Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.404/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_404/2012

Urteil vom 14. August 2012
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

1. Y.________,
2. Z.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Willy Bolliger-Kunz,
Beschwerdegegner,

Betreibungsamt A.________.

Gegenstand
Steigerungszuschlag,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als obere Aufsichtsbehörde, vom 27.
April 2012.

Sachverhalt:

A.
Für fällige Hypothekarforderungen von rund Fr. 1,6 Mio. per 30. Juni 2008 nebst
Zinsen leitete die Bank S.________ gegen X.________ die Grundpfandbetreibung
Nr. ... des Betreibungsamtes A.________ auf Verwertung der Liegenschaft
B.________ ein. Das Zwangsvollstreckungsverfahren zog sich infolge zahlreicher
Beschwerden und Interventionen der Schuldnerin sowie Neuschätzungsverfahren
dahin. Schliesslich wurde auf der Grundlage des am 19. April 2011 mitgeteilten
Lastenverzeichnisses und der am 20. bzw. 27. April 2011 erstellten
Steigerungsbedingungen per 16. Juni 2011 die Steigerung angesetzt. Vorgängig
fand am 14. Juni 2011 die Besichtigung der Liegenschaft statt, wobei sich das
Betreibungsamt mit einem Schlüsselservice Zugang zum Haus verschaffen musste.
Am Steigerungstermin wurde die Liegenschaft für Fr. 1,48 Mio. an Y.________ und
Z.________ zugeschlagen.

B.
Mit Entscheid vom 9. Juni 2011 wies das Bezirksgericht Brugg als untere
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen die von der
Schuldnerin erhobene Beschwerde vom 13. Mai 2011 gegen das Lastenverzeichnis
und die Steigerungsbedingungen ab, ebenso mit Entscheid vom 31. August 2011
deren Beschwerde vom 24. Juni 2011 gegen die Liegenschaftsbesichtigung und mit
Entscheid vom 1. September 2011 deren Beschwerde vom 27. Juni 2011 gegen den
Zuschlag.

Die gegen diese Entscheide eingereichten Beschwerden wies das Obergericht des
Kantons Aargau als obere Aufsichtsbehörde mit drei vom 27. April 2012
datierenden Entscheiden allesamt ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Gegen die drei obergerichtlichen Entscheide hat die Schuldnerin am 29. Mai 2012
je eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Vorliegend geht es um diejenige
gegen den Steigerungszuschlag. Die Beschwerdeführerin verlangt dabei
zusammengefasst die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und die
Feststellung der Nichtigkeit des Steigerungszuschlages bzw. dessen Aufhebung.
Ferner verlangt sie die Sistierung des Verfahrens bis zum Entscheid über die
beiden anderen Beschwerden. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt, aber
die kantonalen Akten beigezogen.

Erwägungen:

1.
Gegen Entscheide der oberen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen steht streitwertunabhängig die Beschwerde in Zivilsachen offen
(Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG). Die
vorliegende Eingabe ist innert Frist erfolgt (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG).

2.
Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend.
Wegen dessen formeller Natur führt seine Verletzung ungeachtet der
Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des
angefochtenen Entscheides (BGE 132 V 387 E. 5.1 S. 390; 135 I 187 E. 2.2 S.
190), weshalb die entsprechende Rüge vorweg zu prüfen ist.

Die Beschwerdeführerin rügt, dass die untere Aufsichtsbehörde ihr die
Vernehmlassung des Betreibungsamtes nicht zugestellt habe. Diese wurde ihr
nachträglich (aber vor dem eigenen Entscheid) vom Obergericht zugestellt. Es
ist nicht zu sehen, inwiefern damit das rechtliche Gehör "nur der Form nach
gewahrt" worden sein soll, zumal sich die Beschwerdeführerin in der Folge
materiell zur Vernehmlassung äusserte. Dass im Übrigen die (vom Obergericht
auch ausführlich begründete) Heilung des rechtlichen Gehörs durch eine obere
Instanz, welche über volle Kognition verfügt, möglich ist, wird von der
Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt. Sie beschränkt sich auf die
Behauptung, das Obergericht habe ihre Vorbringen nicht materiell geprüft. Diese
Behauptung ist aber unzutreffend, wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen.

