Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.187/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_187/2012

Urteil vom 18. Juni 2012
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Levante.

1. Verfahrensbeteiligte
X.________ GmbH,
2. Y.________ GmbH,
beide vertreten durch Fürsprecher Walter H. Boss
und Rechtsanwalt Hans-Ulrich Kupsch,
Beschwerdeführerinnen,

gegen

Konkursamt des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Zweigstelle Heiden, 9410 Heiden.

Gegenstand
aufschiebende Wirkung; Beschwerde gegen Zirkularschreiben des Konkursamtes,

Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts von Appenzell A.Rh.,
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs, vom 20. Februar 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Am 23. November 2010 verfügte der Präsident des Kantonsgerichts Appenzell
Ausserrhoden in Anwendung von Art. 731b OR die Auflösung der Z.________ AG, mit
Sitz in A.________, und ordnete deren Liquidation nach den Vorschriften des
Konkurses an. Am 4. März 2011 gab der Einzelrichter des Kantonsgerichts dem
Antrag des Konkursamtes des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Zweigstelle Heiden,
auf Durchführung summarischen Konkursverfahrens statt. Auf Ersuchen des
Konkursamtes stellte der Präsident des Kantonsgerichts am 6. Dezember 2011 das
Konkursverfahren mangels Aktiven ein. Nach Leistung des notwendigen
Kostenvorschusses durch einen Gläubiger nahm das Konkursamt das Verfahren
anfangs 2012 wieder auf.

A.b Im Rahmen dieses Verfahrens erliess das Konkursamt sodann eine Reihe von
Anordnungen. So legte es unter anderem am 3. Februar 2012 den Kollokationsplan
und den zweiten Teil des Inventars auf, wobei es in der Publikation im SHAB
auch auf die Leistung des Kostenvorschusses für die Wiederaufnahme des
Verfahrens hinwies. Am 14. Februar 2012 setzte das Konkursamt die interne
Versteigerung der "X.________"-Markenrechte auf den 2. März 2012 an. Ebenfalls
am 14. Februar 2012 erliess es ein Gläubigerzirkular betreffend die Abtretung
diverser Rechtsansprüche.
A.c Die X.________ GmbH und die Y.________ GmbH haben in diesem
Konkursverfahren Forderungen angemeldet. Sie erhoben am 16. Februar 2012
Beschwerde beim Obergericht Appenzell Ausserrhoden, Aufsichtsbehörde für
Schuldbetreibung und Konkurs, mit dem Antrag (Verfahren AB 12 3), die
konkursamtliche Verfügung vom 14. Februar 2012 betreffend die interne
Versteigerung aufzuheben (Ziff. 1). Zudem seien sämtliche Verfügungen des
Konkursamtes seit dem 22. Dezember 2011 aufzuheben, insbesondere diejenige
betreffend die Auflegung des Inventars und des Kollokationsplans vom 3. Februar
2012 sowie das Gläubigerzirkular vom 14. Februar 2012 zwecks Abtretung diverser
Rechtsansprüche (Ziff. 2). Die Beschwerdeführerinnen stellten zudem das Gesuch,
dieses Verfahren mit der bereits am 13. Februar 2012 gegen die Wiederaufnahme
des Konkursverfahrens eingereichten Beschwerde (Verfahren AB 12 2) zu
vereinigen. Ferner ersuchten sie, der Beschwerde vom 13. Februar 2012 und
derjenigen vom 16. Februar 2012 die aufschiebende Wirkung zu gewähren.

B.
Mit Verfügung vom 20. Februar 2012 hiess der Präsident das mit Beschwerde vom
16. Februar 2012 gestellte Gesuch der Beschwerdeführerinnen um aufschiebende
Wirkung gut, da die angefochtene Versteigerung eine Verwertungshandlung
darstelle (Verfahren AB 12 3). Gleichentags wies der Präsident das mit
Beschwerde vom 13. Februar 2012 gestellte Gesuch der Beschwerdeführerinnen um
aufschiebende Wirkung ab, da die Auflage des Kollokationsplans und des
Inventars keine Verwertungshandlung darstellten (Verfahren AB 12 2).

C.
Die X.________ GmbH und die Y.________ GmbH sind mit Beschwerde in Zivilsachen
vom 2. März 2012 an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerinnen
beantragen, ihrer Beschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde vom 16. Februar
2012 die aufschiebende Wirkung zu erteilen, soweit sie sich gegen das
Gläubigerzirkular vom 14. Februar 2012 betreffend die Abtretung diverser
Rechtsansprüche richte. Dies habe in Ergänzung der Präsidialverfügung vom 20.
Februar 2012 betreffend die interne Versteigerung zu erfolgen (Verfahren AB 12
3). Eventualiter sei die kantonale Aufsichtsbehörde in diesem Sinne anzuweisen.
Am 16. März 2012 gewährte die Präsidentin der II. zivilrechtlichen Abteilung
der Beschwerde in Zivilsachen die aufschiebende Wirkung.

