Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.719/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_719/2012

Urteil vom 13. Mai 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz, Kolly,
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille,
Gerichtsschreiber Luczak.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Claudio Kerber,
Beschwerdeführer,

gegen

Bank X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Felix Dasser
und Rechtsanwältin Edith Blunschi,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Vorsorgliche Beweisabnahme,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 31. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
Zwischen der Bank X.________ AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) und A.________
(Beklagter, Beschwerdeführer) bestand seit 2004 eine drei Unterkonti umfassende
Kontobeziehung. In deren Rahmen räumte die Bank ihm auch Kredite ein, ab ca.
Oktober 2009 bis zur Limite von 50 Millionen Franken. Nach einer
Verschlechterung der Kreditsituation anfangs August 2011 veräusserte die Bank
die Wertschriften, was indessen nicht ausreichte, um den vom Beklagten
beanspruchten Kredit vollständig zurückzuzahlen.

B.
B.a Mit Klage vom 15. März 2012 verlangte die Bank vor dem Bezirksgericht
Zürich vom Beklagten Fr. 22'573'000.-- nebst Zins, unter Vorbehalt der
Nachklage. Mit Eingabe vom 20. April 2012 stellte der Beklagte beim
Bezirksgericht den Antrag, die Klägerin zur Edition diverser Unterlagen zu
verpflichten und ihm die Frist zum Einreichen der schriftlichen Klageantwort
abzunehmen. Er stützte sein Gesuch auf Art. 158 Abs. 1 lit. b zweiter Halbsatz
ZPO, wonach das Gericht jederzeit vorsorglich Beweis abzunehmen habe, wenn ein
schutzwürdiges Interesse glaubhaft gemacht sei. Ein solches bestehe zur
Abklärung der Prozess- und Beweischancen. Mit Beschluss vom 3. September 2012
wies das Bezirksgericht das Gesuch ab und setzte erneut Frist zu schriftlichen
Klageantwort an.
B.b Gegen diesen Beschluss reichte der Beklagte unter Aufrechterhaltung seiner
erstinstanzlichen Editionsanträge Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich
ein. Dieses wies die Berufung mit Urteil vom 31. Oktober 2012 ab
(Dispositiv-Ziffer 1), setzte die Entscheidgebühr auf Fr. 10'000.-- fest
(Dispositiv-Ziff. 2) und behielt die Verlegung der Kosten des
Berufungsverfahrens und die Festsetzung einer allfälligen Parteientschädigung
dem Endentscheid des Bezirksgerichts vor (Dispositiv-Ziffer 3).

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beklagte dem Bundesgericht die
Aufhebung des Urteils des Obergerichts und die - im Vergleich zu den Anträgen
vor Vorinstanz etwas eingeschränkte - Edition von Unterlagen. Eventualiter sei
die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin schliesst
auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Vorinstanz hat
auf Vernehmlassung verzichtet. Obwohl kein zweiter Schriftenwechsel angeordnet
wurde, hat der Beschwerdeführer eine Replik und die Beschwerdegegnerin
Bemerkungen zu dieser eingereicht.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 138 III 46 E. 1 S. 46 mit
Hinweis).

1.1 Der Beschluss des Bezirksgerichts vom 3. September 2012 betreffend die
Verweigerung der vorsorglichen Beweisabnahme erging im Rahmen eines
Hauptverfahrens und schloss dieses nicht ab; er ist daher als Zwischenentscheid
im Sinne des BGG zu qualifizieren (BGE 138 III 76 E. 1.2 S. 79; 137 III 324 E.
1.1 S. 328). Das Urteil der Vorinstanz bildet als Rechtsmittelentscheid über
diesen Zwischenentscheid seinerseits einen Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG
(Urteil des Bundesgerichts 4A_64/2011 vom 1. September 2011 E. 2.2 mit
Hinweis).

1.2 Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 BGG ist
die Beschwerde - von der hier ausser Betracht fallenden alternativen
Voraussetzung nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG abgesehen - nur zulässig, wenn sie
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit.
a BGG). Dabei muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der
auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Entscheid in der Zukunft
nicht mehr behoben werden kann. Der Beschwerdeführer muss in der
Beschwerdebegründung aufzeigen, inwiefern ihm im konkreten Fall ein nicht
wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur droht, ansonsten auf die
Beschwerde mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten ist (BGE 138 III
46 E. 1.2 S. 47, 333 E. 1.3.1 S. 335; 137 III 324 E. 1.1 S. 327 f.; je mit
Hinweisen). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bewirken Anordnungen
betreffend Beweismassnahmen in aller Regel keinen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil. Ausnahmen können allerdings bestehen, z.B. wenn bei Abnahme eines
Beweismittels Geheimhaltungsinteressen auf dem Spiel stehen oder wenn die
vorsorgliche Beweisabnahme verweigert wird, obwohl sich die gesuchsstellende
Partei auf eine Gefährdung der Beweismittel (Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO erster
Halbsatz) beruft (Urteile des Bundesgerichts 4A_478/2011 vom 30. November 2011
E. 1.1 publ. in: sic! 6/2012 p. 412; 4A_269/2011 vom 10. November 2011 E. 1.3;
5A_211/2007 vom 16. August 2007 E. 3.1).

