Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.700/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_700/2012

Urteil vom 30. April 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille,
Gerichtsschreiber Luczak.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Carl Ulrich Mayer,
Beschwerdeführerin,

gegen

1. A.________,
vertreten durch Advokatin Kathrin Bichsel,
2. Öffentliche Arbeitslosenkasse Y.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitsverhältnis; fristlose Kündigung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, vom 25. September 2012.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Klägerin; Beschwerdegegnerin 1) war seit dem 1. November 2009 zu 50
% bei der X.________ AG (Beklagte; Beschwerdeführerin) als
Vertriebsmitarbeiterin und Assistentin des Verlagsleiters des Bereichs Technik/
Logistik/Transport angestellt. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2010 wurde ihr
fristlos gekündigt, weil sie über einen längeren Zeitraum mehrfach die Regelung
bezüglich des Ausstempelns für die Mittagspause nicht eingehalten habe. Bereits
am 5. Oktober 2010 hatte eine Besprechung stattgefunden. An dieser Besprechung
wurde gemäss den Behauptungen der Beklagten mündlich die fristlose Kündigung
bereits ausgesprochen und der Klägerin eine Auflösungsvereinbarung per 31.
Oktober 2010 mit Freistellung nach Erledigung von Pendenzen angeboten. Nachdem
diese Vereinbarung von der Klägerin abgelehnt worden war, erfolgte das
Kündigungsschreiben.

B.
Die Klägerin beantragte dem Zivilgericht Basel-Stadt, die Beklagte zu
verpflichten, ihr Fr. 26'038.35 zu bezahlen und ihr ein gutes Arbeitszeugnis
auszustellen. Am 23. Februar 2011 teilte die Öffentliche Arbeitslosenkasse
Y.________ (Arbeitslosenkasse; Beschwerdegegnerin 2) dem Gericht mit, sie habe
der Klägerin Fr. 2'933.05 Arbeitslosentaggelder geleistet. Sie verlangte die
direkte Zusprechung des subrogierten Betrages. Am 15. Dezember 2011
verpflichtete das Zivilgericht die Beklagte, ein neues Arbeitszeugnis
auszustellen, und sprach der Klägerin Fr. 13'412.25 und der Arbeitslosenkasse
Fr. 2'933.05 zu. Diesen Entscheid bestätigte das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt am 25. September 2012.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, den
Entscheid des Appellationsgerichts unter a/o-Kostenfolge zu Lasten der
Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 aufzuheben. Eventualiter sei die Sache unter
Kostenfolge an das Appellationsgericht zurückzuweisen, damit dieses eine von
der Beschwerdeführerin angebotene Zeugin einvernehme. Die Beschwerdegegnerinnen
und das Appellationsgericht beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Obwohl kein
zweiter Schriftenwechsel angeordnet wurde, hat die Beschwerdeführerin
unaufgefordert eine Replik eingereicht.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 138 III 46 E. 1 S. 46 mit
Hinweisen).

1.1 Die Beschwerdeschrift enthält keinen materiellen, bezifferten Antrag, wie
er nach Art. 42 Abs. 1 BGG erforderlich ist. Die Voraussetzungen, unter denen
ein blosser Rückweisungsantrag genügt (BGE 133 III 489 E. 3.1 mit Hinweisen),
sind nicht erfüllt, denn die Beschwerdeführerin macht selbst geltend, eine
Rückweisung sei nicht notwendig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes
genügt es allerdings, wenn aus der Begründung mindestens sinngemäss ersichtlich
ist, in welchem Sinn das angefochtene Urteil abgeändert werden soll (BGE 136 V
131 E. 1.2 S. 136; 134 III 235 E. 2 S. 236 f. mit Hinweisen; vgl. auch BGE 137
III 617 E. 6.2 S. 622 mit Hinweisen).