Das Konkursamt beantragt bereits im Rahmen der Stellungnahme zum Gesuch um
aufschiebende Wirkung die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten
sei. Der Präsident der kantonalen Aufsichtsbehörde räumt in seiner Antwort ein,
zum Gesuch um aufschiebende Wirkung im Rahmen der Beschwerde gegen das
Gläubigerzirkular bisher keine Verfügung erlassen zu haben.

Erwägungen:

1.
1.1 Strittig ist der Umfang einer Verfügung, mit welcher die kantonale
Aufsichtsbehörde über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung im Rahmen eines
Beschwerdeverfahrens (nach Art. 17 SchKG) gegen eine konkursamtliche Anordnung
befunden hat. Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, dessen
Anfechtbarkeit sich nach dem Rechtsweg in der Hauptsache richtet (BGE 133 II
645 E. 2.2 S. 647). Hierbei geht es um eine Zwangsvollstreckungssache, welche
ungeachtet einer gesetzlichen Streitwertgrenze mit Beschwerde in Zivilsachen
anfechtbar ist (Art. 72 Abs. 2 lit. a, 74 Abs. 2 lit. c BGG).

1.2 Der selbständig eröffnete Zwischenentscheid gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG ist
nur anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken
könnte (lit. b). Erforderlich ist ein Nachteil rechtlicher Natur, der sich auch
in einem späteren günstigen Entscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigen
lässt (BGE 136 II 165 E. 1.2.1 S. 170), wobei die blosse Möglichkeit genügt
(BGE 134 III 188 E. 2.1). Hingegen reichen rein tatsächliche Nachteile wie die
Verfahrensverlängerung oder -verteuerung nicht aus (BGE 134 III 188 E. 2.2 S.
190). Es obliegt den Beschwerdeführerinnen darzutun, inwiefern die angefochtene
Verfügung ihnen einen Rechtsnachteil bringen könnte, soweit ein solcher nicht
offensichtlich ist (BGE 134 III 426 E. 1.2 S. 429; 133 III 629 E. 2.3.1 S.
632). Soweit sie eine Unvollständigkeit der angefochtenen Verfügung bzw. eine
Weigerung der kantonalen Instanz eine solche zu erlassen, vortragen, ist ein
möglicher Rechtsnachteil nicht auszuschliessen. Immerhin stehen die Folgen des
Gläubigerzirkulars in Frage, welche als weitreichend für den Fortgang des
Verwertungsverfahrens zu bezeichnen sind. Auf die fristgerecht eingereichte
bzw. jederzeit mögliche Beschwerde ist daher einzutreten (Art. 100 Abs. 2 lit.
a und Abs. 7 BGG).

1.3 Mit der Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht,
Völkerrecht und von kantonalen verfassungsmässigen Rechten geltend gemacht
werden (Art. 95 BGG). Die Feststellung des Sachverhaltes kann nur gerügt
werden, wenn sie offensichtlich unrichtig - d.h. willkürlich - ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des
Mangels überdies für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs.
1 BGG). Ansonsten ist der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt für das
Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und
Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der
Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

1.4 Die Beschwerde ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 BGG). Es ist in gedrängter
Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Dies setzt
voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheides auseinandersetzt. Verweise auf kantonale Eingaben
sind nicht zulässig. Ansonsten kann auf die Beschwerde nicht eingetreten
werden. Wird die Verletzung des Willkürverbotes geltend gemacht, so ist im
Einzelnen darzulegen, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten Mangel
leidet (BGE 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245 f.).

2.
Anlass der vorliegenden Beschwerde bildet das Gesuch der Beschwerdeführer um
aufschiebende Wirkung für die gegen das konkursamtliche Zirkularschreiben
zwecks Abtretung diverser Rechtsansprüche eröffnete kantonale
Beschwerdeverfahren. Sie erachten die Präsidialverfügung vom 20. Februar 2012
als unklar und unvollständig. Zudem machen sie Rechtsverweigerung geltend,
soweit die kantonale Aufsichtsbehörde ihr Begehren nicht behandelt habe. Nicht
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Amtsführung des
Konkursbeamten, das gegen ihn gerichtete Ablehnungsverfahren und weitere
Beschwerden in der Sache. Insoweit ist auf dessen Stellungnahme und die dazu
gehörigen Anträge nicht einzugehen.

