Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.585/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_585/2012

Urteil vom 1. März 2013
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille,
Gerichtsschreiber Luczak.

Verfahrensbeteiligte
Versicherung X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Mario Bortoluzzi,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Martina Altenpohl,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Versicherungsvertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 20. August 2012.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Kläger und Beschwerdegegner) reiste am 24. Januar 2009 mit seinem
bei der Versicherung X.________ AG (Beklagte und Beschwerdeführerin) Kasko
versicherten Wagen nach Mailand zur Übernachtung im Grandhotel Q.________. Dort
übergab er den Wagen einer Person, die sich wie ein Hotelangestellter verhielt,
um in der hoteleigenen Tiefgarage parkieren zu lassen. Seither ist der Wagen
verschwunden.

B.
Der Kläger verlangte von der Beklagten vor dem Bezirksgericht Zürich unter
Vorbehalt der Nachklage Fr. 50'000.-- nebst Zins. Das Bezirksgericht hiess die
Klage gut. Gleich entschied am 20. August 2012 auf Berufung der Beklagten das
Obergericht des Kantons Zürich. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die
Beklagte dem Bundesgericht, die Klage abzuweisen. Der Beschwerdegegner
schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist, während
das Obergericht auf Vernehmlassung verzichtet. Obwohl kein zweiter
Schriftenwechsel angeordnet wurde, haben die Parteien eine Replik und eine
Duplik eingereicht.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdegegner ist der Auffassung, die Beschwerde sei verspätet
eingereicht worden. Der angefochtene Entscheid sei am 23. August 2012 als
eingeschriebene A-Post versandt worden und hätte daher vom Rechtsvertreter der
Gegenpartei am 24. August 2012 in Empfang genommen werden können. Dieser habe
aber bewusst den Ablauf der 7-tägigen Abholfrist abgewartet. Bei einem Beginn
der Beschwerdefrist am 25. August 2012 hätte die Beschwerdefrist bereits am 24.
September 2012 geendet, weshalb die Eingabe vom 1. Oktober 2012 verspätet sei.

1.1 Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung
der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 BGG).
Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses
ausgelöst werden, beginnen am folgenden Tag zu laufen. Eine Mitteilung, die nur
gegen Unterschrift des Adressaten oder der Adressatin oder einer anderen
berechtigten Person überbracht wird, gilt spätestens am siebenten Tag nach dem
ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt (Art. 44 BGG).

1.2 Der Beschwerdegegner macht nicht geltend, der Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin habe die Zustellung vor dem letzten Tag der Abholfrist nach
Art. 44 BGG abgeholt. Dass er dies allenfalls hätte tun können, genügt nicht,
um sein Zuwarten als rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen. Die
Zustellungsfiktion greift nach dem klaren Gesetzeswortlaut erst am siebenten
Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch. Eine Pflicht, die Post
innerhalb der Frist von sieben Tagen möglichst rasch abzuholen, ist im Gesetz
nicht vorgesehen. Die Beschwerde erweist sich mithin als rechtzeitig.

2.
Die einschlägigen allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der
Beschwerdeführerin für die Fahrzeugversicherung haben unter Ziff. G 3.6
folgenden Wortlaut:
"Diebstahl: Verlust, Zerstörung oder Beschädigung durch Diebstahl, Entwendung
oder Raub; ausgeschlossen sind Veruntreuung und Unterschlagung".
Streitig ist, ob für den Verlust des Fahrzeugs Versicherungsdeckung besteht.
Der genaue Tathergang konnte nicht rekonstruiert werden.

