Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.648/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_648/2012

Urteil vom 3. Dezember 2012
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber V. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________ (Ehefrau),
vertreten durch Rechtsanwalt Hanspeter Kümin, substituiert durch MLaw Mario
Mastai,
Beschwerdeführerin,

gegen

Z.________ (Ehemann),
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Lüthi,
Beschwerdegegner,

S.________, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Vögeli,
T.________, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Vögeli,

Gegenstand
Abänderung Eheschutzmassnahmen,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 17. Juli 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ (Ehefrau; geb. 1972) und Z.________ (Ehemann; geb. 1970) sind
die seit 1991 verheirateten Eltern des T.________ (geb. 1996) und der
S.________ (geb. 1998). Die Eheleute haben sich getrennt. Mit
Eheschutzverfügung vom 26. März 2008 stellte das Bezirksgericht Zürich die
Kinder für die Dauer des Getrenntlebens unter die Obhut der Mutter, räumte dem
Vater ein Besuchsrecht ein und verpflichtete diesen zu Unterhaltszahlungen
zugunsten der Ehefrau und Kinder. Gleichzeitig ordnete es eine Beistandschaft
im Sinne von Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB an.
A.b Am 29. Mai 2009 beantragte der Vater dem Bezirksgericht Zürich die
Umteilung der elterlichen Obhut an sich und die Neuregelung des Besuchsrechts
zugunsten der Mutter. Ausserdem ersuchte er um Aufhebung der
Kinderunterhaltsbeiträge sowie um Herabsetzung des an die Ehefrau zu leistenden
Unterhalts. Mit Entscheid vom 7. Januar 2010 setzte die zuständige
Einzelrichterin die vom Vater und Ehemann zu leistenden Unterhaltsbeiträge neu
fest (Fr. 1'500.-- für die Ehefrau, je Fr. 900.-- für die Kinder) und wies die
übrigen Abänderungsbegehren ab.

B.
Am 1. Februar 2010 gelangte Z.________ an das Obergericht des Kantons Zürich,
dem er im Wesentlichen die bereits vor Bezirksgericht gestellten Begehren
unterbreitete. Es fand ein mehrfacher Schriftenwechsel statt. Nach einer
Intervention durch die Beiständin wurde der Mutter mit Präsidialverfügung vom
28. März 2011 die Obhut über die beiden Kinder entzogen; diese wurden
fremdplatziert. Die von der Mutter dagegen gerichtete Einsprache wies das
Obergericht mit Beschluss vom 20. April 2011 ab. Gleichzeitig leitete es eine
umfassende kinderpsychiatrische Abklärung beim Kinder- und
Jugendpsychiatrischen Dienst Zürich ein und bestellte den Kindern einen
Prozessbeistand. Mit Urteil vom 17. Juli 2012 hiess das Obergericht den Rekurs
von Z.________ gut, reduzierte den der Ehefrau geschuldeten Unterhaltsbeitrag
auf Fr. 1'100.-- pro Monat, stellte die Kinder unter die Obhut des Vaters,
sprach der Mutter kein Besuchsrecht zu und hob die der Mutter geschuldeten
Kinderunterhaltsbeiträge auf.

C.
Mit Eingaben vom 7. und 9. September 2012 wendet sich X.________ (nachfolgend
Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht. Nebst Begehren um Anordnung
vorsorglicher Massnahmen und Gewährung der aufschiebenden Wirkung beantragt sie
hauptsächlich, die Kinder unter ihre Obhut zu stellen, eventuell die Sache an
die Vorinstanz zu neuem Entscheid zurückzuweisen und subeventuell ihr ein
angemessenes Besuchsrecht einzuräumen.

Mit Verfügung vom 24. September 2012 hat die Präsidentin der II.
zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts die Gesuche um vorsorgliche
Massnahmen und um aufschiebende Wirkung abgewiesen.

In der Hauptsache sind die Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer nicht
vermögensrechtlichen Zivilsache (Art. 72 Abs. 1, 75 Abs. 1 und 90 BGG). Die
Beschwerde in Zivilsachen ist somit im Grundsatz gegeben.