2.1 Das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden wird vom Bundesrecht
(Art. 20a Abs. 2 SchKG) geregelt und es muss zudem verfassungsmässigen Vorgaben
genügen. Im Weiteren regeln die Kantone das Verfahren (Art. 20a Abs. 3 SchKG).
Die seit dem 1. Januar 2011 in Kraft stehende schweizerische
Zivilprozessordnung (ZPO) betrifft einzig die gerichtlichen Angelegenheiten des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts (Art. 1 lit. c ZPO). Hingegen steht die
betreibungsrechtliche Beschwerde ausserhalb der ZPO (Urteil 5A_448/2011 E. 2.1
vom 31. Oktober 2011, mit Hinweisen).

2.2 Der angefochtenen Präsidialverfügung lässt sich entnehmen, dass eine
Beschwerde gegen die konkursamtlich angeordnete interne Versteigerung erhoben
und zugleich um aufschiebende Wirkung ersucht worden ist. Zudem wird erörtert,
dass der Beschwerde grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt und eine
solche nur unter den Voraussetzungen von Art. 36 SchKG erteilt wird. Da die
Versteigerung eine Verwertungsmassnahme darstelle, wurde das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gutgeheissen (Verfahren AB 12 3).

2.3 Inwieweit diese Verfügung unklar sein sollte, ist nicht nachvollziehbar.
Zudem ergibt sich aus dem Wortlaut ohne weiteres, dass darin nur über das
Gesuch um aufschiebende Wirkung im Hinblick auf die Anfechtung der
Versteigerung entschieden worden ist. Damit erweist sie sich entgegen der
Behauptung der Beschwerdeführerinnen auch nicht als unvollständig. Mit einer
separaten Verfügung wies der Präsident das Gesuch um aufschiebende Wirkung im
Hinblick auf die Anfechtung der Auflage von Kollokationsplan und Inventar ab
(Verfahren AB 12 2). Damit hat er dem in der Beschwerde vom 16. Februar 2012
gestellten Gesuch, die beiden Verfahren zu vereinigen, bisher nicht
stattgegeben. Dass durch das Vorgehen der Vorinstanz kantonales Verfahrensrecht
in unhaltbarer Weise angewendet worden sei, wird von den Beschwerdeführern
nicht gerügt. Ebenso wenig kann der Präsident der Aufsichtsbehörde verpflichtet
werden, in einer einzigen Verfügung über sämtliche Gesuche um aufschiebende
Wirkung zu befinden, wie die Beschwerdeführerinnen wohl meinen. Zumindest
bringen sie nicht vor, dass das kantonale Verfahrensrecht dies vorsehen würde.

2.4 Soweit die Beschwerdeführerinnen dem Präsidenten der Aufsichtsbehörde
Rechtsverweigerung vorwerfen, da er über ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegen das Gläubigerzirkular nicht befunden habe, verweisen sie auf eine
weiteres bereits seit dem 10. November 2011 hängiges Beschwerdeverfahren,
welches nach ihren Darlegungen mit der Beschwerde vom 16. Februar 2012 eine
Verbindung aufweist. Inwieweit hier tatsächlich ein Zusammenhang besteht, kann
offen bleiben. Aufgrund der Akten und der Beschwerdeantwort des Präsidenten
steht fest, dass über dieses Gesuch um aufschiebende Wirkung bisher nicht
entschieden worden ist. Die kantonale Instanz ist aber zu dessen Behandlung
verpflichtet, womit eine formelle Rechtsverweigerung gegeben ist, die zur
Gutheissung der Beschwerde führt (Art. 29 Abs. 1 BV; Urteil 2C_601/2010 vom 21.
Dezember 2010 E. 2; Urteil 8C_1012/2010 vom 31. März 2011 E. 3.1). Die
Angelegenheit wird daher an die kantonale Aufsichtsbehörde zurückgewiesen,
damit sie sich mit dem Gesuch befassen und darüber entscheiden kann.

3.
Nach dem Dargelegten ist der Beschwerde in Zivilsachen Erfolg beschieden.
Ungeachtet des Verfahrensausgangs werden dem Kanton Appenzell Ausserrhoden
keine Kosten auferlegt (Art. 66 Abs. 4 BGG). Indessen hat er die
Beschwerdeführerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird gutgeheissen und die Sache wird an die
Vorinstanz zur Entscheidung im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Appenzell Ausserrhoden hat die Beschwerdeführerinnen für das
bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Konkursamt des Kantons Appenzell
Ausserrhoden und dem Obergericht von Appenzell A.Rh., Aufsichtsbehörde für
Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juni 2012
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Levante