1.2 Die Beschwerdeführerin wehrt sich im Wesentlichen gegen den Vorwurf, die
fristlose Kündigung sei zu Unrecht erfolgt, und die sich daraus ergebenden
Zahlungsverpflichtungen. Bezüglich der Ausstellung des Zeugnisses hatten sich
die Parteien schon vor dem Zivilgericht weitgehend geeinigt. Die Frage wird
weder in der Beschwerde noch im angefochtenen Entscheid thematisiert und
scheint im Berufungsverfahren nicht mehr umstritten gewesen zu sein, auch wenn
eventuell die Klageabweisung beantragt worden war. Jedoch lässt sich aus der
Beschwerdebegründung nicht eindeutig ableiten, wie der angefochtene Entscheid
betragsmässig abgeändert werden soll:
1.2.1 Die vor Zivilgericht eingeklagte Summe umfasste Beträge für Lohn und 13.
Monatslohn während der ordentlichen Kündigungsfrist (6. Oktober 2010 bis 31.
Dezember 2010) sowie eine Entschädigung wegen ungerechtfertigter Entlassung.
Bezüglich dieser Forderungen wurde die Klage teilweise gutgeheissen. Die
Klägerin hatte aber zudem Fr. 1'365.50 für neun nicht bezogene Ferientage
verlangt. Das Zivilgericht hielt fest, der Beschwerdegegnerin 1 hätten für das
Jahr 2010 28 Tage Ferien zugestanden. Da nicht behauptet worden sei, dass sie
mehr als 19 Ferientage bezogen habe, belaufe sich ihr Anspruch für das Jahr
2010 noch auf neun Ferientage. Das Zivilgericht ging indessen davon aus, die
Beschwerdegegnerin 1 habe die Ferien während der ihr zuerkannten hypothetischen
Kündigungsfrist beziehen können.
1.2.2 Zu diesem Ferienanspruch äussert sich die Beschwerdeführerin in der
Beschwerde nicht. Erwiese sich die fristlose Kündigung als zulässig, entfiele
die hypothetische Kündigungsfrist und damit der Grund für die Abweisung des
Ferienanspruchs. Aus der Beschwerde wird nicht klar, ob die Beschwerdeführerin
auch insoweit die Abweisung der Klage beantragt. Denn selbst wenn man den
Ferienanspruch mit Blick auf die Kündigung pro rata temporis kürzt, wäre der
Ferienanspruch von jährlich 28 Tagen bei einer Kündigung frühestens am 5.
Oktober 2010 mit 19 bezogenen Ferientagen nicht voll abgegolten. Bereits für
die Zeit bis Ende September ergäben sich 21 Ferientage (¾ von 28). Wie sich die
Beschwerdeführerin zu der verbleibenden Differenz stellt, lässt sich auch
sinngemäss ihrer Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Insoweit erweist sich
ihr Rechtsbegehren auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung als
ungenügend.

2.
Selbst wenn man mit Blick auf die Tatsache, dass der Ferienanspruch maximal Fr.
1'365.50 beträgt, zu Gunsten der Beschwerdeführerin annehmen wollte, sie
verlange zumindest eine Herabsetzung auf diesen Betrag oder auf den Betrag des
bei Gültigkeit der Kündigung verbleibenden Ferienanspruchs, würde dies der
Beschwerdeführerin im Ergebnis nichts nützen.

2.1 Die Vorinstanz zitiert die Feststellung des Zivilgerichts, wonach der
Beschwerdegegnerin 1 gemäss dem Organisationshandbuch eine Pause von 15 Min.
zugestanden habe, die sie nicht habe stempeln müssen. Die Vorinstanz erkannte,
die Beschwerdegegnerin 1 habe die Pause an das Ende ihrer Arbeitszeit am Mittag
gelegt und dabei etwas gegessen. Im Zeitraum zwischen 4. Mai und dem 24.
September 2010 habe dies möglicherweise zwölf mal länger als eine Viertelstunde
gedauert, ohne dass die Beschwerdegegnerin 1 ausgestempelt hätte. Diese
Verfehlungen seien nicht schwerwiegend genug, um eine fristlose Kündigung zu
rechtfertigen Die Behauptung, die Beschwerdegegnerin 1 habe zusätzlich schon
vor der eigentlichen Mittagspause ihren Arbeitsplatz verlassen und eine Pause
bezogen, erachtete die Vorinstanz nicht für erwiesen.

2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe für diese Behauptung
B.________ als Zeugin benannt, die nicht angehört worden sei. Da Frau
B.________ die ganze Sache ins Rollen gebracht habe, hätte sie die Umstände des
Falles näher und deutlicher beleuchten können. Im Übrigen verweist die
Beschwerdeführerin im Wesentlichen auf das Urteil des Bundesgerichts 4C.149/
2002 vom 12. August 2002, in welchem dieses eine fristlose Kündigung bei
Manipulationen an der Zeiterfassung für gerechtfertigt erachtete, sowie auf
entsprechende zum deutschen Recht ergangene Urteile. Sie kritisiert die
Feststellung der Vorinstanz, der zitierte Bundesgerichtsentscheid habe einen
leitenden Angestellten betroffen. Dieser habe mit Fr. 6'446.18 brutto fast den
gleichen Betrag verdient wie die Beschwerdegegnerin 1. Die Beschwerdeführerin
verweist auf ihr Organisationshandbuch, das ein detailliertes Management der
Zeiterfassung vorgesehen habe. Daher bedürfe es keiner zusätzlichen Verwarnung.
Die Vorinstanz habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich der
Arbeitnehmer, wenn er seinen Arbeitgeber durch Manipulationen hintergehe, einen
Lohnanspruch für nicht geleistete Arbeit erschleiche. Da die Mitarbeiter über
das Verhalten der Beschwerdegegnerin 1 Bescheid gewusst hätten, habe die
Beschwerdeführerin eine fristlose Kündigung aussprechen müssen, um die
innerbetriebliche Gleichbehandlung und den Frieden im Unternehmen zu wahren.