2.1 Die Vorinstanz erörterte drei Tatbestandsvarianten. Gleich bleibt der
äussere Tathergang: Jemand, von dem der Beschwerdegegner annahm (und aufgrund
der Umstände objektiv annehmen durfte), es handle sich um einen Angestellten
des Hotels, trug ihm das Gepäck in die Hotelhalle hinein und liess sich
(zumindest) den elektronischen Teil des Autoschlüssels aushändigen, um den
Wagen in der hoteleigenen Garage, die überwacht wurde und dem Beschwerdegegner
von früheren Aufenthalten bekannt war, abzustellen. Offen ist, wie es zum
Verschwinden des Fahrzeugs kam.
2.1.1 Nach der ersten Variante wurde der Autoschlüssel tatsächlich einem
Hotelangestellten übergeben und das Fahrzeug von diesem in der Garage
abgestellt. Aus dieser wurde es von einem unbekannten Dritten entwendet.
Die Parteien wie auch die Vorinstanzen sind sich darin einig, dass diese
Sachverhaltsvariante als Diebstahl zu qualifizieren ist, für den
Versicherungsschutz besteht.
2.1.2 Gemäss der zweiten Variante wurde das Fahrzeug ebenfalls einem
Angestellten des Hotels übergeben, aber von diesem nicht in die Garage
gestellt, sondern behändigt.
Auch in diesem Fall ist nach Auffassung der Vorinstanz ein Diebstahl im Sinne
der AVB anzunehmen, da der mit den Örtlichkeiten vertraute Beschwerdegegner den
Gewahrsam (wenn überhaupt) an das Hotel übertragen habe und dem Angestellten
des Hotels nur untergeordneten Gewahrsam eingeräumt worden sei. Die Vorinstanz
hat offengelassen, wessen Gewahrsam gebrochen wurde, derjenige des Hotels oder
derjenige des Beschwerdegegners. Im kantonalen Verfahren qualifizierte die
Beschwerdeführerin diese Sachverhaltsvariante als von der Versicherung nicht
gedeckte Veruntreuung. Vor Bundesgericht lässt sie die Qualifikation offen.
2.1.3 In der dritten Variante wurde der Beschwerdegegner von der Person, der er
(zumindest den elektronischen Teil) der Autoschlüssel übergab, getäuscht. Der
Täter gab nur vor, Hotelangestellter zu sein, und erweckte objektiv diesen
Eindruck. Der Beschwerdegegner konnte die Täuschung aufgrund der Umstände nicht
durchschauen. In dieser Variante besteht zwischen dem Täter und dem Hotel
keinerlei Verbindung. Statt das Fahrzeug in die Garage zu stellen, liess der
Täter es verschwinden.
Diese Sachverhaltsvariante qualifizierte die Vorinstanz strafrechtlich nicht
als Diebstahl, sondern als Betrug, da sie in der Schlüsselübergabe eine
Vermögensverfügung des Beschwerdegegners sah, die vom Täter durch eine
arglistige Täuschung hervorgerufen worden war. Sie erachtete die AVB der
Beschwerdeführerin aber für unklar, da auf strafrechtliche Tatbestände Bezug
genommen werde, die seit über 10 Jahren nicht mehr geltendes Gesetz seien.
Aufgrund der Angaben in den AVB, welche Tatbestände unter den versicherten
Diebstahl fielen (Diebstahl, Entwendung und Raub) und welche davon
ausgeschlossen seien (Veruntreuung und Unterschlagung) lasse sich nicht
zweifelsfrei erkennen, dass die Deckung für den nicht ausdrücklich erwähnten
Betrug ausgeschlossen sei. Daher erachtete die Vorinstanz die Haftung der
Beschwerdeführerin für gegeben.

2.2 Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, die Vorinstanz habe
es unterlassen abzuklären, wie die Parteien die AVB-Klausel tatsächlich
verstanden hätten. Der Beschwerdegegner habe im kantonalen Verfahren
bestritten, dass ein Betrug vorliege. Die Behauptung der Beschwerdeführerin,
der Betrug werde nicht von der Haftung erfasst, habe er dagegen nicht
bestritten. Daraus leitet die Beschwerdeführerin einen tatsächlichen Konsens
der Parteien ab. Aber auch normativ seien die AVB in diesem Sinne auszulegen.