Die Gehörsrüge ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann.

3.
W.________, welcher das Liegenschaftsverwertungsverfahren durchgeführt hatte,
reichte am 10. Juli 2011 der unteren und am 5. Oktober 2011 der oberen
Aufsichtsbehörde eine Vernehmlassung ein. Mit Eingaben vom 2. November 2011 und
23. April 2012 verlangte die Beschwerdeführerin, dass die Vernehmlassungen aus
dem Recht zu weisen seien, weil W.________ nicht mehr im Amt sei. Das
Obergericht wies dieses Begehren unter Berufung auf Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2
SchKG ab. Vor Bundesgericht macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung dieser
Norm geltend und verlangt, dass die Eingabe vom 5. Oktober 2011 aus den Akten
zu weisen sei, weil W.________ zu diesem Zeitpunkt nicht mehr für das Amt habe
unterzeichnen dürfen.

Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG regelt die Mitwirkungspflicht. Damit ist primär
diejenige der beschwerdeführenden Partei angesprochen; die Aufsichtsbehörde
kann aber ohne weiteres auch Gläubiger, Schuldner, Mitbetriebene und/oder
Dritte, die in einer besonderen Beziehung zum Beschwerdeverfahren stehen,
insbesondere auch das Zwangsvollstreckungsorgan, dessen Verfügung angefochten
ist, zur Mitwirkung anhalten (COMETTA/MÖCKLI, Basler Kommentar, N. 9 zu Art.
20a SchKG m.w.H.). Bei Einreichen der Vernehmlassung vom 5. Oktober 2011 hat
W.________ zwar nicht mehr als Zwangsvollstreckungsorgan geamtet, ist er aber
als Dritter mit besonderer Nähe zum Verfahren anzusehen, da er das vorliegend
interessierende Zwangsvollstreckungsverfahren durchgeführt hat. Es ist nicht zu
sehen, inwiefern er keine Vernehmlassung hätte einreichen dürfen, zumal die
Vernehmlassung vom 5. Oktober 2011 entgegen der Behauptung der
Beschwerdeführerin in eigenem Namen und nicht in demjenigen des Amtes erfolgte
und W.________ angesichts des von ihm abgewickelten Verfahrens hierüber besser
Auskunft geben konnte als sein Amtsnachfolger. Wenn die Beschwerdeführerin
sodann geltend macht, die Aufsichtsbehörde habe gar nicht W.________ direkt,
sondern das Betreibungsamt zu einer Vernehmlassung aufgefordert, so stellt dies
- weil im angefochtenen Entscheid nicht festgehalten und von der
Beschwerdeführerin auch nicht dargetan, inwiefern sie dies bereits im
kantonalen Verfahren behauptet hätte - eine neue Sachverhaltsbehauptung dar,
welche im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zu hören ist (Art. 99 Abs. 1
BGG).

4.
Vor Obergericht hatte die Beschwerdeführerin die Befangenheit des als untere
Aufsichtsbehörde amtenden Richters behauptet. Das Obergericht anerkannte, dass
dieser Rechtsfehler begangen hatte. Indes vermögen solche nach den zutreffenden
obergerichtlichen Erwägungen, jedenfalls soweit sie nicht wiederholt und krass
sind, keinen Anschein der Befangenheit im Sinn von Art. 10 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG
zu begründen (BGE 116 Ia 135 E. 3a S. 138; 125 I 119 E. 3e S. 124; Urteile
6B_654/2008 vom 2. Dezember 2008 E. 2.3; 1C_373/2010 vom 21. Februar 2011 E.
2); vielmehr können einfache Rechtsfehler mit dem gehörigen Rechtsmittel
angefochten und korrigiert werden. Vorliegend sind keine Fehler ersichtlich,
die derart krass wären, dass sie den erstinstanzlichen Richter als befangen
erscheinen lassen könnten; daran ändert insbesondere auch der Versuch der
Beschwerdeführerin nichts, diesem bösen Willen zu unterstellen. Die Kritik, er
habe sich nicht mit ihren Vorbringen auseinandergesetzt und Akten aus einem
anderen Verfahren beigezogen, war bereits Gegenstand des bundesgerichtlichen
Entscheides 5A_799/2010 vom 8. März 2011, in dessen E. 6 eine Befangenheit des
Richters verneint wurde; darauf ist nicht zurückzukommen. Sodann stellt das
Einfordern eines Kostenvorschusses, welcher sich nachträglich als unnötig
erwies, ebenso wenig einen Befangenheitsgrund dar wie die unterlassene
Zustellung der Vernehmlassung des Betreibungsamtes, zumal dieses Versehen im
oberinstanzlichen Verfahren geheilt werden konnte. Entsprechend ist keine
fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Obergericht im Zusammenhang mit der
Abweisung der Befangenheitsrügen.