2.3 In ihrer Eingabe vom 28. März 2011 bot die Beschwerdeführerin für den
Themenkreis "Erstellung Fehlzeitenliste / extensive Pausen" Herrn C.________
und Frau B.________ als Zeugen an. Herr C.________ könne bezeugen, dass die
Beschwerdegegnerin 1 regelmässig vor 11 Uhr Pausen gemacht habe und mehrfach
von kurz vor 12 Uhr bis vor 13 Uhr in der Küche gegessen und danach ausgecheckt
habe. Frau B.________ habe die Beschwerdegegnerin 1 ebenfalls mehrfach in der
Küche angetroffen, einmal sogar, als sie dort eine Bratwurst angebraten habe.
Dies bezieht sich nach dem Zusammenhang auf das Essen in der Küche und nicht
auf allfällige Pausen vor 11 Uhr. Auch aus dem nachfolgenden Hinweis, Frau
B.________ sei bei der Beklagten für die Zeiterfassung verantwortlich und könne
über die fehlerhaften Auscheckzeiten Auskunft geben, musste das Gericht nicht
schliessen, die Zeugin habe zum Pausenverhalten der Beschwerdegegnerin 1 vor
der Mittagszeit eigene Wahrnehmungen gemacht, zumal für die Pause von 15 Min.
ja gerade keine Pflicht zum Ausstempeln bestand.

2.4 Im zitierten Urteil 4C.149/2002 E. 1.3 spricht das Bundesgericht von einer
"position de cadre" also einem leitenden Angestellten. Es erachtete für
massgebend, dass dieser darüber informiert worden war, welche Konsequenzen die
Nichtberücksichtigung der Vorschriften betreffend das Stempeln nach sich ziehen
konnte. Dass in ihrem Handbuch auf die Sanktion für die Nichtbeachtung der
Vorschriften hingewiesen würde, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. Die
Beschwerdegegnerin 1 hat zwar mehrfach zu lange Pausen bezogen, sie hat aber
nicht durch eine Manipulation der Stempelanlage den Eindruck erweckt, sie sei
zu einem Zeitpunkt im Betrieb anwesend, in dem sie sich tatsächlich ausserhalb
des Betriebes befand. Sie musste für die Pause von 15 Min. nicht ausstempeln.
Daher bildete das Stempeln weder Beweis für den Zeitpunkt noch für die Dauer
der Pause. Die Vorinstanz hat zu Recht Arglist verneint und erkannt, dass sich
das Urteil 4C.149/2002, in dem das Verhalten des Arbeitnehmers als
Falschbeurkundung qualifiziert wurde, in wesentlichen Punkten von dem zu
beurteilenden Fall unterscheidet. Auf die diesbezüglichen Einwände in der
Replik ist nicht einzugehen, da zu diesen bereits der angefochtene Entscheid
Anlass gegeben hätte, weshalb die Frist zur Beschwerdebegründung (Art. 100 BGG)
nicht eingehalten ist. Mit Blick auf die zentrale Frage der Zumutbarkeit der
Weiterbeschäftigung zeigt die Beschwerdeführerin nicht ansatzweise auf, dass
die innerbetriebliche Gleichbehandlung und der Frieden im Unternehmen nicht
auch mit einer ordentlichen Kündigung hätten gewahrt werden können. Es besteht
insgesamt kein Anlass, in das Ermessen der Vorinstanz einzugreifen (BGE 130 III
28 E. 4.1 S. 32; 213 E. 3.1 S. 220; 129 III 380 E. 2 S. 381 f.; je mit
Hinweisen).

3.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit
angesichts der mangelhaften Rechtsbegehren überhaupt darauf einzutreten ist.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig. Mit Blick auf den Streitwert und die Natur der
Streitigkeit kommen reduzierte Kosten in Ansatz (Art. 65 Abs. 4 lit. c BGG).
Dagegen ist die volle Parteientschädigung geschuldet. Da die Beschwerdegegnerin
2 nicht anwaltlich vertreten ist und als Vernehmlassung lediglich auf den
angefochtenen Entscheid verweist, steht ihr keine Parteientschädigung zu (Art.
68 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 III 439 E. 4 S. 446 mit Hinweis).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin 1 für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. Der Beschwerdegegnerin 2 wird keine
Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. April 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Luczak

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