Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.650/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_650/2012

Urteil vom 18. April 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille,
Gerichtsschreiber Kölz.

1. Verfahrensbeteiligte
A.________,
2. B.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Markus Büchi,
Beschwerdeführerinnen,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Werkvertrag; Zwischenentscheid,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, III.
Zivilkammer, vom 25. September 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Architekturvertrag vom 15./19. März 2005 betrauten A.________ und
B.________ (Beschwerdeführerinnen) Y.________ (Beschwerdegegner) mit den
Architekturarbeiten und der Bauleitung für den Neubau eines Zweifamilienhauses
in Bronschhofen. Nach Vorliegen der Baugenehmigung brachen die
Beschwerdeführerinnen das Projekt aus bei ihnen liegenden Gründen ab. Aus
diesem Vertragsverhältnis bestehen nach der Darstellung der
Beschwerdeführerinnen keine gegenseitigen Ansprüche mehr.
In der Folge entschlossen sich die Beschwerdeführerinnen zum Bau eines
Einfamilienhauses in Kirchberg. Sie betrauten wiederum den Beschwerdegegner mit
den Architekturarbeiten und der Bauleitung. Auf den Abschluss eines (neuen)
schriftlichen Architekturvertrages wurde verzichtet. Stattdessen sollte gemäss
den Beschwerdeführerinnen der Vertrag vom 15./19. März 2005 "sachgemäss"
anwendbar sein. Ausserdem soll ein Kostendach von Fr. 850'000.-- vereinbart
worden sein, und der Beschwerdegegner habe den Beschwerdeführerinnen
zugesichert, dass der Neubau per 31. Mai 2006 bezugsbereit sein werde. Nach
Vorliegen der Baubewilligung erstellte der Beschwerdegegner am 12. November
2005 einen detaillierten Kostenvoranschlag, aus dem sich - ohne Kosten für den
Landerwerb von Fr. 276'150.-- - Anlagekosten von Fr. 569'750.-- ergaben. Bei
Einhaltung dieses Kostenvoranschlages hätten die Gesamtkosten Fr. 845'900.--
betragen, womit das von den Beschwerdeführerinnen behauptete Kostendach nicht
überschritten worden wäre.
Nach Darstellung der Beschwerdeführerinnen soll der Beschwerdegegner mit seinen
Arbeiten rasch in Rückstand geraten sein. Seine Pläne seien mangelhaft gewesen.
Mit E-Mail vom 13. Februar 2006 und Schreiben vom 4. März 2006 teilte der
Beschwerdegegner den Beschwerdeführerinnen mit, dass er sich ausserstande
fühle, weiterhin die Verantwortung als bauleitender Architekt zu tragen.
Die Beschwerdeführerinnen setzten das Projekt in der Folge mit einem anderen
Architekten fort, der nach ihrer Darstellung bis dahin nicht erkannte weitere
Mängel an den Planungsarbeiten des Beschwerdegegners entdeckte und behob. Am 1.
September 2006 war das Haus bezugsbereit. Die effektiven Anlagekosten (ohne
Landkosten) betrugen laut den Beschwerdeführerinnen Fr. 799'886.30.

B.
Am 13. Oktober 2010 erhoben die Beschwerdeführerinnen beim Kreisgericht Wil
Klage mit dem Antrag, der Beschwerdegegner sei zu verpflichten, ihnen Fr.
207'948.80 nebst Zins zu 5% seit 13. Februar 2006 zu bezahlen. Nachdem der
Beschwerdegegner im erstinstanzlichen Verfahren säumig geblieben war, hiess das
Kreisgericht die Klage mit Entscheid vom 31. März 2011 bis auf den Beginn des
Zinsenlaufs, den es auf den 1. September 2009 festsetzte, gut.
Dagegen erklärte der Beschwerdegegner Berufung an das Kantonsgericht St.
Gallen. Dieses hob am 25. September 2012 den Entscheid des Kreisgerichts vom
31. März 2011 auf und wies die Streitsache zur Neubeurteilung im Sinne der
Erwägungen an das Kreisgericht zurück. Das Kantonsgericht begründete die
Rückweisung damit, dass der Sachverhalt hinsichtlich des Schadens aus der nicht
zeitgerechten und mangelhaften Planung (unter Berücksichtigung auch der
Auswirkungen auf das bereits geleistete Architektenhonorar) mittels
Beweiserhebung (Expertise) zu ergänzen sei.

