Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.617/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_617/2012

Urteil vom 26. März 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Kölz.

Verfahrensbeteiligte
X.________ Produkte AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Thürlemann,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________ Handelsgesellschaft mbH,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Claudio Stocker,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Kaufvertrag; Mängel,

Beschwerde gegen den Entscheid des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom
14. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
Die Y.________ Handelsgesellschaft mbH (Beschwerdegegnerin) mit Sitz in
Deutschland widmet sich dem Import, Export und Handel mit Trockenfrüchten aller
Art sowie deren Be- und Verarbeitung einschliesslich Verpackung. Die X.________
Produkte AG (Beschwerdeführerin) bezweckt den Handel mit Holunderrohstoffen und
-produkten, Lebensmitteln, Weinen und weiteren alkoholischen und nicht
alkoholischen Getränken.
Die Beschwerdegegnerin als Verkäuferin und die Beschwerdeführerin als Käuferin
schlossen am 4. und 9. Februar, 14. April und 18. Mai 2009 Verträge über den
Verkauf und die Lieferung von Bio Suisse-zertifiziertem Grapefruit-, Zitronen-
bzw. Orangensaft sowie Bio Suisse-zertifiziertem Orangen- und Zitronenöl. Die
Ware wurde am 5., 6. und 11. Februar, am 15. April und am 18. Mai 2009
geliefert. Die Beschwerdeführerin lagerte die Ware in der Folge (teilweise)
tiefgekühlt.
Im Zeitpunkt der Lieferung waren die Lebensmittel nicht Bio
Suisse-zertifiziert, weil die Genehmigungen durch Bio Suisse in Form von
Kontrollbescheinigungen an die Beschwerdeführerin fehlten. Die entsprechenden
Kontrollbescheinigungen erhielt die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben
erst am 25. August 2009, am 15. und 27. Oktober 2009 sowie am 11. August 2010
bzw. im November 2010 von Bio Suisse.
Am 13. März 2009 beglich die Beschwerdeführerin die Rechnungen Nrn. 31908,
31911 und 31914. Auf die Erkundigung der Beschwerdeführerin nach dem Stand der
Rohstoffgenehmigungen durch Bio Suisse antwortete die Beschwerdegegnerin am 7.
August 2009 per E-Mail und räumte hinsichtlich der von ihr zu beschaffenden Bio
Suisse-Zertifizierungen für die Gesamtheit der gelieferten Waren teilweise ein
Eigenverschulden ein.
Am 15. Oktober 2009 forderte die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin per
E-Mail auf, die offenen Rechnungen Nrn. 32161 und 32261 in der Höhe von EUR
37'632.-- zu begleichen. Mit E-Mail vom 28. Oktober 2009 bat die
Beschwerdegegnerin erneut um den dringenden Ausgleich der offenen Rechnungen.
Zu diesem Zeitpunkt lagen der Beschwerdeführerin die Bio Suisse-Genehmigungen
für die unbezahlten Lebensmittel bereits vor. Die Beschwerdeführerin antwortete
auf die erneute Zahlungsaufforderung vom 28. Oktober 2009 gleichentags per
E-Mail, sie werde die offenen Rechnungen begleichen, sobald die
Kontrollbescheinigungen von Bio Suisse genehmigt seien.
Am 23. März 2010 liess die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin wissen,
dass die offenen Rechnungen in der Höhe von EUR 37'632.-- nicht strittig seien,
dass sie aber erst nach Erhalt von Spezifikationen zu den Waren/Rechnungen
beglichen würden. Am 6. April 2010 bestätigte die Beschwerdeführerin den Erhalt
der Spezifikationen und machte gleichzeitig das Fehlen von Nährwertangaben
(gesamthaft) und von mikrobiologischen Kennzahlen beim Orangen- und Zitronenöl
geltend.