2.3 Der Beschwerdegegner hält die Ausführungen der Vorinstanz betreffend die
Deckung von Betrugsfällen für zutreffend. Er ist aber der Auffassung, die
Haftung sei ohnehin gegeben, da auch die dritte Variante als Diebstahl und
nicht als Betrug zu qualifizieren sei. Zudem habe es die Beschwerdeführerin
unterlassen, die Arglist der Täuschung zu behaupten, so dass ohnehin kein
Betrug vorliegen könne.

3.
Vorformulierte Versicherungsbedingungen sind grundsätzlich nach den gleichen
Regeln wie individuell verfasste Vertragsklauseln auszulegen (BGE 135 III 1 E.
2 S. 6, 410 E. 3.2 S. 412 f.). Deren Inhalt bestimmt sich in erster Linie durch
subjektive Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen
Parteiwillen (Art. 18 Abs. 1 OR; BGE 131 III 606 E. 4.1 S. 611). Nur wenn eine
tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des
mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des
Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang
sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (BGE 133 III
61 E. 2.2.1 S. 67; 132 III 626 E. 3.1 S. 632). Bei vorformulierten
Vertragsbestimmungen hat sich das Gericht dabei vom Prinzip leiten zu lassen,
dass bei mehrdeutigen Klauseln jene Auslegung vorzuziehen ist, die dem
dispositiven Gesetzesrecht entspricht. Da dieses in der Regel die Interessen
der Parteien ausgewogen wahrt, hat die Partei, die davon abweichen will, das im
Vertrag mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Subsidiär gilt
sodann die Unklarheitsregel, wonach mehrdeutige Klauseln gegen den Verfasser
bzw. gegen jene Partei auszulegen sind, die als branchenkundiger als die andere
zu betrachten ist und die Verwendung der vorformulierten Bestimmungen
veranlasst hat (BGE 122 III 118 E. 2a S. 121; 133 III 607 E. 2.2 S. 610).

3.1 Ziff. G 3.6 der AVB benutzt strafrechtliche Begriffe, umschreibt damit aber
die versicherte Gefahr. Im Rahmen der Vertragsauslegung nach dem
Vertrauensprinzip ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, die Begriffe würden
ihrem strafrechtlichen Sinn entsprechend gebraucht (Urteil des Bundesgerichts
5C.306/2005 vom 22. Februar 2006 E. 2). Bereits insoweit können sich aber
Unklarheiten ergeben, beispielsweise im Zusammenhang mit der Frage, ob sich der
Begriff "Entwendung" auf den so betitelten, früher im StGB enthaltenen
Tatbestand bezieht (aArt. 138 StGB) oder auf die Entwendung eines Fahrzeugs zum
Gebrauch nach Art. 94 SVG. Mit Blick auf einen allfälligen tatsächlich
übereinstimmenden Parteiwillen ist aber unbeachtlich, welche Bedeutung den
Begriffen im strafrechtlichen Sinn zukommt. Massgebend ist, was die Parteien
tatsächlich darunter verstanden haben. Dies übersieht die Beschwerdeführerin,
wenn sie aus dem Prozessverhalten des Beschwerdegegners ableiten will, nach dem
tatsächlich übereinstimmenden Willen der Parteien seien Betrugsfälle von der
Versicherungsdeckung ausgenommen. Denn der Beschwerdegegner hat auch für die
dritte Variante eine Versicherungsdeckung behauptet. Er qualifiziert diese
Variante aber im Gegensatz zur Beschwerdeführerin nicht als Betrug. Damit
verstehen die Parteien unter dem Begriff des Betrugs nicht dasselbe, weshalb
sich aus den Äusserungen im Prozess keine tatsächliche Willensübereinstimmung
über den Umfang der Deckung ableiten lässt.