5.
In der Sache geht es der Beschwerdeführerin darum, dass das Betreibungsamt
angeblich Art. 134 SchKG verletzt und nicht das bestmögliche
Steigerungsergebnis erzielt hat, indem das Lastenverzeichnis und die
Steigerungsbedingungen nicht richtig aufgestellt worden und die Bieter
anlässlich der Besichtigung und der Versteigerung ungenügend über die Mängel
(insb. die defekte Heizungsanlage) informiert worden seien, und indem das
Betreibungsamt im Zusammenhang mit der Besichtigung unrechtmässig vorgegangen
sei. Indes beschränkt sich die Beschwerdeführerin weitgehend darauf, ihre
kantonalen Ausführungen in Kursivschrift in die vorliegend zu behandelnde
Beschwerde zu kopieren statt sich mit den diesbezüglichen Ausführungen im
angefochtenen Entscheid auseinanderzusetzen, wie dies Art. 42 Abs. 2 BGG
verlangt (BGE 134 II 244 E. 2.3 S. 246 f.). Insofern kann auf die Beschwerde
nicht eingetreten werden. Ohnehin vermöchte die Beschwerdeführerin in keiner
Hinsicht durchzudringen:

Das Lastenverzeichnis und die Steigerungsbedingungen bilden Gegenstand des
Verfahrens 5A_402/2012; darauf ist vorliegend nicht zurückzukommen. Ebenso
wenig ist an dieser Stelle die Rechtmässigkeit der Liegenschaftsbesichtigung zu
erörtern, da sie Gegenstand des Verfahrens 5A_403/2012 bildet. Dies betrifft
auch den Zeitpunkt der Durchführung; abgesehen davon gab die Beschwerdeführerin
nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid keine
plausiblen Gründe an, weshalb sie bei der Besichtigung nicht anwesend sein
wollte oder konnte. Wenn sich der Betreibungsbeamte deshalb mittels
Schlüsselservice Zugang zur Wohnung verschaffen musste, so können die in diesem
Zusammenhang behaupteten Straftatbestände nicht in einer SchK-Beschwerde
thematisiert werden, sondern ist diesbezüglich - wie vorliegend erfolglos
geschehen - ein Strafverfahren einzuleiten. Mit Bezug auf die Information der
Interessenten hat das Obergericht die für das Bundesgericht verbindliche
Feststellung getroffen, dass diese anlässlich der Besichtigung auf die
angeblichen Mängel hingewiesen wurden und überdies beim Verlesen der
Steigerungsbedinungen an der Steigerung darauf aufmerksam gemacht wurde, dass
die Eigentümerin Mängel und Schäden im Zusammenhang mit der Heizungsanlage von
Fr. 150'000.-- bis Fr. 200'000.-- behaupte; damit hatten die Interessenten eine
genügende Grundlage, um an der Steigerung sachgerechte Gebote zu machen. Im
Zusammenhang mit dem Steigerungsverfahren selbst legt die Beschwerdeführerin
nicht im Ansatz dar, inwiefern einschlägige Normen verletzt worden wären bzw.
das Obergericht diesbezüglich rechtsfehlerhaft entschieden hätte.

6.
Mit dem gleichzeitigen Entscheid über die anderen beiden Beschwerden wird das
Gesuch um Sistierung des vorliegenden Verfahrens gegenstandslos.

Auch die vorliegende Beschwerde in Zivilsachen ist abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt A.________ und dem
Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. August 2012
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Möckli