1.2 Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung
der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs. 1
BGG). Wie die Beschwerdeführerin selbst ausführen lässt, wurde ihr bzw. ihrem
Anwalt der angefochtene Entscheid vom 17. Juli 2012 am 19. Juli 2012 eröffnet.
Die Beschwerdeführerin (bzw. ihr Anwalt) hat die an das Bundesgericht
gerichtete Beschwerde am 7. September 2012, das heisst mehr als 30 Tage nach
Eröffnung des angefochtenen Urteils der Schweizerischen Post übergeben.
1.2.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, sie komme in den Genuss
von Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG. Danach stehen gesetzliche Fristen vom 15. Juli
bis und mit dem 15. August still. Die Beschwerdefrist habe deshalb erst am 14.
September 2012 geendet, weshalb sie mit der Eingabe vom 7. September 2012
gewahrt sei. Art. 46 Abs. 2 BGG, wonach in Verfahren betreffend vorsorgliche
Massnahmen die Stillstandsfristen nicht gelten, gelange im vorliegenden
Verfahren nicht zur Anwendung. Unter Hinweis auf BGE 133 III 393 E. 5.1 und
Art. 179 Abs. 2 ZGB macht die Beschwerdeführerin geltend, Eheschutzmassnahmen
käme der Charakter einer vorsorglichen Massnahme nur deshalb zu, weil sie nur
so lange aufrecht erhalten bleiben, als aussergewöhnliche Verhältnisse dies
erforderten, und ohne weiteres dahinfallen, wenn die Ehegatten das
Zusammenleben wieder aufnehmen. Dies gelte jedoch nicht für
Kindesschutzmassnahmen. Diese würden gestützt auf Art. 315a Abs. 1 ZGB
angeordnet und stellten keine vorsorglichen Massnahmen im Sinne der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung dar. Das gelte auch deshalb, weil bei
Kindesschutzmassnahmen nicht von einer erleichterten Abänderbarkeit gesprochen
werden könne, was sich aus BGE 127 III 474 E. 2b/aa ergebe.
1.2.2 Die Beschwerdeführerin unterliegt einem Irrtum. Das mit der Änderung von
Eheschutzmassnahmen befasste Gericht kann auch Kindesschutzmassnahmen abändern,
und zwar "im Verfahren zur Änderung von Eheschutzmassnahmen", wie sich dies aus
Art. 315b Abs. 1 Ziff. 3 ZGB ergibt. Die zitierte Norm nimmt Bezug auf Art. 179
ZGB, wo die gerichtliche Abänderung von Eheschutzmassnahmen geregelt ist. Das
Verfahren, mit welchem Eheschutzmassnahmen abgeändert werden sollen, mündet in
einen Entscheid, der in prozessualer Hinsicht gleich wie der abzuändernde
Eheschutzentscheid, also als vorsorgliche Massnahme zu behandeln ist (BGE 133
III 393 E. 5.1 S. 397). Daraus ist ohne weiteres abzuleiten, dass der im
Verfahren zur Änderung von Eheschutzmassnahmen ergangene Entscheid eine
vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG darstellt.

Wie die Beschwerdeführerin - zugegebenermassen in entgegengesetzter Absicht -
zutreffend ausführt, stimmt der in Art. 98 BGG verwendete Fachausdruck der
vorsorglichen Massnahme auch in rechtlicher Hinsicht mit dem gleichen Terminus
in Art. 46 Abs. 2 BGG überein. Folglich kommt letztere Bestimmung hier zur
Anwendung, weshalb die Beschwerde in Zivilsachen verspätet eingereicht wurde.
Dass sie von einer unzutreffenden oder unvollständigen Rechtsmittelbelehrung
irregeführt worden wäre, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend und ist
auch nicht ersichtlich. Vielmehr geht die Beschwerdeführerin entgegen der
klaren Rechtsprechung fälschlicherweise davon aus, die Frist zur Beschwerde
gegen den angefochtenen Entscheid sei nach Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG zum
Stillstand gekommen. Weil dies nach dem Gesagten nicht der Fall ist, kann auf
die Beschwerde nicht eingetreten werden.

2.
Die Beschwerdeführerin wird damit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Wie die
vorstehenden Erwägungen zeigen, muss die Beschwerde als von Anfang an
aussichtslos gelten, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der
unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende
Gesuch abzuweisen ist. Dem Beschwerdegegner, der sich nur zum Gesuch um
aufschiebende Wirkung zu äussern hatte und in diesem Punkt obsiegt hat, ist
eine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 1 BGG); in der Hauptsache ist
ihm dagegen kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, S.________, T.________ und dem Obergericht des
Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Dezember 2012
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Hohl

Der Gerichtsschreiber: V. Monn