3.2 Damit ist zu prüfen, welche Bedeutung den AVB nach dem Vertrauensprinzip
zukommt.
3.2.1 Der Betrug wird in den AVB weder unter den Tatbeständen genannt, für die
bei Verlust, Zerstörung oder Beschädigung Deckung besteht, noch unter
denjenigen, für welche die Deckung ausgeschlossen wird. Aus der Tatsache, dass
ein Verhalten strafrechtlich allenfalls als Betrug zu qualifizieren wäre, kann
daher nach dem Wortlaut weder zwingend abgeleitet werden, es bestehe
Versicherungsschutz, noch dieser sei ausgeschlossen. Auch mit Blick auf die
übrigen für die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip massgebenden
Gesichtspunkte kann ein derartiger Ausschluss nicht in die AVB
hineininterpretiert werden. Die Annahme von Betrug setzt objektiv eine
arglistige Täuschung voraus. Der Ausschluss des Betrugs käme nur zum Tragen,
wenn das Opfer die Täuschung objektiv nicht erkennen konnte oder eine
Nachprüfung aufgrund der Umstände nicht zumutbar war. Für den nicht arglistig
Getäuschten, der strafrechtlich nicht geschützt wird, weil er sich mit einem
Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen bzw. den Irrtum durch ein
Minimum zumutbarer Vorsicht hätte vermeiden können (BGE 128 IV 18 E. 3a S. 20;
126 IV 165 E. 2a S. 171), würde der Ausschluss keine Wirkung entfalten. Davon,
dass vernünftige Vertragsparteien den nachlässigen Versicherten derart
unsachgemäss bevorzugen, ist aber nach dem Vertrauensprinzip nicht auszugehen (
BGE 122 III 420 E. 3a S. 424; 117 II 609 E. 6c S. 621). Damit kann
offenbleiben, ob Sachverhalte, für die gemäss AVB Deckung besteht, überhaupt
den Tatbestand des Betruges erfüllen können.
3.2.2 Die AVB gewähren Deckung bei Diebstahl, Entwendung oder Raub.
Ausgeschlossen werden Leistungen bei Veruntreuung und Unterschlagung.
3.2.2.1 Diebstahl begeht, wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur
Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern
(Art. 139 StGB). Der Diebstahl zeichnet sich unter den Aneignungsdelikten
dadurch aus, dass er die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache voraussetzt.
Die Wegnahme wird als Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams definiert.
Dabei genügt nach Lehre und Rechtsprechung der Bruch von "Mitgewahrsam" zur
Begründung von alleinigem Gewahrsam durch den Täter (vgl. BGE 101 IV 33 E. 2a
S. 35). Ob Gewahrsam gegeben ist, bestimmt sich nach allgemeinen Anschauungen
und den Regeln des sozialen Lebens (BGE 132 IV 108 E. 2.1 S. 110; 115 IV 104 E.
1c/aa S. 106 f. mit Hinweisen).
3.2.2.2 Der Begriff der "Entwendung" bezeichnet in aArt. 138 StGB die Aneignung
durch Wegnahme (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I:
Straftaten gegen Individualinteressen, 4. Aufl. 1993 [Vorauflage], S. 280 § 13
Rz. 128) und entspricht in Art. 94 Abs. 1 SVG dem Begriff der Wegnahme (BGE 101