1.3 Der Beschwerdeführer führt aus, die bisherige Rechtsprechung des
Bundesgerichts habe einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil u.a. bei
Zwischenentscheiden über Beweismassnahmen (BGE 134 III 188 E. 2.3 S. 191) sowie
grundsätzlich bei Beweisverfügungen (zit. Urteil 5A_211/2007 E. 3.1) verneint.
Solche, noch vor Inkrafttreten der eidgenössischen Zivilprozessordnung
ergangenen Urteile könnten jedoch in Hinblick auf die Anwendbarkeit des hier
gegenständlichen Art. 158 Abs. 1 lit. b zweiter Halbsatz ZPO nicht unbesehen
übernommen werden. Er stütze sein Gesuch um vorsorgliche Beweisabnahme auf eben
diese Bestimmung, wobei er als schutzwürdiges Interesse die Abschätzung seiner
Prozess- und Beweischancen geltend mache. Dieser vom Gesetzgeber vorgesehene
Zweck könne zufolge des angefochtenen Entscheids nicht umgesetzt werden. Das
sei ein rechtlicher Nachteil, der durch einen günstigen Endentscheid nicht
wieder behoben werden könne. Die Auslegung der Vorinstanz, wonach die
vorsorgliche Beweisabnahme zur Abschätzung von Beweischancen nur vorprozessual
möglich sei, schaffe eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.

1.4 Der Beschwerdeführer macht keine Gefährdung der Beweismittel geltend (zit.
Urteile 4A_478/2011 E. 1.1; 4A_269/2011 E. 1.3), sondern ein anderes
schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 158 Abs. 1 lit. b zweiter Halbsatz
ZPO). Gemäss der Botschaft wird mit dem Begriff des schutzwürdigen Interesses
in dieser Bestimmung auf die Möglichkeit Bezug genommen, eine vorsorgliche
Beweisführung auch zur Abklärung der Beweis- und Prozessaussichten
durchzuführen, wie dies einzelne kantonale Prozessordnungen vorsehen. Diese
Möglichkeit solle dazu beitragen, aussichtslose Prozesse zu vermeiden
(Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006
7315 Ziff. 5.10.1 zu Art. 155 E-ZPO, Hervorhebung im Original; BGE 138 III 76
E. 2.4.2 S. 81). Sofern der Gesetzgeber entgegen der Auffassung der Vorinstanz
auch in einem bereits eingeleiteten Verfahren der beklagten Partei die
Möglichkeit der vorsorglichen Beweisführung zur Abklärung der Beweis- und
Prozessaussichten wahren wollte, um aussichtslose Prozesse zu vermeiden
(beziehungsweise deren Fortsetzung), könnte dieser Zweck mit einem die
Beschwerde gegen den Endentscheid gutheissenden Urteil des Bundesgerichts nicht
mehr erreicht werden, da das kantonale Verfahren bereits vollständig
durchgeführt worden wäre. Die Frage, ob insoweit ein nicht wieder
gutzumachender Nachteil droht, braucht indessen nicht weiter behandelt zu
werden. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, er benötige die zu edierenden
Unterlagen zur Abschätzung des Prozessrisikos. Nach den Feststellungen der
Vorinstanz ging es dem Beschwerdeführer aber nicht darum, den Prozess
allenfalls zu vermeiden. Sie hält vielmehr fest, der Beschwerdeführer behaupte
nirgends näher, "die von ihm beantragte Edition der Urkunden bereits vor der
Klageantwort und der allfälligen Sachdarstellung in einer Wiederklage führe zu
einer wie auch immer gearteten Vereinfachung des Verfahrens, sei insoweit
sachlich und in seinem Interesse geboten, sich nicht auf einen umfangreichen
Prozess einlassen zu müssen". Dass diese Ausführungen nicht zuträfen, zeigt der
Beschwerdeführer nicht rechtsgenüglich auf. Geht es ihm aber nicht um die
Vermeidung des Prozesses (etwa durch Klageanerkennung und Verzicht auf die
Widerklage je nach Ausgang des Beweisverfahrens), droht ihm jedenfalls kein
nicht wieder gutzumachender Nachteil.

2.
Da der Beschwerdeführer nicht hinreichend aufzeigt, inwiefern ihm ein nicht
wieder gutzumachender Nachteil drohen könnte, ist auf seine Beschwerde nicht
einzutreten. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird er kosten- und
entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 12'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Luczak

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