B.
Am 20. Oktober 2010 erhob die Beschwerdegegnerin Klage beim Handelsgericht des
Kantons St. Gallen und beantragte, die Beschwerdeführerin sei zu verpflichten,
ihr EUR 37'632.-- nebst Zins zu 5% seit 16. Oktober 2009 zu bezahlen.
In der Klageantwort trug die Beschwerdeführerin auf Abweisung der Klage an und
machte geltend, die Beschwerdegegnerin sei ihren Leistungspflichten nicht
vertragskonform nachgekommen. Sie erklärte Verrechnung mit einer behaupteten
Schadenersatzforderung aus der verspäteten Lieferung der
Kontrollbescheinigungen betreffend Bio-Zertifizierung (Lagerkosten).
Die Beschwerdegegnerin brachte in der Replik vor, die Beschwerdeführerin habe
die Mängel erst lange nach Lieferung geltend gemacht und die gekauften Waren
hätten deshalb wegen verspäteter Mängelrüge als genehmigt zu gelten.
Die Beschwerdeführerin machte in der Duplik geltend, das Verhalten der
Beschwerdegegnerin sei rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich erst in der Replik
auf eine verspätete Mängelrüge berufe.
Am 14. Juni 2012 hiess das Handelsgericht die Klage gut und verpflichtete die
Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin EUR 37'632.-- nebst Zins zu 5% seit
16. Oktober 2009 zu bezahlen.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, den Entscheid
des Handelsgerichts vom 14. Juni 2012 aufzuheben und die Klage der
Beschwerdegegnerin abzuweisen. Die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, der
Beschwerdeführerin EUR 51'632.-- nebst Zins zu 5% seit 1. Oktober 2012
zurückzubezahlen. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung des
Sachverhalts und Neubeurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde abzuweisen und den Entscheid
des Handelsgerichts vollumfänglich zu bestätigen. Die Vorinstanz verzichtete
auf eine Vernehmlassung.
Die Parteien reichten Replik und Duplik ein.

Erwägungen:

1.
Das Handelsgericht hat als einzige kantonale Instanz im Sinne von Art. 75 Abs.
2 lit. b BGG einen verfahrensabschliessenden Entscheid gefällt. Dagegen ist die
Beschwerde in Zivilsachen zulässig (Art. 90 BGG). Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde unter Vorbehalt
einer rechtsgenügenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG)
grundsätzlich einzutreten.
Das gilt allerdings nicht für das Rechtsbegehren, wonach die Beschwerdegegnerin
zu verpflichten sei, der Beschwerdeführerin EUR 51'632.-- nebst Zins zu 5% seit
1. Oktober 2012 zurückzubezahlen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der
Beschwerdegegnerin in Nachachtung des angefochtenen Entscheids mit Valuta 1.
Oktober 2012 den Betrag von EUR 51'632.-- (EUR 37'632.-- Klageforderung + EUR
14'000.-- Parteientschädigung) bezahlt zu haben, und verlangt nun die
Rückzahlung. Dieses Rechtsbegehren ist indessen neu und daher unzulässig (Art.
99 Abs. 2 BGG). Was bei Gutheissung der Beschwerde und Aufhebung des
angefochtenen Entscheids mit dem bereits überwiesenen Betrag zu erfolgen hätte,
ist nicht in diesem Verfahren zu entscheiden (vgl. Urteil 4A_89/2012 vom 17.
Juli 2012 E. 1.2).

2.
Die Vorinstanz beurteilte den vorliegenden Sachverhalt nach dem Übereinkommen
der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf,
abgeschlossen in Wien am 11. April 1980 (SR 0.221.211.1; nachfolgend: CISG).
Die Anwendbarkeit des CISG ist unter den Parteien, die ihre Niederlassung in
unterschiedlichen Vertragsstaaten haben, unbestritten und zu bestätigen (vgl.
Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG).
Die Vorinstanz stellte fest, dass das Fehlen der Kontrollbescheinigungen durch
Bio Suisse angesichts der Parteiabreden eine Vertragswidrigkeit der gelieferten
Ware im Sinne von Art. 35 Abs. 1 CISG dargestellt habe. Demgegenüber sei die
Beschwerdegegnerin nicht verpflichtet gewesen, über die Bio-Zertifizierung
hinaus weitere zusätzliche Dokumente zur Warenspezifikation beizubringen. Nach
dem Vorliegen der Kontrollbescheinigungen von Bio Suisse sei die in der Höhe
unbestrittene Kaufpreisforderung fällig geworden und folglich zuzusprechen.
Insoweit ist das Urteil nicht angefochten.
Die Vorinstanz bejahte sodann die grundsätzliche Verrechenbarkeit der
Schadenersatzforderung der Beschwerdeführerin mit der Kaufpreisforderung.
Sie erachtete die Schadenersatzforderung aber zufolge verspäteter Mängelrüge
als verwirkt. Dabei ging sie davon aus, dass die Beschwerdeführerin eine
rechtzeitige Mängelrüge, die innert sechs Wochen hätte erhoben werden müssen,
nicht nachgewiesen habe. Auf den Einwand der verspäteten Mängelrüge könne zwar
verzichtet werden, und zwar auch konkludent. Vorliegend habe sich die
Beschwerdegegnerin tatsächlich bereit erklärt, die notwendigen Bio-Zertifikate
nachzuliefern, ohne sich auf die verspätete Rüge zu berufen. Daraus könne aber
nicht geschlossen werden, sie habe sich auch bereit erklärt, in Bezug auf
allfällige Schadenersatzansprüche wegen Lagerkosten auf den Einwand der
verspäteten Mängelrüge zu verzichten. Bis zur Erklärung der Beschwerdegegnerin
vom 7. August 2009 habe die Beschwerdeführerin nämlich bloss die
Bio-Zertifikate verlangt. Als die Beschwerdegegnerin die Verpflichtung
akzeptiert habe, die Bio-Zertifikate nachzuliefern, mithin den Mangel zu
beheben, sei sie offensichtlich davon ausgegangen, die Angelegenheit sei mit
der Lieferung der Zertifikate erledigt. Der Verzicht der Beschwerdegegnerin auf
den Einwand der verspäteten Mängelrüge habe somit von Anfang an unter dem
konkludent erklärten Vorbehalt gestanden, dass die Beschwerdeführerin nach
Erhalt der Bio-Zertifikate den Kaufpreis begleiche und keine weiteren Ansprüche
geltend mache. Dies sei auch das Verständnis der Beschwerdeführerin gewesen,
habe sie der Beschwerdegegnerin doch in der E-Mail vom 28. Oktober 2009
versprochen, die Rechnungen zu begleichen, sobald die Genehmigungen von Bio
Suisse vorlägen. Aufgrund des Verhaltens beider Parteien müsse somit davon
ausgegangen werden, dass sich die Parteien darüber einig gewesen seien, dass
die Kaufpreisforderung vorbehaltlos bezahlt würde, wenn die Bio-Zertifikate
vorlägen.

