Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.660/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_660/2012

Urteil vom 18. April 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz, Kolly,
Gerichtsschreiber Leemann.

Verfahrensbeteiligte
Y.________ GmbH,
vertreten durch Rechtsanwalt Ernst A. Widmer,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________ SpA,
vertreten durch Rechtsanwalt André A. Girguis,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Internationaler Schiedsentscheid; Vollstreckbarkeitsbescheinigung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Zürich, Verwaltungskommission,
vom 24. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Schiedsentscheid des von der Zürcher Handelskammer eingesetzten
Einzelschiedsgerichts vom 20. Juli 2012 wurde die beklagte X.________ SpA mit
Sitz in K.________, Italien, (Gesuchsgegnerin, Beschwerdegegnerin)
verpflichtet, der Y.________ GmbH, L.________, Deutschland, (Gesuchstellerin,
Beschwerdeführerin) einen Betrag von EUR 435'150.--, nebst Zins zu 5 % seit dem
11. Juli 2011, zu bezahlen.

B.
Am 25. Juli 2012 beantragte die Gesuchstellerin beim Obergericht des Kantons
Zürich die Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung gemäss Art. 193
Abs. 2 IPRG.
Mit Verfügung vom 10. August 2012 wurde der Gesuchsgegnerin die Möglichkeit
eingeräumt, sich innert einer Frist von zwanzig Tagen zum Gesuch der
Gegenpartei zu äussern. Nach einmaliger Fristerstreckung reichte die
Gesuchsgegnerin dem Obergericht am 8. Oktober 2012 ihre Stellungnahme ein und
beantragte die Abweisung des Gesuchs um Vollstreckbarkeitsbescheinigung
betreffend den internationalen Schiedsentscheids vom 20. Juli 2012.
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2012 wies das Obergericht des Kantons Zürich das
Gesuch um Erteilung einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung betreffend den
Schiedsentscheid vom 20. Juli 2012 ab.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Gesuchstellerin dem Bundesgericht,
es sei der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 24. Oktober 2012
aufzuheben und es sei dem Schiedsspruch des Einzelschiedsgerichts vom 20. Juli
2012 die Vollstreckbarkeit zu bescheinigen. Eventualiter sei die Sache zu neuer
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 137 III 417 E. 1 mit
Hinweisen).

1.1 Angefochten ist ein Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75
Abs. 1 und Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 356 Abs. 1 lit. b ZPO analog sowie
Art. 90 BGG). Dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen offen. Da auch die
übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist - unter Vorbehalt einer
hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) - auf die
Beschwerde einzutreten.

1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus
einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder eine Beschwerde mit
einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen.
Mit Blick auf die Begründungspflicht des Beschwerdeführers (Art. 42 Abs. 1 und
2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern
die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind; es ist jedenfalls
nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden
rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr
vorgetragen werden (BGE 135 II 384 E. 2.2.1; 133 II 249 E. 1.4.1; je mit
Hinweisen). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von
Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht
prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise
vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für
den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue
Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als der
Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz zunächst eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK) vor.

2.1 Sie bringt vor, die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 8. Oktober
2012 zu ihrem Gesuch um Vollstreckbarkeitsbescheinigung sei ihr erst mit dem
für sie negativen Endentscheid der Vorinstanz vom 24. Oktober 2012 zugestellt
worden. Damit sei ihr das verfassungsmässige Replikrecht als Teil des
rechtlichen Gehörs abgeschnitten worden.

2.2 Nach Art. 29 Abs. 1 und 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK haben die Parteien
eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör und auf ein faires
Gerichtsverfahren, unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit. Diese
Garantien umfassen das Recht, von allen bei Gericht eingereichten
Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können, unabhängig
davon, ob die Eingaben neue und/oder wesentliche Vorbringen enthalten. Es ist
Sache der Parteien zu beurteilen, ob eine Entgegnung erforderlich ist oder
nicht (BGE 138 I 484 E. 2.1 S. 485 f., 154 E. 2.3 S. 157; 137 I 195 E. 2.3.1 S.
197; 133 I 100 E. 4.3-4.6 S. 102 ff.; je mit Hinweisen).
Die Wahrnehmung dieses Replikrechts setzt voraus, dass die fragliche Eingabe
der Partei zugestellt wird. Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass
den Verfahrensbeteiligten ein Anspruch auf Zustellung von Vernehmlassungen
zusteht. Das Gericht muss vor Erlass seines Urteils eingegangene
Vernehmlassungen den Beteiligten zustellen, damit diese sich darüber schlüssig
werden können, ob sie sich dazu äussern wollen oder nicht (BGE 137 I 195 E.
2.3.1 S. 197; 133 I 100 E. 4.5 S. 103 f.; je mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin weist zu Recht darauf hin, dass die Vorinstanz ihr die
Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 8. Oktober 2012 (act. 8) zu ihrem
Gesuch nicht vorab, sondern erst zusammen mit dem Endentscheid vom 24. Oktober
2012 zugestellt hat. Dies geht zweifelsfrei aus Dispositiv-Ziffer 5 des
angefochtenen Entscheids hervor. Damit hat die Vorinstanz der
Beschwerdeführerin keine Möglichkeit zur Replik zuteilwerden lassen. Daran
ändert auch der in der Beschwerdeantwort erhobene Einwand der
Beschwerdegegnerin nichts, sie habe dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin
ihre Stellungnahme vom 8. Oktober 2012 in Form einer Kollegenkopie zugestellt.
Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, musste sie vor einer
Zustellung des fraglichen Dokuments durch das Gericht, das in jedem Einzelfall
ein effektives Replikrecht der Parteien zu gewährleisten hat, nicht mit einem
sofortigen Endentscheid rechnen.
Die Vorinstanz hat mit ihrem Vorgehen das Replikrecht der Beschwerdeführerin
und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör und auf ein faires
Gerichtsverfahren verletzt. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen
Entscheids, ohne dass die überdies geltend gemachten Rügen zu prüfen wären.

3.
Entsprechend dem Eventualantrag der Beschwerdeführerin ist der angefochtene
Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG und Art. 68 Abs. 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 24. Oktober 2012 aufgehoben und die Sache
wird zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich,
Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. April 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Leemann

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