IV 33 E. 2a S. 35).
3.2.2.3 Raub ist ein qualifizierter Diebstahl. Zu den Tatbestandsmerkmalen des
gewöhnlichen Diebstahls tritt eine der in Art. 140 Abs. 1 StGB genannten
Nötigungshandlungen hinzu. Auch der Raub setzt mithin die Wegnahme einer
fremden beweglichen Sache voraus.
3.2.2.4 Bei der Veruntreuung (der Aneignung einer anvertrauten Sache) steht
nicht die Wegnahme im Zentrum, sondern der Vertrauensmissbrauch. Das Opfer gibt
in der Regel seinen Gewahrsam freiwillig zu Gunsten des Täters auf. Die Lehre
nimmt Veruntreuung nur an, wenn das Opfer seinen Gewahrsam vollständig aufgibt
(Urteil des Bundesgerichts 6B_33/2008 vom 12. Juni 2008 E. 3.1 mit Hinweisen).
Behält es Mitgewahrsam, kommt der Tatbestand des Diebstahls in Betracht. In
seiner Rechtsprechung zu aArt. 140 StGB erkannte das Bundesgericht dagegen,
Mitgewahrsam des Opfers schliesse eine Veruntreuung nicht aus, sofern der
Vertrauensbruch den Gewahrsamsbruch an Bedeutung übertreffe (BGE 101 IV 33 E.
2a S. 35). Auch in neueren Entscheiden weist das Bundesgericht auf die
Diskrepanz zwischen der Lehre und seiner bisherigen Rechtsprechung hin (zit.
Urteile 6B_33/2008 E. 3.1; 5C.306/2005 E. 3.1).
3.2.2.5 Die Unterschlagung (aArt. 141 StGB) stellte die in Bereicherungsabsicht
erfolgte Aneignung einer Sache unter Strafe, die dem Täter ohne dessen Willen
zugekommen ist. Die Tragweite dieses Tatbestands war umstritten (vgl.
STRATENWERTH, a.a.O., S. 240 ff. § 13 Rz. 11 ff.), da dessen Wortlaut zu
sachlich nicht gerechtfertigten Strafbarkeitslücken führte. Er wurde durch den
weiter gefassten Grundtatbestand der unrechtmässigen Aneignung (Art. 137 StGB)
ersetzt (Botschaft vom 24. April 1991 über die Änderung des Schweizerischen
Strafgesetzbuches, BBl. 1991 II 999 Ziff. 213.2 zu Art. 137 E-StGB).
Unbestritten ist, dass der Tatbestand der Unterschlagung im Gegensatz zum
Diebstahl das Element der Wegnahme nicht voraussetzt.
3.2.3 Die Tatbestände, für die unter dem Titel Diebstahl Deckung besteht,
setzen alle die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache voraus, das heisst den
Bruch fremden Gewahrsams. Die ausgeschlossenen Tatbestände tun dies nicht.
Sofern ein Gewahrsamsbruch überhaupt denkbar ist, steht er nicht im
Vordergrund. Daraus ergibt sich, dass eine Versicherungsdeckung unter dem
Oberbegriff "Diebstahl" nur besteht, wenn der Täter fremden Gewahrsam bricht,
wobei sich die Frage stellt, ob trotz des Gewahrsamsbruchs der Ausschluss der
Veruntreuung greifen kann. Dass der Täter sein Opfer getäuscht hat, schliesst
eine Deckung nur aus, wenn wegen der Täuschung der vom Täter angestrebte Erfolg
ohne Bruch fremden Gewahrsams eintritt oder die Tat, wie im zit. Urteil 5C.306/
2005, trotz Bruch fremden Gewahrsams als Veruntreuung qualifiziert wird.