3.
Die Beschwerdeführerin richtet ihre Rügen einzig gegen die Annahme der
Vorinstanz, die Beschwerdegegnerin habe lediglich unter dem Vorbehalt, dass die
Beschwerdeführerin nach Erhalt der Bio-Zertifikate den Kaufpreis begleiche und
keine weiteren Ansprüche geltend mache, auf den Einwand der verspäteten
Mängelrüge verzichtet.

3.1 Sie rügt zunächst, die Vorinstanz habe damit einen Sachverhalt angenommen,
der weder in den Parteivorbringen noch in den Akten eine Stütze finde. Die
Beschwerdegegnerin habe dies gar nie so behauptet. Die Vorinstanz treffe daher
eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und verletze den
Verhandlungsgrundsatz nach Art. 56 Abs. 1 des noch anwendbaren
Zivilprozessgesetzes des Kantons St. Gallen vom 20. Dezember 1990 (aZPO/SG).
Die Rüge geht fehl. Die Beschwerdegegnerin hat in der Replik bezüglich der mit
der Klageantwort erstmals zur Verrechnung gestellten Schadenersatzforderung der
Beschwerdeführerin unbestrittenermassen den Einwand der verspäteten Mängelrüge
erhoben. Diesen Einwand hielt die Vorinstanz grundsätzlich für berechtigt,
nachdem die Beschwerdeführerin nicht nachzuweisen vermochte, das Fehlen der
Bio-Zertifikate rechtzeitig moniert zu haben. Damit wäre an sich die
Schadenersatzforderung bereits gescheitert, verliert der Käufer doch das Recht,
sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer
nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in der er sie
festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und er dabei die Art
der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet (Art. 39 Abs. 1 CISG). Dabei geht er
sämtlicher Rechtsbehelfe nach Art. 45 ff. CISG verlustig, mithin auch des -
grundsätzlich kumulativ zu den anderen Rechtsbehelfen bestehenden - Rechts auf
Schadenersatz nach Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG (CHRISTOPH BRUNNER, UN-Kaufrecht
- CISG, Kommentar zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über
den internationalen Warenkauf von 1980, 2004, N. 2 zu Art. 39 CISG und N. 1 zu
Art. 45 CISG; INGEBORG SCHWENZER, in: Schlechtriem/Schwenzer (Hrsg.), Kommentar
zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Aufl. 2008, N. 30 zu Art. 39 CISG).
Die Vorinstanz blieb an diesem Punkt aber nicht stehen, sondern prüfte -
zugunsten der Beschwerdeführerin -, ob aus dem aktenkundigen Verhalten der
Beschwerdegegnerin allenfalls auf einen Verzicht geschlossen werden könnte,
sich auf die verspätete Mängelrüge zu berufen. Dabei war es selbstverständlich
nicht an der Beschwerdegegnerin zu behaupten, sie habe auf den Einwand der
verspäteten Mängelrüge verzichtet. Vielmehr hätte die Beschwerdeführerin, die
aus diesem Umstand Rechte ableitet, den angeblichen Verzicht auf die Mängelrüge
behaupten und substanziieren müssen. Erst dann wiederum hätte die
Beschwerdegegnerin entsprechende Bestreitungen anbringen können. Indem sich die
Beschwerdegegnerin in Bezug auf die in der Klageantwort geltend gemachte
Schadenersatzforderung ausdrücklich auf die fehlende rechtzeitige Mängelrüge
berief, brachte sie deutlich zum Ausdruck, dass sie auf diesen Einwand gerade
nicht verzichtet habe, jedenfalls nicht gegenüber der erstmals geltend
gemachten Schadenersatzforderung. Gestützt darauf durfte die Vorinstanz
annehmen, die Beschwerdegegnerin bestreite, dass sie auf den Einwand der
verspäteten Mängelrüge (insgesamt) verzichtet haben soll. Von einem Verstoss
gegen den Verhandlungsgrundsatz kann daher keine Rede sein. Ebenso wenig vermag
die Beschwerdeführerin in diesem Punkt eine willkürliche
Sachverhaltsfeststellung aufzuzeigen.

