenen Sachverhalt in allen Teilen bestreite.

3.
Soweit der Beschwerdeführer sich direkt gegen die Verfügung des Konkursamtes
wendet, kann auf seine Beschwerde nicht eingetreten werden, weil einzig der
Entscheid der Aufsichtsbehörde Anfechtungsobjekt sein kann (Art. 75 Abs. 1
BGG). Diese hat aber ausdrücklich offen gelassen, ob die Auffassung der
Konkursverwaltung, sie dürfe nicht mit dem mutmasslich Hauptschuldigen an der
heimlichen Entwendung massgeblicher Aktiva der Konkursitin über einen Verkauf
der in der Masse verbliebenen Vermögenswerte kontrahieren, rechtmässig sei. Sie
hat sich vielmehr darauf beschränkt zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer ein
Recht zur Offertstellung bzw. zum Höherangebot zukomme und ob bejahendenfalls
dieses Recht verletzt worden sei. Dies und nichts anderes ist im Folgenden zu
erörtern.

4.
Das summarische Konkursverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es einfach,
rasch und weitgehend formlos ist (BGE 131 III 280 E. 2.1 S. 284). Es liegt zur
Hauptsache in den Händen der Konkursverwaltung; Gläubigerversammlungen finden
nur ausnahmsweise statt (Art. 231 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG; BGE 121 III 142 E. 1b
S. 143). Gemäss Art. 231 Abs. 3 Ziff. 2 SchKG ist die Verwertung nach den in
Art. 256 Abs. 2-4 SchKG festgelegten Regeln und unter bestmöglicher Wahrung der
Interessen der Gläubiger durchzuführen. Art. 256 Abs. 1 SchKG, wonach ein
freihändiger Verkauf der zur Masse gehörenden Vermögenswerte einen
entsprechenden Beschluss der Gläubiger voraussetzt, ist hier nicht anzuwenden.
Indessen hat die Konkursverwaltung, die im summarischen Verfahren einen
Freihandverkauf anstrebt, Art. 256 Abs. 3 SchKG zu beachten und demnach bei
Vermögensgegenständen von bedeutendem Wert und bei Grundstücken den Gläubigern
die Gelegenheit einzuräumen, höhere Angebote zu machen.
Während einzelne Stimmen davon ausgehen, dass sich der "bedeutende Wert" im
Sinn dieser Bestimmung primär in Relation zur Gesamtmasse bestimme
(GRAHAM-SIEGENTHALER, Vorzeitige Verwertung und Freihandverkauf im Konkurs,
BlSchK 2000, S. 84 f.; ferner AMACKER/ KÜNG, in: Kurzkommentar SchKG, N. 17 zu
Art. 256 SchKG), geht die herrschende Lehre von einem objektiven Massstab aus.
Im Tenor wird dafür plädiert, dass ein Inventar- bzw. Liquidationswert von
50'000.-- (entsprechend einem Verkehrswert von Fr. 100'000.--) als Richtwert zu
gelten habe (LUSTENBERGER, in: Basler Kommentar, N. 36 zu Art. 231 SchKG;
BÜRGI, in: Basler Kommentar, N. 26b zu Art. 256 SchKG; Entscheid der
Aufsichtsbehörde St. Gallen vom 26. Juni 1998, in: BlSchK 1999, S. 112 ff.;
Entscheid der oberen Aufsichtsbehörde Zürich vom 7. Juni 2006, zitiert im
Urteil 7B_97/2006 vom 17. August 2006 E. 3.2). Die weiteren Autoren gehen
ebenfalls von einem objektiven Massstab aus und nennen ähnliche Werte mit
gewissen Abweichungen nach unten und oben (MEIER, Konkursrecht: Revisionspunkte
und aktuelle Fragen, in: Aktuelle Fragen des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts nach revidiertem Recht, in: ZSR 1996, S. 286 [mindestens
fünfstelliger Betrag]; LORANDI, Der Freihandverkauf im schweizerischen
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Diss. St. Gallen 1994, S. 321 [sechs- bis
siebenstelliger Betrag], bzw. Durchführung der Verwertung in der
Zwangsvollstreckung durch Privatpersonen, in: AJP 2000, S. 854 [fünfstelliger
Betrag im oberen Bereich oder sechsstelliger Betrag]; FOËX, in: Commentaire
Romand, N. 16 zu Art. 256 SchKG [mindestens Fr. 20'000.--]; VISCHER,
Unternehmenserwerb aus dem Konkurs, in: SZW 2002, S. 154 [rund Fr.
100'000.--]).
Nach den Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Entscheid weist die
massgebliche Liste der zur Verwertung anstehenden Inventargegenstände vom 9.
Juli 2012 Beträge zwischen Fr. 500.-- und Fr. 8'500.-- aus. Mithin liegen die
Schätzwerte der Gegenstände tiefer als die untersten Limiten, die in Literatur
und Rechtsprechung als Mindestbeträge für die Annahme eines "bedeutenden
Wertes" im Sinn von Art. 256 Abs. 3 SchKG genannt werden, und vielmehr in einem
Bereich, welcher im Urteil 5A_97/2006 vom 17. August 2006 E. 3.4 als zu tief
angesehen wurde. Anzumerken bleibt, dass der Beschwerdeführer bzw. sein
Unternehmen dem Konkursamt unaufgefordert eine Offerte eingereicht hat mit
Angeboten zwischen Fr. 500.-- und Fr. 1'800.--.
Das Konkursamt durfte die fraglichen Gegenstände nach dem Gesagten freihändig
veräussern, ohne dass den Gläubigern ein Recht zum Höherangebot zustand, und
dabei hätte das Konkursamt naturgemäss mit einem bestimmten einzelnen Käufer
kontrahieren müssen. Entsprechend konnte es, zumal im Rahmen des weitgehend
formlosen summarischen Verfahrens, auch ein "interne Gant" (vgl. dazu AMACKER/
KÜNG, a.a.O., N. 9 zu Art. 256 SchKG) durchführen, wenn es sich davon eine
bessere Wahrung der Gläubigerrechte versprach. Allein durch diese Modifizierung
der Verwertungsmodalitäten erwuchs dem Beschwerdeführer kein Recht zum
Höherangebot, soweit ihm auch im Rahmen des freihändigen Verkaufes kein solches
Recht zustand. Verfügte er aber über keinerlei geschützte Rechtsposition, so
kann sich sein Ausschluss aus dem Kreis der Käufer nicht als willkürlich
erweisen.

5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie
eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und
Konkurs Basel-Landschaft, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. November 2012
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Möckli