3.3 Die Auslegung der AVB nach dem Vertrauensprinzip führt damit an sich zu
einem eindeutigen Ergebnis. Gibt das Opfer seinen Gewahrsam freiwillig und
vollständig zu Gunsten des Täters auf, besteht keine Deckung. Deckung ist
gegeben, wenn fremder Gewahrsam gebrochen wurde und zwar grundsätzlich auch,
wenn es sich um blossen Mitgewahrsam handelte. Unklar ist, ob die Deckung bei
Bruch von Mitgewahrsam des Opfers durch den Deckungsausschluss bei Veruntreuung
eingeschränkt wird. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts
greift der Deckungsausschluss, wenn der Vertrauensbruch den Bruch des
Mitgewahrsams an Bedeutung übertrifft (zit. Urteil 5C.306/2005). Folgt man der
Lehre, findet der Tatbestand der Veruntreuung (und entsprechend der
Deckungsausschluss) keine Anwendung (vgl. zit. Urteil 6B_33/2008 E. 3.1 mit
Hinweisen).

3.4 Vor diesem Hintergrund bleibt zu prüfen, ob der Beschwerdegegner auch bei
der dritten Sachverhaltsvariante Anspruch auf Versicherungsleistungen erheben
kann.
3.4.1 Im zit. Urteil 5C.306/2005 suchte das Opfer mit seinem Wagen einen
Parkplatz. Eine vor einem Hotel stehende Person beobachtete dies und bot an,
sie werde den Wagen in der nicht voll belegten Hotelgarage unterstellen. Wo
sich diese Garage befand, wusste das Opfer nicht. Das Bundesgericht ging
dennoch davon aus, das Opfer habe am Fahrzeug Mitgewahrsam behalten.
Diesbezüglich ist der Entscheid in der Lehre auf Kritik gestossen, diese fusst
aber gerade darauf, dass das Opfer gar nicht wusste, wo sich die Garage befand
(NIGGLI/RIEDO, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl. 2007, N. 34 zu
Art. 139 StGB). Der Beschwerdegegner wusste, wo das Fahrzeug abgestellt werden
sollte, so dass er die Zugriffsmöglichkeit auf das Fahrzeug nicht verlor. Ob
die Hotelgarage frei zugänglich war oder der Zugang dazu kontrolliert wurde,
ist nicht massgebend, da eine allfällige Kontrolle nicht den Zugriff der Gäste
auf ihre Fahrzeuge einschränken soll. Der Täter trat dem Beschwerdegegner als
Hotelangestellter gegenüber. Er gab vor, Hilfsperson des Hotels zu sein, in dem
der Beschwerdegegner abgestiegen ist. In dieser Position ist er im Rahmen der
Dienstleistungserbringung des Hotels dem Gast untergeordnet. Wird ihm ein
Fahrzeug zum Wegstellen in der dem Beschwerdegegner bekannten Hotelgarage
überlassen, gibt dieser nach den allgemeinen Anschauungen und den Regeln des
sozialen Lebens seinen Gewahrsam nicht zu Gunsten des Täters auf. Der Täter übt
vielmehr den Gewahrsam für den Hotelgast aus. Dass der Täter tatsächlich nicht
Hotelangestellter war, ändert nichts daran, dass er vom Beschwerdegegner
aufgrund der Täuschung nur den untergeordneten Gewahrsam eines
Hotelangestellten eingeräumt erhielt.
3.4.2 Im zit. Urteil 5C.306/2005 übertraf der Vertrauensbruch den
Gewahrsamsbruch an Bedeutung. Dort ging aber bereits das Angebot zum
(vermeintlichen) Vertragsschluss mit dem Hotel betreffend das Einstellen des
Wagens vom Täter aus. Die Annahme des Angebots beruhte auf dem Vertrauen des
Opfers zum Täter. Dieses hatte gezögert, dem Täter das Fahrzeug zu übergeben
(zit. Urteil 5C.306/2005 E. 4). Der heute zu beurteilende Fall liegt anders.
Die vertragliche Beziehung zwischen dem Hotel und dem Beschwerdegegner bestand
tatsächlich und unabhängig von der Täuschungshandlung. Sofern ein Gast nach den
Umständen objektiv annehmen muss, es handle sich um einen Hotelangestellten,
beruht die Übergabe des Fahrzeugs nicht auf besonderem Vertrauen zu dieser
Person. Der Gast wählt denjenigen Angestellten, der gerade bereitsteht. Da der
Vertrauensbruch den Gewahrsamsbruch an Bedeutung nicht übertrifft, kommt der
umstrittenen Frage, ob trotz Mitgewahrsam des Opfers eine Veruntreuung
vorliegen kann, keine Bedeutung zu.

3.5 Der Täter hat in der dritten Variante den Mitgewahrsam des
Beschwerdegegners gebrochen. Sein Gewahrsamsbruch überwiegt den Vertrauensbruch
an Bedeutung. Damit ist gemäss den AVB auch mit Blick auf das zit. Urteil
5C.306/2005 die Deckung gegeben. Ob auch der Straftatbestand des Betruges
erfüllt wäre, ist unerheblich.

4.
Die Beschwerde erweist sich im Ergebnis als unbegründet und ist abzuweisen. Dem
Ausgang des Verfahrens entsprechend, wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. März 2013

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Klett

Der Gerichtsschreiber: Luczak