3.2 Weiter rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 39 CISG. Sie
hält es für unzulässig, dass die Vorinstanz lediglich teilweise, namentlich
nicht in Bezug auf die Schadenersatzforderung, einen Verzicht auf die
verspätete Rüge der Vertragswidrigkeit angenommen habe. Der Verzicht auf die
Einrede der verspäteten Mängelrüge sei unteilbar und umfasse zwingend sämtliche
Ansprüche bzw. Mängelrechte, also auch eine Schadenersatzforderung. Die
Beschwerdegegnerin habe mit ihrem Verhalten in konkludenter Weise zum Ausdruck
gebracht, die Beanstandung der Beschwerdeführerin zu akzeptieren und darauf zu
verzichten, eine Verspätung der Mängelrüge einzuwenden. Die Annahme der
Vorinstanz, der Verzicht sei nur unter Vorbehalt erfolgt, verletze den
Vertrauensgrundsatz nach Art. 8 Abs. 2 und 3 CISG.
3.2.1 Art. 39 Abs. 1 CISG ist dispositives Recht. Der Verkäufer kann auf den
Einwand, die Anzeige der Vertragswidrigkeit sei nicht rechtzeitig oder nicht
gehörig erfolgt, verzichten. Ein Verzicht ist bei Vorliegen eindeutiger
Anhaltspunkte auch konkludent möglich. So kann ein solcher etwa angenommen
werden, wenn der Verkäufer vorbehaltlos die Vertragswidrigkeit anerkennt,
vorbehaltlos die Ware zurücknimmt, sich zur Nachbesserung oder Ersatzlieferung
bereit erklärt oder sich vorbehaltlos auf die sachliche Prüfung der gerügten
Mängel einlässt (SCHWENZER, a.a.O., N. 33 zu Art. 39 CISG; BRUNNER, a.a.O., N.
20 zu Art. 39 CISG; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4C.314/2006 vom 20.
Dezember 2006 E. 2.2.3; zum internen Recht/OR vgl. etwa Urteile des
Bundesgerichts 4C.347/2005 vom 13. Februar 2006 E. 2; 4C.149/2001 vom 19.
Dezember 2001 E. 5 [stillschweigender Verzicht auf den Einwand zufolge
vorbehaltloser Nachbesserung] und PETER GAUCH, Der Werkvertrag, 5. Aufl. 2011,
Rz. 2163 S. 781). In der blossen Aufnahme von Verhandlungen über die gerügten
Mängel oder in der Zusage einer Nachbesserung bei gleichzeitigem Verlangen
vollständiger Zahlung sowie Geltendmachung des Verspätungseinwands erstmals vor
Gericht ist noch kein Verzicht zu sehen (SCHWENZER, a.a.O., N. 33 zu Art. 39
CISG).
3.2.2 Vorliegend stellte die Vorinstanz fest, die Parteien seien sich darüber
einig gewesen, dass die Kaufpreisforderung vorbehaltlos bezahlt würde, wenn die
Bio-Zertifikate vorlägen. Die Vorinstanz gelangte zu diesem Schluss in
Würdigung der Beweise, namentlich der E-Mail-Korrespondenz der Parteien und
deren diesbezüglichem Verhalten. Sie zog mithin gerade nicht das
Vertrauensprinzip heran. Die Rüge einer falschen Anwendung des Grundsatzes der
objektivierten Auslegung nach Art. 8 Abs. 2 CISG geht daher ins Leere.
Ebenso wenig ist die Beweiswürdigung der Vorinstanz unhaltbar. Die
Beschwerdegegnerin gestand zwar mittels E-Mail vom 7. August 2009 bezüglich der
Beibringung der Bio-Zertifikate eigenes Versagen zu. Sie bemühte sich sodann,
den Mangel zu beheben. Mit E-Mail vom 15. Oktober 2009 und vom 28. Oktober 2009
forderte sie aber auch die vollständige Bezahlung des Kaufpreises. Sodann hatte
die Beschwerdeführerin zuvor nie von einer Ersatzpflicht für entstandene
Lagerkosten gesprochen. Angesichts dieser Umstände ist es durchaus vertretbar,
wenn die Vorinstanz jedenfalls in Bezug auf die streitgegenständliche - bis zur
Klageantwort nie thematisierte - Schadenersatzforderung keinen Verzicht auf den
Verspätungseinwand erkennen konnte. Aufgrund der E-Mail der Beschwerdeführerin
vom 28. Oktober 2009, in der diese schrieb, sie werde die Rechnungen
begleichen, sobald die Kontrollbescheinigungen von Bio Suisse genehmigt seien,
und des Umstands, dass sie bis zur Klageantwort das Thema Schadenersatz nie
erwähnte, geschweige denn solchen forderte, ist es vielmehr nachvollziehbar,
wenn die Vorinstanz folgerte, dass es auch das Verständnis der
Beschwerdeführerin gewesen sei, dass die Sache mit der Lieferung der
Bio-Zertifikate erledigt sei und sie den Kaufpreis bezahlen werde, ohne weitere
Forderungen zu stellen. In der Replik bringt die Beschwerdeführerin vor, in
ihrer E-Mail vom 28. Oktober 2009 habe sie zugesagt, die Rechnungen zu
"begleichen". Das sei nicht das Gleiche wie "bezahlen". Begleichen könne man
auch durch Verrechnung. Dieses Argument ist gesucht und muss ohnehin ungehört
bleiben, da es in unzulässiger Ergänzung der Beschwerde erst in der Replik
vorgebracht wurde.