C.
Die Beschwerdeführerinnen beantragen mit Beschwerde in Zivilsachen und
subsidiärer Verfassungsbeschwerde, den Entscheid des Kantonsgerichts vom 25.
September 2012 vollumfänglich aufzuheben. Der Beschwerdegegner sei zu
verpflichten, ihnen Fr. 207'948.80 nebst Zins zu 5% seit dem 1. September 2006
zu bezahlen.
Der Beschwerdegegner beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Vielmehr
sei die "Klage infolge Verfahrensfehlern an die [erste] Gerichtsinstanz
zurückzuweisen". Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Der vorliegende Streitwert von Fr. 207'948.80 übersteigt die für die Beschwerde
in Zivilsachen geltende Grenze von Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG).
Die Beschwerdeführerinnen erheben gleichzeitig subsidiäre
Verfassungsbeschwerde, weil auch das Willkürverbot nach Art. 9 BV und die
Verfahrensgarantie gemäss Art. 29 Abs. 1 BV verletzt worden seien. Dies ist
unnötig. Bei der Beschwerde in Zivilsachen handelt es sich um eine
Einheitsbeschwerde, mit der auch die Verletzung verfassungsmässiger Rechte
geltend gemacht werden kann (Art. 95 lit. a BGG). Da die Beschwerde in
Zivilsachen nach den Artikeln 72-77 BGG grundsätzlich gegeben ist, scheidet die
subsidiäre Verfassungsbeschwerde aus (Art. 113 BGG); auf diese ist nicht
einzutreten.

2.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 138 III 46 E. 1).

2.1 Mit dem angefochtenen Entscheid wies die Vorinstanz die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Erstinstanz zurück. Ein
Rückweisungsentscheid schliesst das Verfahren nicht ab, sondern stellt einen
Zwischenentscheid dar (BGE 137 V 314 E. 1 S. 315; 135 III 329 E. 1.2; 135 III
212 E. 1.2).

2.2 Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide, die weder die
Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen, ist die Beschwerde nur zulässig,
wenn eine der folgenden alternativen Voraussetzungen erfüllt ist: Wenn der Vor-
und Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann
(Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort
einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit
oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1
lit. b BGG). Die selbständige Anfechtbarkeit von Vor- und Zwischenentscheiden
bildet aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich
das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 135 I
261 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1 S. 631). Die Ausnahme ist
restriktiv zu handhaben. Dementsprechend obliegt es dem Beschwerdeführer
darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit deren
Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen springt (BGE 138 III 46 E. 1.2).

2.3 Die Beschwerdeführerinnen berufen sich auf Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG. Die
erste Voraussetzung dieser Bestimmung ist erfüllt: Die Beschwerdeführerinnen
sind in erster Linie der Ansicht, dass die Vorinstanz - aus formellen Gründen -
gar nicht hätte auf die Berufung eintreten und den erstinstanzlichen Entscheid
aufheben dürfen. Der Fall sei entscheidreif, und der Sachverhalt müsse in Bezug
auf die von der Vorinstanz als beweispflichtig beurteilte Frage nicht ergänzt
werden. Sollte der Standpunkt der Beschwerdeführerinnen zutreffen, könnte das
Bundesgericht mithin einen Endentscheid fällen.

2.4 Hinsichtlich der Voraussetzung, dass mit einem Endentscheid ein bedeutender
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden
könnte, bringen die Beschwerdeführerinnen vor, die Erstellung der von der
Vorinstanz für erforderlich erachteten Expertise sei mit einem grossen Aufwand
und hohen Kosten verbunden, habe der Experte doch die zahlreichen Unterlagen
und Pläne zu sichten und auszuwerten, welche die Beschwerdeführerinnen
eingereicht hätten. Sodann sei das effektiv verwirklichte Bauvorhaben zu
sichten und mit den Unterlagen abzugleichen. Weiter müssten die Kosten der
einzelnen Mängel ermittelt werden, und schliesslich sei das Gutachten zu
erstellen.
Damit substanziieren sie nicht hinreichend, weshalb mit der anzuordnenden
Expertise ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren verbunden sein soll. Solches liegt auch nicht auf der Hand,
weshalb entsprechende Substanziierungen erforderlich gewesen wären. So handelt
es sich beim streitigen Einfamilienhaus nicht um ein komplexes Bauvorhaben.
Ebenso wenig geht es darum, den behaupteten Rückstand mit den Planungsarbeiten
und die Mängel der Pläne erst festzustellen, sind diese doch gemäss Vorinstanz
als erstellt zu betrachten (Entscheid E. 6b S. 15/16). Der Experte hat im Sinne
der Erwägungen der Vorinstanz lediglich zu ermitteln, in welchem Umfang der
geltend gemachte Schaden auf die nicht zeitgerechte und mangelhafte Planung
zurückzuführen ist, auch unter Einbezug der Auswirkungen auf das bereits
geleistete Architektenhonorar (Entscheid E. 6b S. 16). Ein gewisser Zeit- und
Kostenaufwand ist mit der Erstellung jeder Expertise verbunden. Inwiefern
dieser Aufwand hier im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG bedeutend sein soll
oder von weitläufigen Beweiserhebungen gesprochen werden könnte, ist nicht
dargetan.
Die Voraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG für eine selbständige
Anfechtbarkeit des Rückweisungsentscheides sind demnach nicht erfüllt, weshalb
auch auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht eingetreten werden kann.

3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführerinnen in
solidarischer Haftbarkeit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Der
Beschwerdegegner ist nicht anwaltlich vertreten, weshalb ihm praxisgemäss keine
Entschädigung zugesprochen wird (BGE 133 III 439 E. 4).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt,
in solidarischer Haftbarkeit.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, III.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. April 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Kölz

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