Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.53/2012
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2012
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2012


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_53/2012

Urteil vom 1. Februar 2012
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, Scheibenstrasse 11, 3600
Thun.

Gegenstand
Liegenschaftssteigerung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 16. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
Gestützt auf einen Kreditvertrag vom 19. Februar 2004 nahm X.________ bei der
Bank Z.________ zwei Hypothekarkredite im Gesamtbetrag von Fr. 410'000.-- auf
und sicherte diese mit fünf auf ihrer Liegenschaft A.________ lastenden
Schuldbriefen.

Nach erfolglosen Mahnungen für Zinsausstände kündigte die Bank Z.________ den
Kreditvertrag am 12. Oktober 2007 und verlangte die vollständige Rückzahlung
der Kredite samt Zinsen. Nachdem die Rückzahlung ausgeblieben war, betrieb die
Bank Z.________ ihre Schuldnerin auf Grundpfandverwertung.

Im Zuge dieses Verfahrens setzte das Betreibungsamt Oberland, Dienststelle
Oberland West, den Termin für die Versteigerung der Liegenschaft auf den 16.
Februar 2012 fest (Publikation im SHAB vom xxxx 2011). Gemäss
Steigerungspublikation konnte die Liegenschaft nach telefonischer Voranmeldung
am Freitag, 27. Januar 2012, um 11 Uhr geführt besichtigt werden.

B.
Am 9. Januar 2012 stellte X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Carlo
Häfeli, ein Gesuch um Rechtsstillstand nach Art. 61 SchKG, das vom
Betreibungsamt mit Verfügung vom 10. Januar 2012 abgewiesen wurde. Dagegen
erhob X.________, nunmehr selbst handelnd, am 12. Januar 2011 eine Beschwerde
an das Obergericht des Kantons Bern als kantonale Aufsichtsbehörde, welches die
Beschwerde mit Entscheid vom 16. Januar 2012 abwies.

C.
Gegen diesen Entscheid erhob X.________ am 19. Januar 2012 eine Beschwerde mit
den Begehren um dessen Aufhebung und Feststellung, dass infolge schwerer
Krankheit per sofort Rechtsstillstand bis mindestens 31. Oktober 2012 gelte,
sowie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung und Sistierung sämtlicher
Verwertungshandlungen. Mit Formularverfügung vom 20. Januar 2012 wurden
Vollziehungsvorkehrungen untersagt. Mit weiterer Eingabe vom 24. Januar 2012
verlangte die Beschwerdeführerin, das Betreibungsamt sei nochmals direkt
anzuweisen, die Versteigerung der Liegenschaft zu sistieren. Mit
Vernehmlassungen vom 23. und 24. Januar 2012 zum Gesuch um aufschiebende
Wirkung schlossen das Betreibungsamt sowie das Obergericht auf dessen
Abweisung. Mit Instruktionsverfügung vom 26. Januar 2012 wurde die
Formularanordnung vom 20. Januar 2012 widerrufen und das Gesuch um
aufschiebende Wirkung bzw. vorsorgliche Massnahmen abgewiesen. In der Sache
selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer
Betreibungssache, gegen den die Beschwerde in Zivilsachen unabhängig vom
Streitwert offen steht (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c, Art. 75
Abs. 1 und Art. 90 BGG). Die Beschwerdefrist von 10 Tagen ist eingehalten (Art.
100 Abs. 2 lit. a BGG). Die Beschwerde erweist sich damit als zulässig. Nicht
einzutreten ist auf sie jedoch, soweit der Verlauf und die gerichtlichen
Vorkehrungen bzw. Entscheide in den von der Beschwerdeführerin eingeleiteten
Verfahren der negativen Feststellungsklage kritisiert werden. Unzulässig ist im
vorliegenden Beschwerdeverfahren auch die allgemeine Kritik an der Amtsführung
der Oberrichter, welche am angefochtenen Entscheid mitgewirkt haben.

2.
Wie bereits bei ihrem früheren Gesuch um Rechtsstillstand im Zusammenhang mit
der Neuschätzung der Liegenschaft (siehe Urteil 5A_815/2010 vom 27. Januar
2011) verweist die Beschwerdeführerin auch vorliegend wiederum auf ihren
angeblichen Tumor, den sie mit einem summarischen Arztzeugnis, welches keine
Diagnose enthielt, und mit einer Kopie eines angeblichen CT-Berichtes, die aus
so vielen kleinen Teilen zusammengeschnitten war, dass sich daraus keine
erkennbaren Aussagen ergaben, belegen wollte (vgl. die betreffenden
Feststellungen im angefochtenen Entscheid). Soweit die Beschwerdeführerin ein
neues Zeugnis von ihrem Arzt, der vom Bundesrat speziell an die Uni Bern geholt
worden sei, einreicht, handelt es sich um ein unzulässiges Novum, welches
unbeachtlich ist (Art. 99 Abs. 1 BGG).

Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Vorgehen der skrupellosen
Gegenparteien könne ihr Leben kosten und ihre Existenz ruinieren. Infolge der
wieder aufgebrochenen Tumorerkrankung brauche sie absolute Ruhe und die
Vermeidung von Stress, weshalb sie nicht mit Verwertungshandlungen belästigt
werden dürfe. Ihr Tumor könne nur in der eigenen Wohnung adäquat behandelt
werden, und zwar mit ihrer Spezial-Hyperthermie-Sauerstoff-Kur, welche sie bei
vielen Patienten erfolgreich angewandt habe. Fieber sei nämlich das Gesündeste,
wie lange Praxiserfahrung zeige, und schon Hippokrates habe dies als
reinigendes Feuer bezeichnet; man müsse nur gucken, dass man dabei Ruhe habe
und das Fieber so unter Kontrolle behalten könne, da Tumore bekanntlich erst ab
über 40 Grad absterben würden. All diese Behandlungen könnten nur bei ihr
zuhause und nicht in einem Spital angewandt werden, denn kein Spital toleriere
Essigsocken als Fiebersenker, weil damit nichts zu verdienen sei. Als Heilerin
müsse sie in sich selber hineinhören, was der Körper brauche, keine Störungen
von Aussen wie von maschinell schematisierten Spitalabläufen. Bei sich zuhause
sei sie mit den nötigen Arzneien eingedeckt und habe Ruhe. Stress von Aussen
und Liegenschaftsbesichtigungen bzw. ein Umziehen infolge Wohnungsversteigerung
vertrage sich nicht mit ihrem Fieber, welches sie konstant über 40 Grad unter
Kontrolle halten müsse. Sie benötige deshalb einen Rechtsstillstand, um doch
noch ihre körperliche Gesundung starten zu können.

3.
Gemäss Art. 61 SchKG kann der Betreibungsbeamte einem schwerkranken Schuldner
für eine bestimmte Zeit Rechtsstillstand gewähren. Der Betreibungsbeamte muss
sich von der schweren Krankheit - wozu namentlich die depressive Verstimmung
infolge finanzieller Bedrängnis nicht gehört (Urteil 7B.227/2004 vom 14.
Dezember 2004 E. 2.2) - überzeugen; ein summarisch gehaltenes Arztzeugnis ohne
Diagnose darf nicht ohne kritische Prüfung übernommen werden (BAUER, Basler
Kommentar, N. 5 zu Art. 61 SchKG). Die schwere Krankheit muss sich derart
auswirken, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, die notwendigen
Rechtsvorkehrungen selbst zu treffen, und es ihm auch nicht möglich oder
zuzumuten ist, einen Vertreter zu bestellen (Urteil 7B.62/2002 vom 19. April
2002 E. 2b). Dem Schuldner ist diesfalls der Rechtsstillstand solange zu
gewähren, als er zur Bestellung eines Vertreters benötigt (vgl. BGE 58 III 18
S. 20).

4.
Vorliegend sind die genannten Voraussetzungen für einen Rechtsstillstand
offensichtlich nicht erfüllt: Die Beschwerdeführerin konnte für das Verfahren
vor dem Betreibungsamt einen Vertreter bestellen und sie war in der weiteren
Folge problemlos in der Lage, ihre Rechte selbst wahrzunehmen, wie ihre
mehrfachen Eingaben vor Ober- und Bundesgericht in der vorliegenden
Angelegenheit beweisen. Dass dies im Übrigen konstant der Fall ist, zeigt sich
im Umstand, dass sie seit 2008 allein vor Bundesgericht insgesamt 18 Verfahren
anhängig und dabei stets umfangreiche Eingaben gemacht hat.

Wenn die Beschwerdeführerin sinngemäss davon ausgeht, der Rechtsstillstand
gemäss Art. 61 SchKG diene auch dazu, ihr ganz allgemein eine stressfreie Zeit
zu verschaffen, so irrt sie sich, stehen doch solche allgemeinen
Stillstandsgründe ausserhalb des in Lehre und Rechtsprechung zu Art. 61 SchKG
Ausgeführten. Nur nebenbei sei erwähnt, dass ohnehin nicht einzusehen wäre,
wieso die Beschwerdeführerin für ihre auf konstant über 40 Grad gehaltenem
Fieber und fiebersenkenden Essigwickeln beruhende Selbstkurierung auf die zu
versteigernde Liegenschaft angewiesen ist.

5.
Angesichts der Umstände ist im konkreten Fall auf die Erhebung von
Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Oberland, Dienststelle
Oberland West, und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Februar 2012
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Hohl

Der Gerichtsschreiber: Möckli