3.3 Schliesslich wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz vor, zu Unrecht
nicht geprüft zu haben, ob die Beschwerdegegnerin durch ihre Handlungsweise das
Recht verwirkt habe, sich auf die Verspätung der Mängelrüge zu berufen. Sie
(die Beschwerdeführerin) habe in der Duplik im kantonalen Verfahren geltend
gemacht, die Beschwerdegegnerin verhalte sich rechtsmissbräuchlich, wenn sie
sich in der Replik auf den Standpunkt stelle, dass die Mängelrüge betreffend
die Kontrollbescheinigungen verspätet erfolgt sei. Die Beschwerdegegnerin habe
diesen Standpunkt vorher nie eingenommen. Im Gegenteil habe sie zu verstehen
gegeben, bezüglich Kontrollbescheinigungen Fehler gemacht zu haben und den
Mangel beheben zu wollen.
Die Vorinstanz hat dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht etwa
übersehen, sondern ausdrücklich erwähnt. Sie begründete auch, weshalb es
zulässig sei, dass die Beschwerdegegnerin diesen Einwand erst in der Replik
vorbrachte. Eine materielle Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen kann in
ihren Erwägungen zur Frage eines Verzichts auf den Verspätungseinwand erblickt
werden. Denn sie würdigte unter diesem Titel den von der Beschwerdeführerin in
der Duplik zum behaupteten rechtsmissbräuchlichen Verhalten einzig
vorgebrachten Umstand, die Beschwerdegegnerin habe in ihrer E-Mail vom 7.
August 2009 betreffend Kontrollbescheinigungen ihr Versagen zugegeben und die
Behebung des Mangels in Aussicht gestellt. In der Tat kann statt der Annahme
eines Verzichts gegebenenfalls geschlossen werden, dass der Verkäufer das
Recht, sich auf eine verspätete Mängelrüge zu berufen, durch sein Verhalten
verwirkt hat (BRUNNER, a.a.O., N. 20 zu Art. 39 CISG in fine). Der von der
Beschwerdeführerin angerufene Umstand erlaubt indessen ebenso wenig den Schluss
auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beschwerdegegnerin, wie er nicht
zu begründen vermag, dass die Beschwerdegegnerin (betreffend die
Schadenersatzforderung) vorbehaltlos auf den Verspätungseinwand verzichtet hat.

4.
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons St. Gallen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. März 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Kölz

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